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Durchdrehen im Dachstübchen
Je höher, desto heißer: Menschen, die unter dem Dach leben, haben es im Sommer schwer.
Hier irrt Inga Humpe und ihr Duo 2Raumwohnung: »36 Grad, kein Ventilator. Das Leben kommt mir gar nicht hart vor.« Wer solche Zeilen singt, hat nie in einer Dachwohnung gelebt. Denn dort ist es, selbst mit Ventilator, knüppelhart. Zumindest wenn das Gebäude noch den Kalten Krieg miterlebt hat und bis heute seiner energetischen Sanierung harrt.
Dies liegt im ursprünglichen Zweck dieser Hauszone begründet. Heute sind Dachwohnungen die Sahnestücke von Neubauten. Sie symbolisieren, dass man – in jeder Hinsicht – oben angekommen ist. Es sind Penthäuser und Lofts, von denen aus die städtische Oberschicht auf die Mittelschicht herabblickt. Also die moderne Entsprechung des mittelalterlichen Schlosses. Damals aber, in den seligen Jahrzehnten vor der Gentrifizierung, war das Dachgeschoss die Rumpelkammer eines Hauses. Es wurde als Speicher für all den Krempel und Plunder genutzt, den man sich wegzuwerfen scheute, weil: »Das könnten wir ja irgendwann noch mal gebrauchen.« Soviel zum Thema Selbstbetrug.
Die Restfläche nutzte man zum Aufhängen der Wäsche. Denn die fehlende Isolierung sorgte an warmen Tagen dafür, dass sich die Hitze unterm Dachstuhl rasch staute – so trockneten die Unterhemden und Schlüpfer besonders schnell.
Später, als in den Städten der Wohnraum knapp wurde, landete der Krempel dann doch auf der Straße. Hastig baute man das Dachgeschoss zur Wohnung aus. Natürlich ohne Isolierung. Man wollte schließlich nicht selber darin hausen. Irgendein unbedarfter Student würde sich schon finden, dem man den »Platz an der Sonne« (denn in der Regel hatte das Provisorium keine Rollläden, oft nicht mal Jalousien) andrehen konnte. Am besten ließ man den ahnungslosen Nachwuchsakademiker im späten September, wenn die Raumtemperaturen wieder erträglich waren, sein Schicksal mit der Mietvertragsunterschrift besiegeln.
Während ihm das Wintersemester Frostbeulen und entzündete Nasennebenhöhlen bescherte, erwartete ihn im Sommersemester das klimatische Kontrastprogramm. Aus dem bibbernden Sitzen wurde ein Schwitzen über Lehrbüchern. Und irgendwann ein Überhitzen. Dagegen halfen nur große Mengen Bier, eisgekühlt. Eine fatale Wahl. Die Kombi aus Hitze und Hopfen brachte jeden Lerneifer zum Erliegen. Wer dies über Wochen und Monate hinweg praktizierte, war für den Lehrbetrieb verloren. Der träumte nicht länger von akademischen Titeln, sondern von alkoholischen Kaltgetränken und Klimaanlagen. So beendete Überhitzung im Dachstübchen manch hoffnungsvolle universitäre Laufbahn vorzeitig.
Und möglicherweise liegt darin der wahre Grund für die exorbitant hohe Quote an Studienabbrechern in Deutschland (28 Prozent geben vor Erreichen des Bachelors auf): Zu viele Studenten leben in Dachwohnungen. Höchste Zeit, die alten Mansarden energetisch auf Vordermann zu bringen! Damit rettet man vielleicht nicht die Welt, doch zumindest die eine oder andere akademische Laufbahn. Zum Wohl!
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