Truss rudert zurück

Die Autorität der neuen britischen Premierministerin ist schwer beschädigt, auch in der eigenen Partei

  • Peter Stäuber, London
  • Lesedauer: 4 Min.

So schnell kann es gehen. Noch am Sonntagmorgen hatte die britische Premierministerin Liz Truss eiserne Entschlossenheit demonstriert, sie gab sich überzeugt, dass ihre Wirtschaftspolitik die richtige sei. »Ich halte an unserem Paket fest«, sagte sie in der BBC – also auch an einer höchst kontroversen Steuersenkung, von der nur die reichsten Briten profitieren würden.

Aber schon am Montag früh war es damit vorbei: Schatzkanzler Kwasi Kwarteng kündigte einen Rückzieher an, nach über einer Woche der Turbulenzen auf den Finanzmärkten und wachsendem Druck von Parteikollegen wurde der Plan verworfen. »Die Steuersenkung war zu einer Ablenkung geworden«, sagte Kwarteng als Erklärung.

Für Kwarteng war es eine erniedrigende Kehrtwende – aber eine, die nicht eben überraschend kam. Der Haushaltsplan, den der Schatzkanzler am 23. September vorgestellt hatte, löste enorme Unruhe bei Banken und Börsen aus. Das Pfund stürzte letzte Woche auf den tiefsten Dollar-Wert seit vielen Jahrzehnten, und die Zinssätze auf britische Staatsanleihen schossen in die Höhe. Manche Analysten befürchteten zeitweise, gleich würde eine handfeste Finanzkrise ausbrechen. Am Ende sah sich die Notenbank gezwungen, am Anleihemarkt zu intervenieren, um die Märkte zu beruhigen.

Der Grund für den Tumult auf den Märkten war die mangelnde Zuversicht, dass die Steuersenkungen bezahlbar sind. Die Sorge war, dass sie die öffentlichen Finanzen Großbritanniens zu sehr strapazieren würden. Kwarteng wollte unter anderem den höchsten Steuersatz von 45 Prozent auf 40 Prozent senken. Nur Leute, die mehr als 150 000 Pfund verdienen, hätten davon profitiert. Zudem sagte er die geplante Erhöhung der Körperschaftssteuer von 19 auf 25 Prozent ab, und er stellte eine Senkung des tiefsten Steuersatzes von 20 auf 19 Prozent in Aussicht.

Der Vertrauensverlust auf den internationalen Märkten war auch der Tatsache geschuldet, dass der Finanzminister auf eine unabhängige Prüfung seines Pakets verzichtet hatte. Normalerweise kalkuliert der Rechnungshof Office for Budget Responsibility (OBR), was für Konsequenzen ein Haushaltsplan haben wird. Aber obwohl das OBR mit einer kurzen Prognose zur Stelle gewesen wäre, meinte Kwarteng: Brauchen wir nicht. Laut Analysten kostete das Steuersenkungsprogramm insgesamt rund 45 Milliarden Pfund.

Mit der Kehrtwende vom Montag konnte die Regierung erstmal die Gemüter beruhigen. Der Wert des Pfund stieg sprungartig an, es ist im Vergleich zum Dollar wieder auf dem Niveau vor den Turbulenzen der vergangenen Woche. Aber die Probleme für die Regierung sind damit noch nicht vorbei.

Zum einen ist die Art und Weise, wie sie zu ihrer drastischen Kursänderung gezwungen wurde, überaus peinlich. Superreiche Tory-Geldgeber hätten im Prinzip der Regierung gesagt, dass sie die Steuersenkung nicht brauchen und dass sie die Partei in Verruf bringe, schrieb der Finanzjournalist Robert Peston auf Twitter. Er sprach von einer »politischen Farce«. Die Autorität von Liz Truss und ihrem Weggefährten Kwarteng ist schwer beschädigt – just zum Auftakt des Tory-Parteitags in Birmingham. »Der Schaden ist bereits angerichtet«, sagte ein anonymer Tory-Abgeordneter gegenüber der Presse.

Zum anderen war die Steuersenkung für Reiche zwar von der Optik her ein größeres Problem für die Tories – immerhin sorgen sich derzeit Millionen von Briten, wie sie in diesem Winter angesichts der hohen Inflation über die Runden kommen. Aber in rein finanzieller Hinsicht war sie nicht besonders erheblich: Paul Johnson, der Direktor des Thinktanks Institute for Fiscal Studies, schreibt, dass die Steuersenkung der kleinste Teil des Haushaltspakets gewesen sei – zwei Milliarden von insgesamt 45 Milliarden Pfund: »Die Kehrtwende hat im Prinzip keine Folgen für die fiskale Nachhaltigkeit«, schreibt Johnson.

Dazu kommt die Tatsache, dass Truss und Kwarteng offensichtlich größere öffentliche Einsparungen im Sinn haben – die Rede ist von 18 Milliarden Pfund an Kürzungen im öffentlichen Sektor. Damit würde die Regierung zurückkehren zur Politik der Austerität, die die Jahre nach der Finanzkrise von 2008 prägte und für Briten mit niedrigen Einkommen verheerende Folgen hatte. Ein weiteres Sparprogramm wäre etwa für Schulen und Krankenhäuser fatal, warnen Ökonom*innen. Aber damit nicht genug: Liz Truss gab sich zudem am Dienstag unverbindlich, ob die Sozialleistungen Schritt halten würden mit der Inflation – wenn das nicht geschieht, wäre es ein weiterer schwerer Schlag für die ärmsten Brit*innen.

Das sorgt auf den Tory-Bänken im Unterhaus für Konsternation. Der ehemalige Sozialminister Stephen Crabb sagte in einem Radiointerview, dass es »einige recht harte Gespräche mit Hinterbänklern geben werde, wo diese Einsparungen anfallen werden.« Er meinte: Die Kehrtwende bezüglich der Steuersenkung werde wohl keinen Strich ziehen unter der Kontroverse rund um Kwartengs Wirtschaftspolitik.

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