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Sender hatte Boni nicht auf dem Schirm
RBB-Personalrat wusste nichts von Prämien für den Stellenabbau
Man muss der erst zurückgetretenen und am Montagabend auch noch gefeuerten RBB-Intendantin Patricia Schlesinger zugestehen, dass sie am Tiefpunkt ihrer Laufbahn die Nerven behielt. Als sie am Montag die Sitzung des Rundfunkrates verließ, die mit ihrer Entlassung endete, verfolgten sie die Kameras. Schlesinger hatte schon einen Fuß im Paternoster, als ihr aufgefallen sein muss, dass sie ihren Untergang in aller Form ins Bild setzen würde, sollte sie jetzt auf diese Weise »nach unten« entschweben. Gerade noch rechtzeitig zog sie ihr Bein zurück, benutzte den Paternoster nicht und ging einen Gang entlang. Es gibt wohl keinen Weg zurück.
Am Dienstag befasste sich nun der Hauptausschuss des Brandenburger Landtags erneut mit dem beispiellosen Geschehen. Der Ausschussvorsitzende Daniel Keller (SPD) erinnerte daran, dass die Beschuldigte der Einladung in den Landtag vor einigen Wochen nicht gefolgt war. Jetzt, nach Schlesingers Entpflichtung durch den Rundfunkrat, nahm ihren Platz im Ausschuss der amtierende Senderchef Hagen Brandstäter ein. Zuerst wollte Schlesinger nicht auftreten – jetzt durfte sie also nicht mehr. Offen diskutiert wurde im Ausschuss die Frage, ob Rundfunkrat und Verwaltungsrat des RBB ihre Kontrollfunktionen erfüllt haben.
Rundfunkratschefin Friederike von Kirchbach beteuerte vor den Abgeordneten, »zu keinem Zeitpunkt« Anlass für einen Verdacht gehabt zu haben, dass etwas nicht ordnungsgemäß abgelaufen sei. Die 28 Mitglieder des Rundfunkrates arbeiten ehrenamtlich und sähen sich nun einer »Dauerkritik ausgesetzt«, beklagte von Kirchbach. Eine »rückhaltlose Aufklärung« sei auch das Ziel des Rundfunkrates, beteuerte sie.
Personalratschefin Sabine Jauer sprach von einer Affäre, die jenseits von allem liege, womit sich die Beschäftigtenvertretung des Senders jemals befasst habe. Man habe »nicht einmal den Verdacht gehabt«, dass der Personalabbau mit Zielprämien für die Chefs vergütet werde. Einerseits erwähnte Jauer ein großes Misstrauen gegenüber der Geschäftsleitung des Senders. Andererseits sieht sie den Rundfunk- und den Verwaltungsrat »im Moment auf dem richtigen Weg«. Da sei ein »Weckruf« gehört worden, und gegenwärtig stelle sie die personelle Besetzung beider Gremien nicht infrage. Der amtierende RBB-Chef Hagen Brandstäter räumte ein, dass auch innerhalb des RBB kritische Stimmen laut geworden sind – unter anderem zu dem ehrgeizigen Projekt eines »digitalen Medienhauses« in Berlin. Ursprünglich waren die Baukosten mit 60 Millionen Euro veranschlagt, zuletzt standen dann bereits 185 Millionen Euro im Raum.
Wer jetzt glaube, dass durch einen inzwischen verfügten Baustopp Geld für ein besseres Rundfunkprogramm frei werde, »den muss ich enttäuschen«, sagte Brandstäter. Denn es handele sich um ein kreditfinanziertes Objekt, ins Programm dürften aber keine Gelder aus Schulden fließen. Brandstäter verteidigte die Millionenzahlungen an Berater, denn in der Senderleitung säßen nun einmal keine Bauexperten. Zu den getadelten Boni-Zahlungen an die Ex-Intendantin sagte er, das Wort »Boni« wolle er nicht verwenden, stattdessen wolle er von »variabler Vergütung« und von Zielprämien sprechen. Die variable Vergütung gebe es für 27 Leiter auf der höchsten Ebene wie Abteilungschefs und sei an das Erreichen bestimmter Ziele gebunden. Für ihn selbst stehe das Ziel, einen konkreten Anteil an Elektro-Dienstfahrzeugen zu beschaffen.
Der RBB gilt als die Anstalt im ARD-Verbund mit dem geringsten Zuschauerzuspruch im eigenen Verbreitungsgebiet. »Sollte nicht der Zuschauerzuspruch Grundlage für eventuelle Boni sein?«, fragte der Landtagsabgeordnete Erik Stohn (SPD). Das Programm »wurde auch für uns
wahrnehmbar eingekürzt«, beschwerte sich Grünen-Fraktionschefin Petra Budke.
Was die als dienstlich abgerechneten Abendessen bei der Ex-Intendantin betreffe – »davon wusste ich nichts«, betonte Brandstäter. Der Vorwurf des Abgeordneten Péter Vida (Freie Wähler), die Ausstattung der RBB-Chefetage sei auf »Weltausstellungsniveau« erfolgt, lasse ihn schmunzeln. Die Ausgaben dafür würden sich nur wenig von denen unterscheiden, die allgemein für Bürogebäude als Index gelten.
Für den Verwaltungsrat nahm die amtierende Vorsitzende Dorette König einen Teil der Schuld an der entstandenen Situation auf sich. Im Verwaltungsrat habe ein »Ressortsystem« gegolten, und man habe einander vertrauen müssen und auch vertraut. Rückblickend stellte sie fest, dass »keine Sachverhalte erkennbar« gewesen seien, die auf unangemessene Ausgaben hingedeutet hätten. Von beruflichen Kontakten des inzwischen zurückgetretenen Verwaltungsratschefs Wolf-Dieter Wolf mit Vertretern in Kritik stehender Berater habe der Rat nichts gewusst. Über die
Kostensteigerung für das geplante Medienhaus sei im März letztmalig gesprochen worden, damals sei eine Summe von 125 Millionen Euro genannt worden.
König unterstrich, Baukosten von 185 Millionen hätte der Verwaltungsrat nicht gebilligt. Dass nicht alles fehlerlos laufe, habe sich in den vergangenen Monaten angedeutet. Daher sei für September eine Sitzung des Verwaltungsrates dazu geplant gewesen: »Die Ereignisse haben uns eingeholt.«
Keine Aussagen erhielten die Abgeordneten zu der Frage, ob Schlesinger mit Abfindungen rechnen könne. Dorette König sprach von der Möglichkeit, dass Ansprüche gegenüber Schlesinger geltend gemacht werden. Laut Brandstäter hat der RBB die Schlösser zum Dienstzimmer Schlesingers ausgetauscht. »Auch das gehört zu unserem Umgang mit der Sache.«
»Es gibt immer noch deutlich mehr offene Fragen als Antworten«, hatte Steffen Grimberg, Berliner Landesvorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbandes, am Montagabend nach der Abberufung von Schlesinger erklärt. Die lückenlose Aufarbeitung sei jetzt wichtiger als die Suche nach einer neuen Intendantin oder einem neuen Intendanten. Nach Angaben des RBB hat die Generalstaatsanwaltschaft Berlin den Sender aufgefordert, Unterlagen zum Fall Schlesinger zur Verfügung zu stellen. Der Sender habe elektronische Akten und E-Mail-Postfächer gesichert. Der Zugriff auf die Akten und Postfächer werde protokolliert.
»Es muss jetzt darum gehen, die strukturellen Probleme beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk zukunftsgerichtet zu bearbeiten und diesen zu demokratisieren«, sagte am Dienstag Alexander King, der medienpolitische Sprecher der Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus. Nach Kings Ansicht dürften die Spitzengehälter nicht wie bisher freihändig durch den Verwaltungsrat festgelegt werden, vielmehr sollte dazu eine unabhängige Kommission eingesetzt werden. »Vollständige Transparenz über jeden Euro und Cent, Offenlegung von Beraterverträgen und Boni«, forderte der Politiker.
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