Nach Schulschluss

Fridays for Future hat an Dynamik verloren

  • Sebastian Weiermann
  • Lesedauer: 4 Min.

In 270 Städten wird diesen Freitag in Deutschland beim globalen Klimastreik protestiert. Das klingt erst einmal ziemlich beeindruckend und ist es auch. Allerdings hat sich die Zahl der Städte, in denen Fridays for Future im Vergleich zum Höhepunkt der Bewegung mobilisierte, mehr als halbiert. Beim globalen Streik am 20. September 2019 wurde in 575 Städten gestreikt. Über 1,4 Millionen Menschen nahmen damals an den Kundgebungen und Demonstrationen teil. Der Streik im September 2019 war der Höhepunkt einer Bewegung, die richtig in Fahrt war. Wöchentlich verließen tausende Schüler*innen am Freitagvormittag die Schule, um zu streiken. Das ist heute nicht mehr so. Viele Fridays for Future Gruppen mobilisieren nur noch zu den Großevents oder zu einzelnen lokalen Veranstaltungen. Viele Klimastreik-Demos an diesem Freitag starten erst am Nachmittag, also deutlich nach Schulschluss.

Das hat gute Gründe. Hört man sich in Schulen um, dann heißt es, dass Klimaaktivismus bei den meisten Schüler*innen kein Thema mehr sei. Klar, es gäbe einzelne, die sich noch bei Fridays for Future engagierten oder in Klima-Arbeitsgruppe aktiv seien, die sich konkrete Gedanken machten, wie ihre Schule etwas fürs Klima tun könne, aber die Dynamik von 2019 gäbe es nicht mehr. Ein Faktor neben der Corona-Pandemie: Fridays for Future war ein Jugendtrend. Genauso wie Schüler*innen zwischendurch bestimmte Kleidungsstücke tragen oder Musiker*innen rauf und runter hören, sei es mit der Begeisterung für Fridays for Future. Die habe ihre Zeit gehabt, sei jetzt aber vorbei, erzählt eine Lehrerin aus Nordrhein-Westfalen, die vor drei Jahren freitags oft alleine in ihrer Klasse saß.

Neben der fehlenden Bewegungsdynamik hat Fridays for Future auch ein inhaltliches Problem. Die Schüler*innenbewegung stellte immer weitreichende Forderungen an die Bundesregierung. Das macht sie auch aktuell und wünscht sich ein 100 Milliarden-Euro-Paket für Klimaschutz. Eine die Forderung unterstützende Online-Petition hat nach einer Woche gerademal 25 000 Unterschriften. Den aktuellen Ideen von Fridays for Future droht das gleiche Schicksal wie in der Vergangenheit. Es gibt freundliche Worte aus dem politischen Berlin, aber keine konkrete Umsetzung. So etwas frustriert. Frustrierend dürfte für viele der jungen Aktivist*innen auch die Rolle der Grünen sein. Mehr oder weniger offen hatten Aktive aller Bekanntheitsstufen bei Fridays for Future in der Vergangenheit für die Partei geworben. Jetzt ist es mit Robert Habeck ausgerechnet ein Wirtschaftsminister der Grünen, der massiv in LNG-Terminals investiert und Kohlekraftwerke aus der Reserve holt. Die Desillusionierung über die Grünen dürfte auch nicht davon gestoppt werden, dass mit Menschen wie der ehemaligen »Ende Gelände«-Sprecherin Kathrin Henneberger oder der »Hambacher Forst«-Aktivistin Antje Grothus bewegungsnahe Personen in Parlamenten sitzen. Sie vertreten zwar weiter Ziele der Klimabewegung, können sich gegen den realpolitischen Kurs ihrer Partei allerdings nicht durchsetzen.

Mit dem Abschwung von Fridays for Future sind andere Gruppen in den Fokus der Öffentlichkeit geraten. Erst war es vor allem Extinction Rebellion und dann der »Aufstand der letzten Generation«. Gerade die »Letzte Generation« erhielt mit ihren Aktionen, bei denen sich Aktivist*innen im Berufsverkehr festgeklebten, viel Aufmerksamkeit. Konservative schäumten über die Blockaden im Alltag, aber auch wohlgesonnene Menschen stellen die Aktionen in Frage, weil sie ihnen nicht zielgerichtet gegen die Verantwortlichen einer verfehlten Klimapolitik erscheinen. Ein anderes Problem: Auch diese Aktionen, die vor allem auf einen breiten medialen Diskurs abzielen, nutzen sich ab. Aus großen Berichten über die »Letzte Generation« sind mittlerweile knappe Meldungen geworden. Zusätzlich haben die Aktivist*innen vermehrt mit der Justiz zu kämpfen. Derzeit versucht die Gruppe, 65 000 Euro an Spenden zu sammeln, um Gebührenbescheide zu bezahlen, die von der Berliner Polizei ausgestellt wurden.

Bleibt noch der Blick auf Akteure der Klimabewegung, die schon vor Fridays for Future aktiv waren. Etwa das Bündnis »Ende Gelände«. Auch dort ist ein Rückgang festzustellen. Beim »System Change«-Camp Mitte August in Hamburg beteiligten sich nach Angaben des Bündnisses 1600 Menschen an der Massenaktion. Bei Protesten gegen die Braunkohleinfrastruktur im Rheinland konnte »Ende Gelände« vier- bis fünfmal so viele Aktivist*innen mobilisieren. Flüssiggasinfrastruktur und die Hafenlogistik scheinen als Gegner nicht so attraktiv wie die Kohlelöcher.

Was heißt das alles für die Klimabewegung? In Zeiten von Krieg und Energiekrise ist es deutlich schwieriger, Menschen gegen Kohle, Gas und Öl zu mobilisieren. Auch fehlt es der Bewegung derzeit an gemeinsamen Kristallisationspunkten, wie es etwa der Hambacher Forst oder der Dannenröder Wald waren. Das muss nicht schlecht sein, so gibt es auf regionaler Ebene durchaus Protestpotenziale, etwa in Berlin gegen die Autobahn 100, in Frankfurt gegen die A66 oder im Rheinland gegen die Abbaggerung des Dorfes Lützerath. Diese Kämpfe können erfolgreich sein. Um aber wieder zu der Stärke zu kommen, die Fridays for Future 2019 hatte, muss sich die Bewegung neu erfinden, gemeinsame Erzählungen entwickeln und sich überlegen, wie sie zukünftig mit Forderungen an die Regierung umgeht.

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