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- Basketball-EM 2022
Der Siegeszug der Flexiblen
Spaniens Basketballer gewinnen EM-Gold. Von deren Trainern profitierte auch das DBB-Team auf dem Weg zu Bronze
Am Ende traf es Willy Hernangómez. Der Basketballer der New Orleans Pelicans bekam nach dem Finale von Altstar Dirk Nowitzki die Auszeichnung zum wertvollsten Spieler (MVP) der Europameisterschaft überreicht. Ob vorher tatsächlich eine Abstimmung den Ausschlag gegeben hatte oder doch einfach nur gelost wurde, wissen nur wenige Funktionäre von Europas Dachverband Fiba Europe. Es ist nun mal Tradition, dass ein Spieler des Turniersiegers zum besten gewählt wird, auch wenn es im Team der Spanier gar keinen herausragenden gibt. Selten zuvor wurde die Sinnlosigkeit persönlicher Preise in Mannschaftssportarten so deutlich wie am Sonntagabend in der Berliner Arena am Ostbahnhof.
Kurz zuvor hatte sich Weltmeister Spanien mit einem 88:76-Endspielsieg gegen Frankreich auch Europas Basketballkrone aufgesetzt. Dabei waren im Vergleich zum WM-Team von 2019 nur noch drei Akteure im Kader. Doch das macht nichts, wenn die Konstanz auf der Bank sitzt: Sergio Scariolo trainiert die Iberer seit 2009, mit einer dreijährigen Auszeit mittendrin. Nur einmal bei fünf EM-Starts holte er nicht den Titel – sondern 2017 »nur« Bronze. Egal, welche Spieler Scariolo nominiert, er formt aus ihnen eine Spitzenmannschaft. Es ist der Beleg für seine Fähigkeiten als Trainer, aber auch für die außerordentlich gute Grundausbildung aller spanischen Basketballer.
Nie muss Scariolo daher wie etwa Griechenland oder Slowenien auf einen Star setzen, der das ganze Team tragen muss. Die Spanier verteilen die Last stets auf viele Schultern. Besagter Willy Hernangómez mag am Ende im Schnitt knapp die meisten Punkte des Teams gesammelt haben, doch im Halbfinale stach Spielmacher Lorenzo Brown mit 29 Punkten heraus, im Endspiel dann Willys Bruder Juan mit 27. Jeden Abend kann es ein anderer sein. Flexibel und nicht ausrechenbar zu sein, ist die Essenz des spanischen Stils – in Angriff und Abwehr. Alle Spieler haben jede taktische Variante drauf. Ob Mann- oder Zonenverteidigung, ob Angriffsspiel unterm Korb oder Würfe aus der Distanz. In Spanien wird der komplette Basketballer ausgebildet und das schon in jungen Jahren. Dafür werden die Körbe für Kinder tiefer gehängt, was in den meisten deutschen Schulturnhallen immer noch nicht geht.
Trotzdem profitiert nun auch die deutsche Nationalmannschaft von spanischen Einflüssen. Das Team des Deutschen Basketball-Bundes gewann durch ein 82:69 gegen Polen Bronze und holte damit das dritte EM-Edelmetall in der DBB-Historie. Auch Bundestrainer Gordon Herbert ließ dafür keinen Ein-Mann-Basketball von Stars wie Dirk Nowitzki oder Dennis Schröder mehr spielen. Ja, Schröder machte immer noch mehr als 20 Punkte im Spiel, doch seine Effizienz war viel höher als in vergangenen Jahren, weil der Kapitän nun mehr Vertrauen in seine Nebenleute hat.
Und die sind bei dieser EM in voller Breite aufgeblüht: Andreas Obst, Johannes Voigtmann, Maodo Lô, Johannes Thiemann und ganz besonders Franz Wagner waren stets gefährlich. So war auch das DBB-Team flexibel genug, um jeden Gegner defensiv vor fast unmögliche Aufgaben zu stellen. Der einzige, der sie überzeugend löste, war Spanien beim knappen 96:91 im Halbfinale. Selbst da fehlte den Deutschen am Ende nur etwas Wurfglück zum Sieg.
Die gewachsene Vielseitigkeit ist durchaus aus spanischen Wurzeln erwachsen. Seit 2017 trainieren Aíto García Reneses und später Israel González den deutschen Serienmeister Alba Berlin. Von Anfang an setzten beide auf eine solide Grundausbildung, frühe Bewährungschancen für die Jugend sowie die Weiterentwicklung älterer Spieler. Franz Wagner spielte schon mit 16 für Alba in der Euroleague und schaffte so den Sprung in die NBA. Lô hat seine Bewegungen so verfeinert, dass sie kaum noch zu verteidigen sind, und der Center Thiemann trifft jetzt auch Dreipunktwürfe. Auch Alba Berlins vielseitige Offensive kann in Deutschland seit Jahren niemand mehr aufhalten. Und der deutsche Kader bestand nun zu einem Drittel aus aktuellen oder ehemaligen Berlinern, die vom spanischen Duo geformt wurden. Kein Wunder, dass mittlerweile vier Bundesligaklubs auf spanische Trainer setzen.
Fast alle DBB-Spieler sind noch unter 30. Dazu fehlten noch vier verletzte NBA-Akteure im gleichen Altersspektrum. Für die Zukunft sieht es also nicht nur für die verjüngten Spanier gut aus. »Wenn wir alle zusammen haben, sind wir schwer zu schlagen«, prophezeite Dennis Schröder, nachdem er unter die besten fünf Turnierspieler gewählt worden war. Und auch EM-Botschafter Nowitzki blickt optimistisch in die Zukunft: »Die Leistungsträger sind alle noch jung. Da ist viel drin. Basketball-Deutschland könnten rosige Zeiten bevorstehen.«
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