Ein Bündnis von Washingtons Gnaden

Die Beziehungen zwischen Seoul und Tokio bleiben angespannt

  • Ramon Schack
  • Lesedauer: 3 Min.
Mahnmal für die "Trostfrauen" in Berlin-Moabit
Mahnmal für die "Trostfrauen" in Berlin-Moabit

Washingtons Bündnisse mit Japan und Südkorea stellen das Fundament der US-Sicherheitsarchitektur in Ostasien dar. Die vergangenen Jahre waren von Belastungen und Erschütterungen geprägt, welche diese Bündnisse in ihrer Entwicklung tangierten. Unter Donald Trump gewannen die Diskussionen um finanzielle und verteidigungspolitische Lasten an Bedeutung, wie andernorts auch. Die geopolitischen Entwicklungen – hervorgerufen durch den Aufstieg der Volksrepublik China und die militärischen Strategien Nordkoreas – stellten diese geschmiedete Allianz zwischen Seoul, Tokio und Washington immer wieder vor massive Herausforderungen.

Dabei zeigte sich auch, dass Washingtons Fokussierung auf Nordkorea und China diesen Zusammenhalt bisweilen gefährdete, denn obschon die USA, Japan und Südkorea in der Regel ähnliche strategische Sichtweisen zugrunde legen, gibt es zum Teil massive Differenzen bei der Prioritätensetzung und der Vorgehensweise. Vor allem die historische Belastung im Verhältnis zwischen Südkorea und Japan wirkte sich bisher negativ auf die trilaterale sicherheits- und verteidigungspolitische Zusammenarbeit aus.

Washingtons Frontstellung gegen Peking, besonders seit dem Amtsantritt von Joe Biden, sowie der russische Einmarsch in die Ukraine haben dieses Bündnis oberflächlich gestärkt und stärker in die westlichen Strukturen integriert, was insbesondere durch die Teilnahme von Südkorea und Japan am Nato-Gipfel im vergangenen Juni in Madrid deutlich wurde. Dadurch ergab sich auch eine Begegnung auf höchster politischer Ebene zwischen Seoul und Tokio – die erste seit knapp drei Jahren: Im Schatten des Nato-Pakts trafen Japans Premierminister Fumio Kishida und Südkoreas Präsident Yoon Suk Yeol zusammen.

Trotz dieser Begegnung ist die Frage nach der Entschädigung einer der großen Punkte, die die Beziehungen der beiden Länder belasten, neben der nur unzureichenden historischen Aufarbeitung der Kriegsverbrechen in Korea durch Japan. Zur Stunde droht neues Ungemach, denn Seoul verlangt Schadenersatz für südkoreanische Zwangsarbeiter während der japanischen Herrschaft. Die Gefahr für eine Verschlechterung des Verhältnisses zwischen beiden Staaten ist also gegeben.

In den vergangenen Jahren nahm der Handel zwischen Japan und Südkorea stetig ab, was auch daran liegt, dass die Regierung in Tokio den Ausbau der Beziehungen zu Peking und Washington verstärkt. In Washington blickt man zunehmend angespannt auf die wachsenden Konflikte zwischen beiden Alliierten, die den Mythos von der Einheit der US-Verbündeten gegen die Volksrepublik konterkariert.

Zwar stritten Japan und Südkorea schon in der Vergangenheit über die Interpretation der gemeinsamen Geschichte. Die Aussöhnung wird dadurch belastet, dass die jeweiligen nationalen Identitäten beider Länder bisweilen von Chauvinismus und Ressentiments geprägt sind. Japan nimmt immer noch im modernen Selbstverständnis Südkoreas den negativen Bezugspunkt wahr, und anti-japanische Einstellungen sind weit verbreitet.

Hingegen sehen die japanischen Rechtsnationalisten ihr Land als stolze Nation, die zu oft von Südkorea an die Vergangenheit erinnert werde. Die Tatsache, dass aktuell der Oberste Gerichtshof Südkoreas eine Anordnung zur Liquidierung von Vermögenswerten japanischer Unternehmen ins Gespräch bringt, sorgt für neuen Konfliktstoff. Washington registriert diese Entwicklung mit wachsender Anspannung und Ungeduld. Joe Biden ist krampfhaft darum bemüht, eine multilaterale Militärallianz bis nach Asien aufzubauen.

Washingtons Vorgehen wird vor allem davon angetrieben, Peking einzuschüchtern und die US-Wirtschaft zu stärken. Japan hatte schon im letzten Jahr ein Truppenaustauschabkommen mit Australien und Großbritannien geschlossen, die Verbindung zwischen Südkorea und Japan in der Bündniskette fehlt noch und wird momentan gefährdet. In beiden Ländern wurden große amerikanische Armeebasen platziert; außerdem sind sowohl Südkorea als auch Japan Lieferanten wichtiger Schlüsseltechnologien wie Computerchips und Akkus. In Peking beobachtet man die Entwicklung mit großem Interesse, ohne in jene hektische Betriebsamkeit zu verfallen, wie sie ein Kennzeichen der Außen-und Sicherheitspolitik Washingtons ist.

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