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- Öffentlich-Rechtlicher Rundfunk
Die Debatte über ARD & ZDF ist destruktiv
Durch den Schlesinger-Skandal stehen die Öffentlich-Rechtlichen massiv in der Kritik. Leider ist die politische Debatte bisher unterkomplex
Als die Affäre um die inzwischen geschasste RBB-Intendantin Patricia Schlesinger ins Rollen kam, war klar, die extreme Rechte würde die Vorwürfe des Filzes und der Vetternwirtschaft nutzen, um ihre Forderung nach einer faktischen Abschaffung des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks (ÖRR) hervorzuholen. AfD-Parteivize Stephan Brandner erklärte dann auch, ARD und Co. dürften in ihrer »heutigen Form nicht weiter existieren«, das »jetzige Ungetüm« müsse beendet werden, ebenso die »Zwangsfinanzierung«. Aktuell diene der ÖRR »den Regierenden einzig und allein dazu, ihre Ideologien zu verbreiten«. So weit, so erwartbar von jenen politischen Kräften, denen die Öffentlich-Rechtlichen per se nicht passen. Wozu ein auf Minimum gestutzter, nicht kommerzieller Rundfunk führt, lässt sich in den USA beobachten, wo der Public Broadcasting Service (Fernsehen) sowie das National Public Radio ein Nischendasein fristen und ihr Publikum sogar um Spenden anbetteln.
Man könnte die destruktive Polemik von weit rechts gegen den ÖRR ignorieren, wäre deren Position nicht auch bei demokratischen Parteien zu finden. In Teilen der CDU ist die AfD medienpolitisch anschlussfähig. Man denke nur an den Aufstand der Konservativen in Sachsen-Anhalt, als es 2020 darum ging, den Rundfunkbeitrag um 86 Cent im Monat zu erhöhen und die Christdemokratie suggerierte, Wohl und Wehe der Bevölkerung hingen an einer Ablehnung. Was sich daraus nicht entwickelte, war eine konstruktive Debatte darüber, was der ÖRR leisten soll und wie sich Staatsferne als auch öffentliche Finanzierung weiterhin vereinbaren lassen. Spoiler: Eine Finanzierung über Steuermittel, wie gerade in Frankreich beschlossen, erhöht nicht den Eindruck politischer Unabhängigkeit, sind die öffentlich-rechtlichen Medien dann doch davon abhängig, was die Politik im Staatshaushalt für sie vorsieht.
Wie wenig Interesse auch die CDU an ernsthaften Reformen beim ÖRR hat, offenbart Friedrich Merz in einem Artikel, nachlesbar auf der Parteiwebsite. Der Bundesvorsitzende will den ÖRR nicht abschaffen, bedient sich aber ungeniert an der argumentatorischen Polemik der extremen Rechten. Erst mahnt Merz, durch die Schlesinger-Affäre könnte der ÖRR seine Legitimationsgrundlage verlieren, nur um sich dann darüber zu echauffieren, dass Journalist*innen bei ARD und Co. den Genderstern verwenden dürfen. Mit dem Ausgangsproblem der Mittelverschwendung hat das nichts zu tun, aber es liefert dem Stammtisch ein Reizwort. Auf dem gleichen Level spielt sich sein Verweis auf eine angebliche interne Befragung ab, wonach 90 Prozent der Volontär*innen bei ARD und ZDF der SPD, Grünen oder Linkspartei nahestünden, was natürlich nicht weniger als ein Beleg dafür sei, warum »schon seit langer Zeit« das »breite Meinungsspektrum der Bevölkerung« nicht mehr abgebildet werde. Dieser Pauschalvorwurf, Journalist*innen könnten nicht zwischen privater Meinung und Berichterstattung trennen, ist maximal unterkomplex. Noch blöder ist aber, dass die aus dem Jahr 2020 stammende Befragung weder repräsentativ war, wie Merz behauptet, noch methodisch sauber, was die Autor*innen – damals selbst ÖRR-Volontär*innen – längst erklärt haben. Von rechts bis weit rechts wird die Erhebung dennoch bis heute als angeblicher Beleg eines »linksgrünversifften« ÖRR zitiert.
Was Merz unterschlägt, ist die Rolle der Politik, die ARD und Co. nicht nur durch den Medienstaatsvertrag einen Handlungsrahmen vorgibt. Wenn der CDU-Vorsitzende eine engere Kooperation bei der Übertragung teurer Sportevents fordert, dann ließe sich dies gesetzlich festschreiben, wobei solch eine Zusammenarbeit längst zunehmend Praxis ist. Detailliert auszuführen, dass die zuständige Beitragskommission KEF den Sportetat des ÖRR bereits gedeckelt hat, war für Merz als Erklärung offenbar zu kompliziert. An dem Beispiel zeigt sich exemplarisch, dass die breite Debatte zur Zukunft des ÖRR oft unsachlich als auch verkürzt verläuft und sich stark an aktuellen Stimmungslagen orientiert. Den Herausforderungen aber wird genau das nicht gerecht.
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