- Politik
- EU-Sanktionen
Russisches Öl soll billiger werden
Die Europäische Union will die Preise für russisches Rohöl deckeln und setzt dafür auch auf die Kooperation europäischer Reedereien
Die EU reagiert auf die russische Teilmobilmachung und die Referenden in den besetzten Gebieten der Ukraine: »Wir sind entschlossen, den Kreml für die erneute Eskalation büßen zu lassen«, hatte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am vergangenen Mittwoch angekündigt. Doch so entschlossen zeigten sich die EU-Mitglieder dann doch nicht. Schließlich hatte die Präsidentin vorgeschlagen, einen Preisdeckel für russisches Öl einzuführen. Griechenland, Zypern und Ungarn hatten sich zuvor dagegen ausgesprochen. Es bedurfte also harter Verhandlungen hinter fest verschlossenen Türen, bis die EU-Botschafter am gestrigen Mittwoch eine Einigung erzielen konnten, die bereits am heutigen Donnerstag in Kraft treten könnte.
Das mittlerweile achte Sanktionspaket gegen Russland umfasst weitere Beschränkungen beim Export von Flugzeugtechnologie, ein Importverbot für russischen Stahl. Zudem dürfen EU-Bürger*innen zukünftig keine Sitze in Führungsgremien russischer Staatsunternehmen mehr besetzen. Der wohl wichtigste Punkt ist aber der Ölpreisdeckel. Allerdings ist noch nicht klar, wo die Preisobergrenze liegen soll. Erklärtes Ziel dieses Deckels ist es, »Russlands Einnahmen zu verringern und die globalen Energiemärkte stabil zu halten«, so von der Leyen. Die EU agiert hier nicht allein. Die als G7 bekannten westlichen Industriestaaten – also auch Japan, Großbritannien und die USA –, hatten sich auf ihrem Gipfel in Elmau darauf verständigt, eine Preisobergrenze für russisches Öl festzulegen, die auch für Drittstaaten wie Indien gelten soll. Derzeit unterstützen nur westliche Staaten die Sanktionen gegen Russland.
Bereits im Juni hatte der EU-Rat in seinem sechsten Sanktionspaket beschlossen, »den Erwerb, die Einfuhr oder die Weiterleitung von Rohöl« aus Russland in die EU zu verbieten. Allerdings greift das Verbot erst ab Dezember und gilt dann auch nur für Ölimporte über den Seeweg. Die Pipelines werden auch weiterhin russisches Öl nach Europa pumpen, etwa nach Ungarn, dessen Premier Viktor Orbán großzügige Ausnahmen für sein Land ausgehandelt hatte.
Ohnehin zeigen die Sanktionen nicht die gewünschte Wirkung. Die Rohstoffpreise sind hoch, Russlands Einnahmen auch. Laut dem finnischen Centre for Research on Energy and Clean Air (CREA) erzielte Russland in den ersten sechs Monaten des Krieges »Einnahmen in Höhe von 158 Milliarden Euro mit der Ausfuhr fossiler Brennstoffe«. Mehr als die Hälfte davon importierte die EU und zahlte dafür 85 Milliarden Euro. »Die steigenden Preise für fossile Brennstoffe führen dazu, dass Russlands derzeitige Einnahmen weit über dem Niveau der Vorjahre liegen, obwohl die Exportmengen zurückgegangen sind«, resümiert das finnische Institut.
Abhilfe soll der Ölpreisdeckel schaffen. Die Idee dahinter: Möglichst viele Käufer sollen russisches Öl nur noch zu einem festen Preis unterhalb des Weltmarktpreises kaufen. Ob das was bringt, ist umstritten. Partnern wie China und Indien bietet Russland sein Öl schon jetzt unter dem Marktpreis an. Die Frage ist, wie lange sich Moskau einen niedrigen Ölpreis leisten kann: Denn Russlands neuere Investitionen und die Förderung in der Arktis gehören zu den weltweit teuersten. Das heißt, die Produktionskosten steigen und erfordern einen möglichst hohen Ölpreis. »Die Erschließung neuer Erdölfelder (einschließlich unkonventionellen Erdöls wie Schieferöl) benötigt jedoch riesige neue Investitionen sowie US-Technologien und Erfahrungen der amerikanischen Schieferölkonzerne«, schreibt der Analyst Frank Umbach in einem Arbeitspapier der Bundesakademie für Sicherheitspolitik. Demnach könnte es auch technisch schwierig werden, denn moderne Ölfördertechnologien fallen unter das Sanktionsregime.
Wenn der Preisdeckel also tatsächlich kommt, könnte es unangenehm für Putin werden. Um sicherzustellen, dass möglichst viele mitmachen, will Brüssel die Transportbranche mit einbeziehen. Ein Großteil des russischen Öls wird von Tankern transportiert, die unter der Flagge eines EU-Staats fahren. Aus diesem Grund waren Griechenland, Malta und Zypern bislang gegen ein Transportverbot und konnten entsprechende Sanktionen verhindern. Den Brüsseler Plänen nach soll der Seetransport von Erdöl zukünftig nur noch möglich sein, wenn das Öl unter einem bestimmten Preis eingekauft wurde. Schiffsversicherungen, ohne die kein Öltransport möglich ist, sollen auf die Einhaltung der Regeln verpflichtet werden. Expert*innen sehen aber schon jetzt zahlreiche Möglichkeiten, diese Regeln zu umgehen. Zumal auch nicht klar ist, ob die drei Reederei-Nationen tatenlos zusehen, wenn ihre Tankerflotte dauerhaft lukrative Aufträge verliert.
Wir behalten den Überblick!
Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.