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- Italien nach der Wahl
Italiens Linke muss sich neu finden
Richtungsstreit verhinderte ein breites linkes Wahlbündnis. Sozialdemokraten setzten erst spät auf die soziale Frage
Bis zuletzt hofften die Parteien aus dem Mitte-links-Spektrum, eine sich seit Wochen ankündigende Wahlniederlage noch abwenden zu können. Zwar lagen in allen Umfragen die Rechten, allen voran die postfaschistischen Fratelli d’Italia (FdI), weit vorn. Doch hofften die Wahlmanager um den Chef des sozialdemokratischen Partito Democratico (PD) noch auf die Wahlentscheidung der Unentschlossenen. Bis kurz vor dem Wahlsonntag gaben etwa 40 Prozent der Wahlberechtigten an, noch nicht zu wissen, wem sie ihre Stimme geben sollten. Diese Unentschlossenheit hielt nun auch am vergangenen Sonntag an. Mit nur 63,9 Prozent geht die diesjährige Parlamentswahl als die mit der niedrigsten Wahlbeteiligung in die Geschichte der Republik ein.
Betroffen waren davon natürlich nicht nur die Mitte-links-Parteien. Doch im Effekt schadeten der Frust und die politische Ignoranz der italienischen Wähler ihnen am meisten. Nicht schuldlos, wie man erkennen muss. Denn die meisten Regierungen der Nach-Berlusconi-Ära seit 2011 wurden vom PD geführt oder er war daran beteiligt. Noch in vielen Wählerohren klingt das vollmundige Versprechen von Matteo Renzi, er werde nicht nur die alte korrupte politische Elite entsorgen, sondern Italien auch zu wirtschaftlichen Höhen führen. Renzi verschwand nicht nur aus seiner Partei, sondern versank bei den jetzigen Wahlen auch in der politischen Bedeutungslosigkeit. Sein Nachfolger, Enrico Letta, brachte nun viel zu spät die in den aktuellen Krisenzeiten wichtigen sozialen Probleme in den Wahlkampf ein. Im Vordergrund standen wieder einmal – wie so oft in der italienischen Linken – Richtungs- und Kompetenzstreitigkeiten. So versäumte es der PD, ein breites linkes Wahlbündnis zu organisieren und auch die Brücke zur Protestbewegung Movimento 5 Stelle (M5S) zu schlagen. Die Quittung: Zwar erreichten die Sozialdemokraten mit 19,6 Prozent einen Punkt mehr als noch vor vier Jahren, doch sind die Zeiten, da Renzi als Hoffnungsträger noch 40 Prozent einfuhr, endgültig vorbei.
Wie soll es nun weitergehen? Der langjährige PD-Abgeordnete Emanuele Fiano sagt dazu gegenüber »nd«: »Wir haben vor allem versäumt, unsere eigene sozialdemokratische Identität zu finden und sie dem Wähler richtig darzustellen.« Ein breites Bündnis aufzustellen, sei schwierig gewesen. »Denn die Zersplitterung der italienischen Linken hat leider eine lange Tradition, die wir nicht überwinden konnten. Und viele Bewegungen wie M5S oder Azione von Carlo Calenda kann man nicht wirklich als links betrachten.«
Welche Konsequenzen folgen daraus? Für Emanuele Fiano braucht seine Partei dringend eine Erneuerung: »Ich hoffe, dass wir bald einen wirklich politischen Kongress einberufen, auf dem nicht nur über Personalien verhandelt wird, sondern auf dem auch unsere grundlegenden sozialen und politischen Ideen formuliert werden.« Es bedürfe neuen Vertrauens, dass es Sinn macht, wählen zu gehen: »Das jetzige Wahlergebnis ist eines aus Angst, Frustration, Misstrauen. Wir müssen den Menschen wieder eine Perspektive geben.«
Oft wurde in den vergangenen Monaten beschrieben, auf welche postfaschistischen Traditionen sich die heutigen Wahlsieger stützen. Zu Zeiten, da Lega-Chef Matteo Salvini in der Koalitionsregierung mit der Fünf-Sterne-Bewegung als Innenminister regierte, war ein staatlich sanktionierter Rassismus tagtäglich zu spüren. Dies äußerte sich vor allem in Migrantenfeindlichkeit, doch auch zu antisemitischen Übergriffen kam es immer wieder einmal. Zu den diesjährigen Wahlen trat Emanuele Fiano, Sohn eines Auschwitz-Überlebenden, als Kandidat für den Senat an. Er unterlag mit 30,8 Prozent der FdI-Kandidatin Isabella Rauti (45,4 Prozent), der Tochter des Mitbegründers des postfaschistischen MSI, Pino Rauti.
Was meint Emanuele Fiano zu dieser Entwicklung: »Ich denke, wir müssen keine Angst vor einer Neuauflage des Mussolini-Faschismus haben. Die heutige Politik wird viel subtiler gehandhabt. Es wird sich eher eine ›Demokratie‹ à la Orbán entwickeln. Die ist verbunden mit einer massiven Unterdrückung der Pressefreiheit, einer obsessiven Beschneidung der Rechte der Frauen sowie einer Politik eines Präsidentialismus ohne einen äquivalenten politischen Ausgleich.« Dass eine solche Politik mit alltäglicher Fremdenfeindlichkeit einhergehe, habe sich in der Vergangenheit gezeigt. Fiano betont: »Unsere Aufgabe ist es, hierzu ein Gegengewicht zu schaffen. Eine ökonomische Freiheit, die mit einer sozialen Gleichberechtigung einhergeht, eine politische Kultur, die die Rechte des Einzelnen wie sozialer Gruppen achtet und respektiert.«
Zielstellungen, die auch eine erneuerte Sozialdemokratie nicht allein wird umsetzen können. In der kommenden Legislatur wird sich zeigen, welche Bündnisse der PD bereit ist, im Parlament einzugehen, um soziale Aspekte in die italienische Politik einzubringen. Nach wie vor bieten sich da die Fünf Sterne an. Die Bewegung Beppe Grillos hat zwar gegenüber den vorherigen Wahlen deutlich verloren, jedoch mit 15,3 Prozent immerhin noch ein beachtliches Ergebnis vorweisen können – doppelt so hoch wie das der Lega oder Berlusconis Forza Italia. Will die italienische politische Bewegung links der Mitte zukünftig ein Wahlbündnis schaffen, das in der Lage ist, der aktuell rechten Übermacht Paroli zu bieten, werden die Parteispitzen über ihre Schatten springen und die Bewegungen aufeinander zugehen müssen.
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