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Erkaltete Zuneigung
Europas extreme Rechte üben sich in Distanz zu Russland, halten sich aber Hintertüren offen
Lega-Chef Matteo Salvini reagierte aufgebracht, als ihn Journalist*innen in der Schlussphase des italienischen Wahlkampfes auf US-Geheimdienstberichte ansprachen, wonach Russland seit 2014 mindestens 300 Millionen Euro in ausländische Parteien, ihre Kandidat*innen und andere politische Organisationen gesteckt habe. Er werde jeden verklagen, der behaupte, seine Partei habe jemals Geld aus Moskau erhalten. Nie sei auch nur ein »Rubel, Euro, Dinare oder Dollar aus Russland« geflossen, behauptete Salvini. In der Tat gibt es bisher keine Belege dafür, ob die Lega oder ihr Vorsitzender jemals finanzielle Unterstützung aus Russland erhielten. Die US-Regierung gab nur Teile ihrer Informationen frei, es ist lediglich bekannt, dass die Geldströme in mehr als zwei Dutzend Ländern geflossen seien. Die Regierungen der betroffenen Staaten sollen aber informiert werden. Wäre Italien darunter, würde dies kurios enden, dürfte nach dem Ausgang der Parlamentswahl am vergangenen Sonntag in Rom doch bald eine extrem rechte Koalition aus Forza Italia, Lega und der Wahlsiegerin Fratelli d’Italia regieren. Auch die angehende Ministerpräsidentin, die Faschistin Giorgia Meloni, streitet vehement ab, jemals russisches Geld bekommen zu haben.
In ihrem Fall mag das sogar glaubwürdiger wirken als bei Salvini, ist Meloni in der Vergangenheit nicht durch Nähe zum Kreml aufgefallen. Am Mittwoch erklärte sie, weiter an der Seite der Ukraine zu stehen. Ob das auch durch konkrete Taten erfolgt, muss sich noch zeigen, sind die Vorsitzenden ihrer zwei Koalitionspartner, Lega-Chef Salvini und Forza-Vorsitzender Silvio Berlusconi, doch für ihre Nähe zu Russland und insbesondere zu Präsident Wladimir Putin bekannt. Ikonisch dafür steht das Foto Salvinis, wie er 2014 in Moskau auf dem Roten Platz wie ein Fan posiert, bekleidet mit einem T-Shirt auf dem Putin abgebildet ist. 2017 wurde zwischen der Lega und Putins Partei »Einiges Russland« eine Kooperation zum gegenseitigen Austausch geschlossen.
Mit dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine dieses Frühjahr war die offene Begeisterung schlagartig verschwunden. Salvini kritisierte den Angriffskrieg, inszenierte sich an der polnisch-ukrainischen Grenze sogar als Flüchtlingshelfer. Sanktionen allerdings stellte er wiederholt infrage. Damit befindet er sich auf einer Linie mit Berlusconi. Der 85-Jährige nahm Putin im italienischen Wahlkampf sogar in Schutz. Er sei »von der russischen Bevölkerung, von seiner Partei, von seinen Ministern gedrängt« worden, sich »diese Spezialoperation auszudenken«, so Berlusconi in einem TV-Interview. Nach einem klaren Bruch klingt das nicht.
So wie in Italien geht es vielen extrem rechten Parteien Europas. Ihnen ist ihre frühere, offen zur Schau gestellte Verbundenheit zum Kreml seit dem Angriffskrieg unangenehm, mehr oder weniger deutlich fällt die Ablehnung des Überfalls auf die Ukraine aus. Vor der Eskalation des Ukrainekriegs gaben sich führende Vertreter*innen rechter Parteien bei Besuchen in Moskau beinahe die Klinke in die Hand. Im Fall der AfD ist die Reiseliste ehemaliger wie aktueller Spitzenfunktionär*innen lang. So waren die beiden AfD-Parteivorsitzenden Tino Churpalla und Alice Weidel 2021 in Moskau zu Gast, trafen sich dabei auch mit Regierungsvertreter*innen. 2017 weilte die damalige Parteivorsitzende Frauke Petry in der russischen Hauptstadt. Zudem ließen sich AfD-Vertreter*innen vom Staat als Wahlbeobachter*innen einspannen, um die Abstimmungen zu legitimieren. Dies war auch der Fall, als OSZE-Wahlbeobachter*innen 2021 ihre Mission zur Parlamentswahl aufgrund äußerst restriktiver Bedingungen absagten.
Inzwischen ist die AfD auf Führungsebene vorsichtiger. Als sich vergangene Woche drei Landtagsabgeordnete nach Russland aufmachten, um von dort in die teils besetzte Ostukraine zu reisen, bemühte sich die Parteispitze um größtmögliche Distanz zu dem abgebrochenen Vorhaben: Die drei AfD-Politiker Hans-Thomas Tillschneider, Daniel Wald und Christian Blex hätten sich gegenüber dem Bundesvorstand zu rechtfertigen und die Hintergründe der Reise aufzuklären, hieß es. Für den nordrhein-westfälischen Abgeordneten Blex hatte der Trip unmittelbare Folgen. Die AfD-Fraktion im Düsseldorfer Landtag warf ihn raus, der Landesvorstand berät über weitere Konsequenzen. Ähnliches droht Tillschneider und Wald nicht. Beide sind in Sachsen-Anhalt organisiert, die ostdeutschen AfD-Verbände unter Führung der völkischen Nationalist*innen treten weiterhin russlandfreundlich auf. Die kleine Reisegruppe gilt hier als heldenhaft.
In ihrer Kommunikation versucht die AfD, wie auch die meisten anderen extrem rechten Parteien in der EU, dennoch keine allzu offenen Sympathien mit Russland mehr zu zeigen. Viel mehr konzentriert man sich darauf, Angst vor den Folgen des Krieges für die jeweils eigene Bevölkerung zu schüren und deshalb Sanktionen abzulehnen. Im AfD-Sound ist dann von »deutschen Interessen« die Rede, ihr Kampagnenslogan »Unser Land zuerst!« gilt als Parole der extremen Rechten in ganz Europa, egal ob bei der deutschen AfD, dem französischen Rassemblement National oder der FPÖ in Österreich. Dies trifft auch auf die spanische Vox zu, die allerdings schon vor der Ukraineinvasion kein Freund Moskaus war. Parteichef Santiago Abascal stellt die Probleme mit Inflation und Energiemangel mehr als Versagen der spanischen Regierung und nationales Desaster dar, statt international nach Antworten zu suchen.
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