Automatisierung gegen Gewerkschaft bei Starbucks

Organisierte Arbeiter sollen anhaltenden Boom der Kette nicht stören

  • Anjana Shrivastava
  • Lesedauer: 4 Min.

Starbucks-Chef Howard Schultz bekämpft Gewerkschaftsbildungen auf mehreren Ebenen. Mindestens drei der Filialen, in denen die Arbeiter dafür gestimmt hatten – unter anderem in Seattle und Portland –, wurden seitdem von der Zentrale kurzerhand geschlossen und 75 der aktivistischen Mitarbeiter entlassen. Der 69-jährige Schultz war schon in Rente, kehrte in diesem April aber als CEO des Konzerns zurück, um die von ihm globalisierte Firma nach den Wirren der Pandemie und der ersten Gewerkschaftsbildung vor einem Jahr wieder zu leiten. In diesem Sommer gewährte er Lohnerhöhungen von drei Prozent für alle Läden, in denen sich noch keine Gewerkschaften formiert haben. In Anderson, South Carolina haben gewerkschaftlich organisierte Starbucks-Mitarbeiter gegen diese Lohnpolitik in ihrer Filiale protestiert. Die Laden-Chefin hatte daraufhin die Polizei gerufen und eine Anzeige wegen angeblicher Entführung erstattet. Die selbstgedrehten Videos der Mitarbeiter zeigen allerdings, wie die Chefin den Laden während des Protests ungehindert verlassen konnte.

In den USA behält eine Firma bei internen Angelegenheiten das absolute Hausrecht, das Oberste Gericht erlaubt Firmen, Gewerkschaftsvertreter vom Firmeneigentum zu verbannen. Doch die öffentliche Meinung im Land ändert sich, besonders seit der Pandemie. Hatten im Jahr 2009 nur 48 Prozent der Amerikaner eine positive Meinung von Gewerkschaften, zeigte eine Gallup-Umfrage in der vergangenen Woche, dass mittlerweile 71 Prozent für Gewerkschaften sind. Die mit der Pandemie aufgekommene Inflation brachte Geldeinbußen vor allem für Arbeiter mit Publikumskontakt, deren Reallöhne sich seit 1973 kaum verändert haben. Die Manager dagegen genossen Homeoffice und weiterhin steigende Gehälter. Doch die Arbeitslosigkeit ist derzeit relativ niedrig: Wenn also Angestellte auch ihren Job riskieren, indem sie sich für eine Gewerkschaft engagieren – ein neuer Job ist nicht utopisch.

Starbucks-Chef Schultz gibt sich stets arbeiterfreundlich. Er gewährte Teilzeitarbeitern eine Krankenversicherung und Hilfe bei etwaigen Hochschulkosten. Damit zielte er auf junge, bildungsbewusste Mitarbeiter, also engagierte und attraktive Baristas. Doch gerade unter den Jungen ist die Gewerkschafts-Unterstützung am höchsten: Laut Statistiken des Weißen Hauses werden sie von 74 Prozent der Amerikaner zwischen 18 und 24 Jahren befürwortet. Seit der Krise bei den Studienschulden gilt selbst für die Mittelklasse ein guter Job oft mehr als ein teurer Abschluss in der Zukunft, denn die Jungen leiden besonders unter der Inflation und den hohen Mietkosten.

Joe Biden ist dabei der erste Präsident seit Langem, der diese Pro-Gewerkschafts-Stimmung aktiv fördert. Er traf sich mit den jungen Starbucks-Mitarbeitern aus Buffalo und solidarisierte sich mit ihnen. Andererseits spielen die Gewerkschaften im Land eine geringere Rolle als je zuvor: Waren in den 1950er-Jahren noch 35 Prozent der Arbeiter organisiert, in den 1980ern noch 20 Prozent, beträgt der Anteil heute nur noch 10,3 Prozent. Zu viele Industriejobs sind inzwischen verloren gegangen. Bidens Unterstützung wirkt dadurch in manchen Augen etwas nostalgisch, gar wohlfeil.

Dennoch traut die Starbucks-Führung der Entwicklung offenbar nicht. Schultz setzt auf mehr Automatisierung und lässt beispielsweise in einem Labor in Seattle Ingenieure an neuen Maschinen tüfteln, mit denen die Getränke schneller gefertigt werden können. Dies soll sowohl Mitarbeiter entlasten als auch ihre Anzahl verringern. Dagegen wächst die Nachfrage nach Starbucks-Getränken immer weiter – eine typische Filiale an der Ostküste hatte im Jahr 2012 eine Million Dollar Umsatz, heute sind es bereits drei Millionen. Zudem haben in der Pandemie immer mehr Kunden Getränke zum Mitnehmen geordert, 50 Prozent der Verkäufe werden durch Drive-in-Fenster abgegeben. Schultz will jetzt, dass fast alle seine Cafés ein solches Fenster bekommen. Die wohlige Atmosphäre mit den attraktiven Baristas wird also bei Starbucks in Zukunft nicht mehr so prägend sein. Der Chefingenieur des Konzerns, Natarajan Venkatakrishnan, sagte jüngst dem »Wall Street Journal«: »Wenn Kunden warten, zählt jede Sekunde«. Schon jetzt haben die Starbucks-Arbeiter Zettel hinter dem Tresen, wie schnell man aufwändige Getränke zubereiten soll: Erwartet werden weniger als 50 Sekunden.

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