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Sexualisierte Gewalt in australischen Bergbauminen
Bericht deckt enormes Ausmaß der Übergriffe auf sogenannte Fifos auf
Die Minencamps im Westen Australiens sind einsam gelegene Arbeitsorte. Die großen australischen Bergbaufirmen wie BHP, Rio Tinto oder Fortescue fördern hier hauptsächlich Eisenerz. Arbeiter sind im Schichtdienst tätig – sie verbringen etwa eine Woche zu Hause und werden dann von der Firma für die folgenden zwei Wochen zu den Minen geflogen. »Fifo« nennen die Australier das – »Fly in, Fly out«. Die Camps sind auf den ersten Blick gut ausgestattet: Es gibt Fitnessstudios, Fußballfelder und Swimmingpools. Auch Essen wird von den Firmen zur Verfügung gestellt.
Doch Geschlechtergleichheit ist in den entlegenen Outbackregionen oftmals noch nicht angekommen. Nur jede fünfte Arbeitskraft ist eine Frau – 30 000 Frauen stehen 120 000 Männern gegenüber. Dass dieses Ungleichgewicht ein Problem darstellt, ist kein Geheimnis: Bereits eine Untersuchung der australischen Menschenrechtskommission zum Thema sexuelle Belästigung im Jahr 2020 ergab, dass 74 Prozent der Frauen in der Bergbauindustrie in den letzten fünf Jahren irgendeine Form sexueller Belästigung erlebt hatten.
Jetzt wurde vor dem Parlament des Bundesstaates Westaustralien das Ergebnis einer einjährigen Untersuchung vorgestellt. Der Bericht mit dem Titel »Genug ist genug« fasst zusammen, wie ernst die Lage wirklich ist und welcher »entsetzlichen Bandbreite von Verhaltensweisen« Arbeiterinnen ausgesetzt sind. Ein Opfer berichtete beispielsweise, dass sie »bewusstlos geschlagen« worden sei, und als sie aufwachte, »ihre Jeans und Unterhose um ihre Knöchel herum« vorgefunden habe. Eine andere Frau berichtete, wie ein Mann »mehrmals mit seiner Hand in ihr Oberteil gefasst« und niemand etwas dazu gesagt habe. Libby Mettam, die Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, die den Bericht vorstellte, sagte, es sei »erschütternd« und »völlig unentschuldbar« gewesen, von der »gelebten Realität der Verspottungen, Angriffe und gezielten Gewalttaten« zu hören.
Der Report ist aber nicht nur Situationsbericht, er enthält auch 24 Empfehlungen, wie die Arbeitsbedingungen für Frauen in der Bergwerksindustrie verbessert werden können. Darunter sind Schulungen, ein verbessertes Meldesystem von Vorfällen und härtere Strafmaßnahmen für Täter. Auch eine Art »Schwarze Liste« für Wiederholungstäter habe man diskutiert, wie es in einem Bericht des australischen Senders ABC hieß. Mithilfe solch einer Liste könne verhindert werden, dass Mitarbeiter, die häufiger negativ aufgefallen sind, Arbeit in einer anderen Mine finden. Aufgrund der Vertraulichkeit von Informationen und der Frage nach der Schwelle, ab wann jemand auf dieser Liste landet, sei die Umsetzung einer solchen aber vermutlich schwierig.
Etliche der großen Bergwerksfirmen hatten schon vor Veröffentlichung des Berichts neue Prozesse und Sicherheitsrichtlinien eingeführt. Beispielsweise wurde mehr Sicherheitspersonal angeworben. Einige Firmen griffen in den vergangenen Jahren zudem selbst schon hart durch: BHP hat nach eigenen Angaben seit 2019 insgesamt 48 Mitarbeiter wegen Verstößen entlassen, Rio Tinto soll allein im vergangenen Jahr zwölf Arbeitern gekündigt haben. Die Firma hat zudem eine eigene Untersuchung angestoßen, die ergab, dass in den letzten fünf Jahren mehr als 20 Frauen tatsächliche oder versuchte Vergewaltigungen oder sexuelle Übergriffe gemeldet hatten.
Frauen beschweren sich seit Jahren über sexuelle Belästigung, sexuelle Übergriffe, eine Kultur des Sexismus und Mobbing in den Minencamps. Medienberichte deckten im vergangenen Jahr dann auf, wie enorm das Ausmaß des Problems ist, und die Branche erlebte eine Art #MeToo-Kampagne. Dies führte zu einer offiziellen Entschuldigung der großen Bergwerksunternehmen und der nun vorliegenden Untersuchung.
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