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Der wankende Gasmarkt
Mit der Umlage will die Regierung die Versorgung sicherstellen. Bei der Finanzierung gäbe es Alternativen
Wussten Sie eigentlich, dass Deutschland zuletzt Weltmeister beim Importieren von Erdgas war? Selbst China, das bevölkerungsreichste Land und die größte Volkswirtschaft mit ihrem schier unstillbaren Energiehunger, brachte es nicht auf solche Mengen. Knapp 160 Milliarden Kubikmeter des fossilen Energieträgers waren es im Jahr 2020 – Tendenz stark steigend. Mit dem Atom- und insbesondere dem Kohlestieg wurde Erdgas eine immer zentralere Rolle im Strom- und vor allem im Wärmebereich sowie bei industriellen Prozessen zugedacht. Wobei Russland mit 55 Prozent Anteil an den Importen Hauptlieferant war – auch hier Tendenz stark steigend. Die große Abhängigkeit vom Erdgas rächt sich nun angesichts der ausbleibenden Lieferungen aus Russland, von wo nur noch ein Bruchteil früherer Mengen ankommt.
Der regulierte deutsche Gasmarkt ist so strukturiert: Großhändler schließen Verträge mit ausländischen Energiefirmen wie Gazprom, die das Gas entweder per Pipeline oder per Schiff liefern, und verkaufen die Importe weiter, vertraglich vereinbart, an kleinere, oft kommunale Versorger, die Privathaushalte vor Ort beliefern. Was ein einträgliches Geschäft werden sollte, wird nun zum Fass ohne Boden: Händler, die sich insbesondere auf Russland-Importe kapriziert haben, müssen Ersatz beschaffen, und dieser ist extrem teuer – die Großhandelspreise haben sich zum Teil verzehnfacht. Darüber hinaus müssen die Unternehmen zusätzliche milliardenschwere Sicherheitsleistungen durch die höheren Gaspreise hinterlegen. Bisher war eine Kostenweitergabe nicht möglich, denn dafür braucht es grünes Licht vom Staat.
Mit Abstand größter Gasgroßhändler ist Uniper. Die Abspaltung des Energiekonzerns Eon hat zwar auch eine Kraftwerkssparte, doch diese kann die Verluste aus dem dominierenden Gashandel nicht annähernd ausgleichen. Bereits im ersten Quartal gab es einen Nettoverlust von gut drei Milliarden Euro, der noch deutlich wachsen dürfte. Uniper, immerhin ein Konzern mit rund 12 000 Beschäftigten, würde absehbar in die Insolvenz schlittern. Hier stieg mittlerweile der Bund mit 30 Prozent ein, sodass sich Uniper mehrheitlich in deutschem und finnischem Staatsbesitz befindet. Auch die Leipziger Gasfirma VNG, das größte Unternehmen mit Sitz in Ostdeutschland, meldete bereits Bedarf für staatliche Hilfen an.
Allein ein Zusammenbruch von Uniper würde, da keine anderen Händler bereitstünden, dazu führen, dass ihre Kunden, also rund 100 Versorger vor Ort, kein Gas mehr erhalten. Die betroffenen Stadtwerke selbst könnten, wenn überhaupt, nur kleinere Mengen am Markt beschaffen und zu horrenden Kosten, die letztlich an den Kommunen hängen blieben. Viele Endkunden stünden plötzlich ohne Gas da. In anderen Städten oder Gemeinden hingegen würde das Leben weitergehen wie bisher.
Die Gasumlage soll diese Situation verhindern: Großhändler dürfen 90 Prozent ihrer Zusatzkosten an die Versorger weitergeben, die dann wiederum die Endverbraucher belangen können. Da dies alle Gaskunden gleichmäßig trifft, soll auch vermieden werden, dass in einzelnen Gebieten die Preise horrend steigen, in anderen dafür gar nicht. Zudem gibt es anders als seinerzeit bei der EEG-Umlage keine Ausnahmen: Energieintensive Unternehmen müssen entsprechend ihrem extrem hohen Verbrauch zahlen, weshalb auch die Wirtschaftslobby gegen die Maßnahme wettert.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hingegen wird nicht müde, die Umlage von zunächst 2,419 Cent je Kilowattstunde als »gerecht« anzupreisen. Außerdem erhofft er sich davon, dass gerade Großverbraucher in der Industrie das Preissignal dafür nutzen, Gas in großen Mengen einzusparen. Dies wäre auch Voraussetzung dafür, dass die Versorgung über den Winter selbst bei noch massiveren Importausfällen sichergestellt werden kann. Außerdem würde eine geringere Nachfrage auch für niedrigere Gaspreise sorgen.
Doch in der Realtität geht es nicht gerecht zu, da die Umlage, obwohl zeitlich befristet, nicht wenige Privathaushalte schlicht überfordern dürfte. Wegen der bereits kräftig gestiegenen Gas-, Strom- und Lebensmittelpreise wird dafür finanziell keine Luft sein, zumal die Einkommen nicht entsprechend mitgestiegen sind. Je nach Verbrauch kann es hier durchaus um mehrere 100 Euro im Jahr gehen. Hinzu könnte noch kommen, dass einige Industriebetriebe ihre gestiegenen Gaskosten zumindest teilweise weitergeben, was erneut höhere Preise bei ganz anderen Produkte zur Folge hätte.
Kanzler Olaf Scholz hat, bislang recht vage, zusätzliche Entlastungen für Betroffene angekündigt. Doch zielgenau können diese mit Blick auf die Gaskosten kaum sein: Etwa die Hälfte der Bevölkerung heizt nicht mit Gas. Und die, die dies oft unfreiwillig tun, haben extrem unterschiedliche Verbräuche je nach Beschaffenheit des Heims: In einer gut wärmegedämmten Wohnung mit Nachbarn rechts und links, oben und unten ist der Verbrauch relativ gering. In einem freistehenden Einfamilienhaus, an dem seit Jahzehnten nichts gemacht wurde, kann die Umlage bei vergleichbarer Haushaltsgröße um ein Vielfaches höher ausfallen.
Für Privathaushalte ginge es letztlich nur dann gerecht zu, wenn die Gasumlage vom Staat finanziert werden würde. Eine Energiesparkampagne mit staatlichen Fördermitteln etwa für effiziente Duschköpfe und Heizungsthermostate sowie seriöse Energieberatung würde der Versorgungssicherheit dienen und für geringere Gaskosten sorgen. Und auf lange Sicht geht es eigentlich nur um eines: einen Ausstiegsplan für Erdgas.
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