• Berlin
  • Rassistischer Polizeieinsatz

Nazi-Problem bei der Polizei

Syrische Familie schildert bei der Linkspartei ihre Erlebnisse bei einer Durchsuchung

  • Johanna Montanari
  • Lesedauer: 5 Min.

Das Video von der Hausdurchsuchung bei einer syrischen Familie in Lichtenberg, das rassistische Aussagen eines Polizisten enthält, kursiert seit einigen Tagen in den sozialen Medien. Ein Mann wird von einem Beamten auf den Boden gedrückt. Sein Kind weint laut und seine Frau schreit: »Das ist unser Haus.« Währenddessen filmt sie die Geschehnisse. Der Kollege dreht sich zu ihr um und brüllt zurück: »Das ist mein Land. Du bist hier Gast«, »Halt die Fresse!« und »Ich bringe dich ins Gefängnis!«.

Die Eheleute erstatteten noch am selben Tage Anzeige wegen Körperverletzung und gaben an, dass die Frau rassistisch beleidigt wurde. Davor hatten die Polizisten aber selbst schon Anzeige wegen Widerstands, tätlichen Angriffs und versuchter Gefangenenbefreiung erstattet. Die Eheleute gingen nun am Samstagmittag das erste Mal an die Öffentlichkeit.

In seinem Wahlkreisbüro empfing der Berliner Abgeordnete Ferat Koçak (Linke) die Journalisten. »Die Polizei hat lange genug bestritten, dass sie ein strukturelles Rassismusproblem hat. Gemeinsam mit der betroffenen Familie klagen wir an und fordern Konsequenzen.« Mit diesen Worten hatte er die Presse eingeladen.

Das syrische Paar ist ohne seine drei Kinder gekommen und sitzt neben einem Übersetzer. Außerdem sind noch Elif Eralp und Niklas Schrader erschienen, die in der Berliner Linksfraktion für Antidiskriminierung beziehungsweise für Innenpolitik und damit für die Polizei zuständig sind. Zu den Fachgebieten ihres Fraktionskollegen Koçak gehört der Antifaschismus. Es geht um die Vorfälle vom 9. September, aber auch um die Forderungen der Linksfraktion zur Bekämpfung von rassistischer Polizeigewalt.

Zunächst äußert sich die Familie mit Hilfe des Übersetzers. »Wir haben nur ein paar Stunden geschlafen, wir sind immer noch erschüttert«, sagt der Mann. Die drei Kinder fragen, warum das passiert ist, und haben Angst, wenn es an der Tür klingelt, erzählt er. Die jüngere Tochter sei am Morgen des Vorfalls krank gewesen. Die Bitte, nicht in das Zimmer zu gehen, in dem sie schläft, habe der Polizist ignoriert. »Ich hatte das Gefühl, dass sie genossen haben, die Kinder zu erschrecken«, beklagt die Frau.

Die zwei Polizisten führten äußerst rabiat und aggressiv eine Hausdurchsuchung durch, da der Familienvater ohne Fahrschein gefahren war und ein Bußgeld von 750 Euro nicht bezahlt hatte. Im Video bezahlt der Mann das Bußgeld dann bar. Nur ein Ausschnitt des Videos kursiert im Internet. Das ganze Video dauert eine halbe Stunde und liegt dem Anwalt der Familie vor. Die Polizei hatte am vergangenen Mittwoch erklärt, dass der betreffende Polizist in den Innendienst versetzt worden sei und weitere Konsequenzen folgen. Laut »Tagesspiegel« soll es nicht das erste Mal sein, dass der Beamte aufgefallen ist und disziplinarrechtlich belangt wurde. Auch der Staatsschutz ermittelt nun wegen einer »fremdenfeindlichen Beleidigung durch einen Polizisten«.

Politikerin Elif Eralp sagt, der Vorfall sei nicht nur klar rassistisch, sondern auch kindeswohlgefährdend. Sie sei »auch als Mutter« geschockt. Eralp verweist auf den Koalitionsvertrag mit SPD und Grünen, in dem die Bekämpfung von strukturellem und institutionellem Rassismus sowie der Kampf gegen jede Form der Diskriminierung in allen Behörden »zur Chefinnensache« erklärt worden sei. Dies müsse nun auch umgesetzt werden. Auch solle das Fahren ohne Fahrschein entkriminalisiert werden.

Niklas Schrader ergänzte, Gegenanzeigen, wie auch die syrische Familie eine bekommen hat, seien »ein Ausdruck typischer polizeilicher Abwehrhaltung«. Der Fall zeige, dass die Polizei mehr Kontrolle von außen braucht. Bodycams, am Körper der Beamten getragene kleine Kameras, seien dabei nicht das richtige Mittel, vielmehr solle das Filmen von Polizeieinsätzen durch Dritte möglich sein. Es brauche außerdem auch mehr Forschung über das Thema.

Ferat Koçak kritisiert, dass die Gewerkschaft der Polizei direkt gefragt hatte, ob das Video möglicherweise gegen Persönlichkeitsrechte der betroffenen Polizisten verstoße. Ohne das Video hätte es sicherlich keine Konsequenzen gegeben. Der Vorfall zeige ganz deutlich, dass die Beamten davon ausgingen, für ihr Verhalten nicht belangt werden zu können. Koçak, der am eigenen Leib Erfahrung mit rechtsextremer Gewalt und untätigen Sicherheitsbehörden gemacht hat, stellte klar, die Äußerung des Polizisten »Das ist mein Land. Du bist hier Gast« sei eindeutig »rechter Zungenschlag«. Er machte deutlich: »Wir haben ein Nazi-Problem, nicht nur ein Problem mit strukturellem Rassismus.«

Die AfD nutzt inzwischen das Zitat »Das ist mein Land und du bist hier Gast« für ihre eigenen Zwecke. Auf Twitter postete die Partei eine Grafik mit diesem Zitat und der Überschrift »Kein Polizei-Rassismus, sondern die Wahrheit«. Dazu heißt es von der AfD: »Wir stehen an Deiner Seite. Unser Land zuerst!«

»Wir wünschen uns, dass der Polizist zur Rechenschaft gezogen wird und nicht mehr in seinen Amt bleibt,« sagen die syrischen Eheleute.

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