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Wer zahlt’s?
Bund und Länder streiten um die Kosten des Entlastungspakets. Opposition fordert Gaspreisdeckel
Mit dem Kälteeinbruch rückt für viele Menschen auch die Angst vor der nächsten Heizkostenabrechnung näher. Das dritte Entlastungspaket der Bundesregierung ist jedoch noch immer nicht in trockenen Tüchern. Nun ist innerhalb der Koalition und zwischen Bund und Ländern ein Streit darüber ausgebrochen, wie die Kosten des Pakets verteilt werden sollen. Von den angekündigten 65 Milliarden Euro sollen die Länder nach eigenen Angaben 19 Milliarden Euro aufbringen.
Einige Länder drohen mit einer Blockade im Bundesrat. Kritik kam am Wochenende unter anderem aus Bayern, Bremen, Sachsen-Anhalt und dem Saarland. Bundesratspräsident Bodo Ramelow (Linke) hat den Umgang des Bundes mit den Ländern im Streit um das dritte Entlastungspaket scharf kritisiert. »Für mich gibt es faktisch keine vertrauensvolle Zusammenarbeit des Bundes mit uns«, sagte Ramelow dem Portal Web.de News am Dienstag. Der Bund greife ohne Absprache direkt in die Landeshaushalte ein. »Das ist wie ein Kellner, der kommt und die Rechnung präsentiert, ohne einen Service geleistet zu haben.«
Auch Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) kritisierte, dass die Länder nicht frühzeitig genug in die Überlegungen eingebunden worden seien. »Wir werden nicht blockieren. Und es geht auch gar nicht um Blockade, sondern es geht jetzt darum, ein sinnvolles Paket zu schnüren«, sagte er im ZDF-»Morgenmagazin«. »Wir sind selbstverständlich dabei, unsere Last zu tragen.«
Die Kritik der Länder an der Finanzierung des dritten Entlastungspakets stößt in der Bundesregierung auf wenig Verständnis. Die geplante Entlastung von Arbeitnehmer*innen und Steuerzahler*innen sei »von nahezu allen Ländern begrüßt worden«, sagte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) am Montag in Berlin. Regierungssprecher Steffen Hebestreit sprach von einer »gesamtgesellschaftlichen Aufgabe« angesichts der massiv gestiegenen Kosten für die Bürger*innen. Lindner sagte, es sei normal, dass »jeder Teil der staatlichen Gemeinschaft seinen Beitrag« leiste. Aus seiner Sicht hätten die Länder dazu auch die finanziellen Möglichkeiten. »Denn anders als der Bund haben viele Länder im Jahr 2022 keinen Gebrauch von der Ausnahme bei der Schuldenbremse gemacht.« Der Bund habe dagegen Gelder »in dreistelliger Milliarden-Euro-Größenordnung« aufgenommen. Der Bund der Steuerzahler schließt sich der Argumentation des Finanzministers an und sieht die Länder in der Pflicht: 15 von 16 Bundesländern hätten in diesem Sommer Haushaltsüberschüsse von zusammen knapp 27 Milliarden Euro vorzuweisen, sagte Präsident Reiner Holznagel. Beim Bund bestehe hingegen ein Haushaltsloch in Höhe von 66 Milliarden Euro. Auch der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil appelliert am Montag an die Länder: »Ich erwarte, dass alle Bundesländer sich auf den Weg des Machens und nicht auf den Weg des Blockierens begeben.«
Derweil gibt es auch innerhalb der Regierungskoalition Uneinigkeit. Im Zusammenhang mit Entlastungen in der Energiekrise hatten unter anderem die Grünen eine weitere Aussetzung der Schuldenbremse ins Spiel gebracht. Bundesfinanzminister Lindner will aber, dass die im Grundgesetz verankerte Begrenzung der Neuverschuldung ab 2023 wieder gilt. Sie war wegen der Corona-Pandemie drei Jahre in Folge ausgesetzt.
Der Co-Vorsitzende der Grünen, Omid Nouripour, sagte am Montag nach einer Sitzung des Bundesvorstands: »Wir sind weiterhin der Meinung, dass die Schuldenbremse für das nächste Jahr nicht zu halten sein wird.« Auch das Handwerk brauche jetzt angesichts der hohen Energiepreise Hilfe, deshalb hoffe er, »dass der Finanzminister an dieser Stelle uns auch beisteht«.
Die Wohnungswirtschaft hat Mieterinnen und Mietern einen Kündigungsschutz in der Energiekrise versprochen. In diesem Zusammenhang hat Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW, einen Gaspreisdeckel gefordert. Dies sei die einfachste Möglichkeit, um zu verhindern, dass die Preissteigerungen bei den Unternehmen und Verbrauchern ankämen. Einen Gaspreisdeckel fordern unter anderem auch die Union, die Linke, Gewerkschaften und Ökonomen. Finanzieren müsste dies der Staat. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) lehnt ein solches Konzept unter Verweis auf die Entlastungspakete der Bundesregierung bislang ab.
Die Linken-Abgeodnete Heidi Reichinnek kritisierte indessen, dass die Bundesregierung nicht offenlege, wie sich die 65 Milliarden Euro im Paket verteilten. Auf eine schriftliche Anfrage habe das Finanzministerium mehrere Fristen verstreichen lassen. »Die Bundesregierung ist offensichtlich nicht fähig, zu erklären, wie sich die 65 Milliarden zusammensetzen. Während sie verzweifelt versucht, dies zu verschleiern, missachtet sie in grober Weise die Rechte des Parlaments und entzieht sich der Kontrolle durch die Opposition«, sagt Reichinnek zu »nd«. Das Finanzministerium will dies auf Anfrage dieser Zeitung nicht kommentieren, da es sich um das parlamentarische Fragewesen handele.
Die Koalition aus SPD, Grünen und FDP hatte vor rund zwei Wochen ein drittes Entlastungspaket im Umfang von 65 Milliarden Euro beschlossen, an dem sich auch die Länder beteiligen sollen. Am 28. September wollen die Ministerpräsidenten mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) darüber sprechen. Mit Agenturen
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