- Berlin
- Steigende Energiepreise
Berliner Grüne machen Druck auf den Bund
Abgeordnetenhausfraktion fordert gezielte Maßnahmen zur Entlastung der Menschen
»Ich kann das den Leuten auch schon gar nicht mehr erklären, warum es jetzt zwar eine Gasumlage gibt, aber immer noch keine Übergewinnsteuer«, sagt Katrin Schmidberger, die mieten- und wohnungspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus. »Wir haben bisher leider feststellen müssen, dass wir uns mit Blick auf nötige Entlastungen auf die Ampel-Regierung im Bund nicht verlassen können.« Das gelte »gleichermaßen für alle, die im Bund in der Verantwortung stehen«, Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen inklusive, so Schmidberger zu »nd«. Zur umstrittenen Gasumlage sagt sie: »Wir hätten uns da andere Maßnahmen gewünscht.«
Trotzdem wollen Schmidberger und ihre Fraktionskolleginnen und -kollegen angesichts der steigenden Lebenshaltungs- und Energiekosten jetzt versuchen, »den Druck auf den Bund deutlich zu erhöhen«. Am Freitag haben die Berliner Grünen deshalb ein eigenes Papier vorgelegt, mit »klaren Forderungen an den Bund«, so Schmidberger. Dazu gehört die Einführung der Übergewinnsteuer ebenso wie die Erhöhung der Regelsätze in der Grundsicherung auf mindestens 678 Euro im Monat, wie vom Paritätischen Wohlfahrtsverband vorgeschlagen. Zudem brauche es auf Bundesebene dringend einen Gaspreisdeckel für die Grundversorgung, eine Erhöhung des Wohngelds und des Bafögs sowie ein Kündigungs- und Mieterhöhungsmoratorium für ein Jahr. Einiges davon hatte am vergangenen Donnerstag bereits die Berliner Linke gefordert.
»In der Krise ist solidarisches Handeln das Gebot der Stunde. Für eine Politik à la Christian Lindner, die auch Besserverdienende entlastet, stehen wir nicht zur Verfügung«, sagt Grünen-Fraktionschefin Silke Gebel. Dass die Forderungen bei der rot-grün-gelben Bundesregierung womöglich zu weiten Teilen ungehört verhallen könnten, ist den Autorinnen und Autoren des fünfseitigen Katalogs offenbar bewusst. An die Berliner Landespolitik gerichtet sagt Gebel dann auch: »Jetzt müssen wir den Menschen wirklich unter die Arme greifen und die Lücken schließen, die der Bund offen lässt.«
Knifflig dürfte es bereits bei dem von den Grünen geforderten Nachfolger für das 9-Euro-Ticket werden. »Wir wollen diese kurzfristige Maßnahme zu einer langfristigen ausbauen«, sagt Katrin Schmidberger. Die Monatsfahrkarte solle dann 29 Euro für den Regionalverkehr in Berlin und 49 Euro für ganz Deutschland kosten. »Wir erwarten, dass der Bund die Finanzierung hierfür bereitstellt«, heißt es in dem Papier. Das Land könne das allein kaum stemmen, sagt Schmidberger.
Das bekannte Problem: Allen voran FDP-Bundesfinanzminister Lindner stellt sich in dieser Angelegenheit quer, Stichwort »Gratismentalität«. Für den erwartbaren Fall, dass Lindner auch künftig keine Anstalten macht, sich beim 9-Euro-Ticket-Nachfolger zu bewegen, setzen die Hauptstadt-Grünen auf eine Landeslösung. So soll dann das Sozialticket für Sozialhilfeempfänger auf alle Berliner ausgeweitet werden, die Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein (WBS) haben. Profitieren bislang gut 600.000 Menschen in der Stadt von diesem 27,50-Euro-Ticket, wären es dann rund 1,3 Millionen.
Wichtig sei darüber hinaus auf Landesebene die Einrichtung eines sozial gestaffelten Härtefallfonds für Menschen, die aus den ihnen zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln ihre Energieschulden oder Betriebskostennachzahlungen nicht begleichen können. Und davon gebe es viele. Energiearmut sei »jetzt schon real in Berlin«, sagt Grünen-Sozialexperte Taylan Kurt. Mit dem Härtefallfonds will man vor allem eines erreichen, so Kurt: »Niemand soll in einer kalten Wohnung frieren müssen.«
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.