Kein Einzeltäter

Religion ist gefährlich – weltweit, meint Christof Meueler

Ironie ist lebensgefährlich. Salman Rushdie
Ironie ist lebensgefährlich. Salman Rushdie

Man hat nicht mehr damit gerechnet: dass jemand Salman Rushdie ermorden will, weil Ayatollah Chomeini es 1989 verlangt hat. Alle Muslime der Welt wurden aufgerufen, Rushdie zu suchen und zu töten, weil er 1988 in seinem Roman »Die satanischen Verse« den göttlichen Ursprung des Korans in Frage gestellt habe. Ironie kann lebensgefährlich sein. Rushdie musste sich Jahrzehnte lang verstecken. Im Laufe der Zeit verzichtete er sukzessive auf Polizeischutz, denn in den USA, wo er seit 20 Jahren lebt, fühlte er sich sicher. »Das ist lange her«, sagte er vor Kurzem dem »Stern« auf die Frage, ob er noch um sein Leben bange.

Der junge Mann, der Rushdie nun bei einer Lesung im US-Bundesstaat New York mit einem Messer angriff, mag ein irrer Einzeltäter sein. Ayatollah Chomeini war keiner. Während der Revolution im Iran 1979 wurde er ebenso unterschätzt wie gefeiert. Michel Foucault, Joschka Fischer und auch die »Prawda« waren von ihm begeistert. Die iranische Linke glaubte, ihn benutzen zu können – überlebt hat sie es nicht. Bis heute unterdrücken im Iran zirka 10 Prozent Islamisten die anderen 90 Prozent.

Das ist der politisch angewandte Terror, den alle Religionen bereithalten. Die Kriminalgeschichte des Christentums mag mittlerweile gedämpft sein und der Islamismus besonders aggressiv auftreten – die Weltreligionen nehmen sich trotzdem nicht viel, weil sie nicht wollen, dass die Menschen selber entscheiden, was gut für sie ist. Ein Rückfall in die Barbarei ist jederzeit drin, das beweist das Attentat gegen Rushdie. Der angeblich freie Westen findet es mal schlimm, mal nicht – und nennt das »wertebasiert«. Ganz nach ökonomischem Gusto. Saudi-Arabien war kaum je ein Problem. Und im November geht es nach Katar zur abstoßenden Fußball-WM.

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