- Kultur
- Typisch Sommer
Bitte Protestwandern
Gehen Sie wandern, so lange Sie den Wald noch erkennen können!
Ich wandere gerne. Obwohl oder gerade weil diese Art des Laufens vom Aussterben bedroht ist. Auch wenn es noch nicht so aussieht, denn Wandern liegt ja voll im Trend. Warum ich glaube, dass diese kontemplative Tätigkeit, der man zumeist in den Sommermonaten nachgeht, in einigen Jahren nicht mehr betrieben werden wird? Weil man für das Wandern Wald benötigt. Und den wird es schon bald nicht mehr geben.
Es gilt also zu wandern, solange es noch geht, denn der Klimawandel und die damit verbundenen Erscheinungen wie Waldbrände und Borkenkäferbefall dezimieren unsere Forste zunehmend. Den Rest erledigt der Mensch ganz bewusst selbst, indem er Wälder in Freizeitparks verwandelt, in denen eine Attraktion die nächste jagt.
Ich kann das beurteilen, denn als Braunschweiger fahre ich gerne in den nahegelegenen Harz. Dort – in einem sogenannten Nationalpark – werden ständig neue Bauwerke errichtet, mit denen Urlauber und Tagestouristen in dieses wunderschöne Mittelgebirge gelockt werden sollen. Im Wald, da sind die Räuber! Und sie verrichten ihr schäbiges Geschäft ganz legal. Herrliche Waldgebiete werden für Baumwipfelpfade, Skiresorts und Parkplätze mit angeschlossenen Imbissbuden geopfert. Auch hieran (wie an so ziemlich jeder anderen Unbill) ist natürlich der Kapitalismus schuld! Niemand müsste bewaldete Berge mit Skikanonen abbruchreif schießen, wenn nicht die wirtschaftliche Notwendigkeit dahinter stünde, jeden Quadratmillimeter unseres prächtigen Planeten monetär zu verwerten.
Und so möchte ich Sie auffordern, in die hiesigen Wandergebiete zu reisen, um dort nur eines zu tun: zu wandern. Ignorieren Sie all die Eventlocations, die Sie doch nur ablenken sollen von den Bösartigkeiten, die uns der Kapitalismus beschert hat, also von Lohnarbeit und Geschäftemacherei. Zudem eben hier, in den Wandergebieten, der Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben werden soll: Weil das Leben im Kapitalismus eine Zumutung ist, suchen wir hier die Ablenkung, die genau diese Zumutungen wieder hervorbringt. Das ist absurd.
Nein, lassen Sie sich nicht darauf ein. Durchwandern Sie Wälder, besteigen Sie Berge! Genießen Sie die Natur. Und die Stille vor der Zerstörung.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.