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Schulstart mitten im Krieg
Im neuen Schuljahr müssen ukrainische Eltern, Lehrer und Schüler improvisieren und viel Geduld haben
Ukrainische Schüler und ihre Eltern sind kaum zu beneiden. Nach der Corona-Pandemie erschwert jetzt der russische Angriffskrieg das neue Schuljahr, das am 1. September landesweit beginnt – wenn auch mit regionalen Unterschieden.
Schulen, die weiter entfernt von den Kampfhandlungen sind oder einen Luftschutzkeller zumindest in der Nähe haben, setzen teilweise auf Präsenzunterricht. Wer genau in die Schule geht und ob nicht doch ein Teil weiter via Internet unterrichtet wird, darüber entscheiden die Eltern gemeinsam mit Direktoren und den lokalen Militärverwaltungen. Ein funktionierender Luftschutzkeller ist aber in jedem Fall ein Muss. In stärker vom Krieg betroffenen Regionen wie Charkiw oder Mykolajiw wird aus Sicherheitsgründen ausschließlich Distanzunterricht angeboten. In diesen Gebieten, zu denen auch Donezk gehört, befindet sich der Großteil der 270 seit dem 24. Februar zerstörten und etwa 2400 stark beschädigten Bildungseinrichtungen.
Mitte August sprach das Bildungsministerium davon, dass 41 Prozent der Bildungseinrichtungen mit einem Luftschutzkeller versorgt seien. Auch hier gibt es regionale Unterschiede. In der Hauptstadt Kiew ist die Lage vergleichsweise gut. Von den 180 000 Schülern werden 138 000 das neue Schuljahr in Präsenz beginnen, es hätten sogar noch mehr sein können. »Bei uns war die absolute Mehrheit der Eltern für den Unterricht vor Ort«, erzählt Nina, Lehrerin an einer Schule im Randbezirk Obolon. Die Eltern seien sich der Risiken bewusst, doch nach Covid und Krieg brauchen die Kinder die Sozialisierung, »auch wenn die Läufe in die Luftschutzkeller keinen Spaß machen werden«. Natürlich gibt es im Bezirk auch Schulen, in denen man anders denkt. Die Ängste der Verantwortlichen könne sie auf jeden Fall nachvollziehen, meint Nina. Am Mittwoch rief der Bildungsbeauftragte des Parlaments die Medien auf, wegen der besonderen Lage Schulen in Beiträgen nicht zu filmen und nicht zu benennen.
Für Olena, Mutter eines Kiewer Schülers, sind die Schulen dennoch ein sicherer Ort. Schließlich sind sie verpflichtet, auf einen Luftalarm zu reagieren. Im Alltag werden diese oft ignoriert. Leicht sei es dennoch nicht, 30 Kinder in den Luftschutzkeller zu begleiten, meint Olena. Genau das fürchten viele Eltern: Besonders im Herbst und Winter könnte es zu lange dauern, bis die Kinder warme Kleidung anhaben, um in einem Bunker Schutz zu suchen, der sich nicht im Gebäude befindet. In der vergleichsweise sicheren Region Transkarpatien im Westen der Ukraine sind deshalb nur 56 Prozent der Eltern für den Präsenzunterricht. Dabei ist die Situation laut Bildungsministerium im Westen ziemlich gut. In der Region Lwiw sind 83 Prozent der Einrichtungen für den Präsenzunterricht bereit. Von 127 Schulen haben lediglich 16 keinen Luftschutzkeller, meldet die Nachrichtenagentur Unian.
Ganz anders sieht es in Mykolajiw aus, wo nur 16 Prozent der Schulen einen Luftschutzkeller haben. Wegen des ständigen russischen Beschusses wird es dort aber auch keinen Präsenzunterricht geben. Ähnlich ist die Situation in Tschernihiw, das zu Beginn des russischen Angriffs besonders gelitten hat. In einer 40-Kilometer-Zone entlang der Grenze zu Russland bleiben Kindergärten und Schulen vorerst geschlossen. 80 Prozent der Bildungseinrichtungen wurden seit dem 24. Februar beschädigt. Dennoch will jede fünfte der 400 Schulen Präsenzunterricht anbieten.
In Odessa, das immer wieder beschossen wird, wollte die Verwaltung eigentlich mehr als die 33 Schulen mit ausreichendem Luftschutzkeller öffnen. Man habe die existierenden Keller anpassen wollen, aber Wände und Decken nicht verstärken können, erklärt Olena Bujnewytsch, die im Stadtrat für Bildung verantwortlich ist. Lediglich 3000 Schüler wollen in der Hafenstadt den Unterricht physisch besuchen. Und die werden laut Unian trotzdem teilweise online unterrichtet. Lediglich Hauptfächer wie Ukrainisch, Mathematik und Geschichte finden in der Schule statt, der Rest online. So sollen die Zeit im Schulgebäude und damit auch das Risiko verringert werden. Auch in Kiew und anderen Städten wird eine ähnliche Regelung erwartet. Die Bildungseinrichtungen können im Einzelfall selbst darüber entscheiden, wie sie vorgehen.
Eines ist schon jetzt klar: Es wird ein improvisiertes, unvorhersehbares und wohl recht schwieriges Schuljahr, in dem Schüler, Eltern und Lehrer allesamt auf viel Geduld angewiesen sein werden.
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