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Achtkantiger Rauswurf
Eine Reise nach Saporischschja blieb für Stefan Schaller nicht folgenlos
Müde in seinem Job als Geschäftsführer des hessischen Energieversorgers Waldeck-Frankenberg muss Stefan Schaller geworden sein. Denn es war absehbar, dass es einen Aufschrei geben würde, wenn er als Beobachter zum erzwungenen Referendum in russisch besetzte Gebiete reisen würde.
Ein Bild von der Situation vor Ort habe er sich machen wollen, sagte der 63-Jährige gegenüber der »Hessisch-Niedersächsischen Allgemeinen«; »objektive Informationen« seien schließlich »nie falsch«. Gleichwohl sei ihm klar, dass er nur das zu sehen bekommt, was er sehen soll, und dass er mit seiner Anwesenheit der russischen Propaganda in die Hände spielt. Schaller hielt sich im Gebiet Saporischschja auf, und die russische Agentur Tass zitierte ihn mit den Worten: Sein Eindruck sei, dass alles »sehr gut organisiert« ist. Die Menschen seien begeistert von den »Wahlen« und wollten »etwas Gefährliches verhindern«.
Eine Reaktion aus Deutschland folgte prompt. Als der Aufsichtsratsvorsitzende des Energieversorgers und parteilose Landrat, Jürgen von der Horst, von dem Ausflug erfuhr, berief er sofort den Ältestenrat und den Kreisausschuss ein. Schaller solle als Geschäftsführer von seinen Aufgaben freigestellt werden, hieß es im Anschluss. Am Montag stimmten dem die entsprechenden Verbandsgremien zu. »Das Verhalten des Geschäftsführers verstößt ganz klar gegen die Weltanschauung, die moralischen Werte und die Philosophie des Unternehmens«, betonte van der Horst.
Schaller gab an, auf Vorschlag der russischen Kommunistischen Partei zur Abstimmung eingeladen worden zu sein. Schon bei den Wahlen zur Staatsduma 2021 war er als Beobachter in Russland. Damals blieb seine Reise folgenlos. Jetzt aber hat er nur noch die AfD hinter sich. Sie war die einzige Partei im Kreisausschuss, die sich gegen seinen Rauswurf aussprach.
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