Rücktritt von Lewentz gefordert

Ein Hubschraubervideo aus der Flutnacht im Ahrtal wirft Fragen auf

Es sind knapp 20 Minuten Videomaterial, die das rheinland-pfälzische Innenministerium am Dienstag für die Öffentlichkeit freigegeben hat. Das Video stammt aus einem Polizeihubschrauber, der in der Flutnacht im Juli 2021 von Mayschoss bis Schuld an der Ahr geflogen ist. Die Aufnahmen sind zwischen 22.14 und 22.42 Uhr entstanden. Zu sehen sind Häuser, die bis zum Dach im Wasser stehen, und ganze Ortschaften, die in den Wassermassen untergehen. Immer wieder sind auch Taschenlampen zu erkennen, Menschen schwenken sie oder blinken aus ihren Dachgeschossen in Richtung des Hubschraubers. Dass sie auf sich und ihre Notlage aufmerksam machen wollten, ist eindeutig. Kurz nach Ende des Videos bricht die Besatzung des Polizeihubschraubers ihren Flug ab. Der Hubschrauber hat keine Seilwinde an Bord und ist deshalb nicht in der Lage, Menschen zu retten. Aus dem Mainzer Innenministerium heißt es, der Flug sei abgebrochen worden, weil die Hubschrauberbesatzung den Menschen am Boden nicht unnötig Hoffnung auf Rettung machen wollte.

Nun liegen Mayschoss und noch viel mehr Schuld relativ weit oben am Flusslauf der Ahr. Die Crew des Polizeihubschraubers hat dort eine katastrophale Situation erlebt. Das wirft Fragen auf, ob und wie die Erkenntnisse aus dem Hubschrauber genutzt wurden, um Menschen weiter unten am Fluss zu warnen. Nach aktuellem Stand war das nicht der Fall, und das rückt den SPD-Chef von Rheinland-Pfalz und Landesinnenminister Roger Lewentz in den Fokus. Lewentz hatte bislang, zum Beispiel in Sitzungen des parlamentarischen Untersuchungsausschusses, immer behauptet, dass er in der Flutnacht keine belastbaren Erkenntnisse über die Zustände an der Ahr gehabt habe. Daraus leitete der Innenminister auch ab, dass es in der Nacht nicht geboten war, einen Krisenstab in Mainz einzusetzen und die Einsatzleitung von den Kreisen zu übernehmen.

Eine andere Frage, die sich Lewentz gefallen lassen muss, ist die, warum das Hubschraubervideo erstmals Ende September im Untersuchungsausschuss gezeigt wurde. Auch der Innenminister gibt an, es dort zum ersten Mal gesehen zu haben. Wieso das Video über ein Jahr unbekannt war, dafür gibt es verschiedene Erklärungen. Von der Polizei Koblenz heißt es, es habe einen Dokumentationsfehler und ein Missverständnis gegeben. Das Innenministerium erklärte, bei der Polizei habe man das Video wohl nicht für entscheidend für eine Einschätzung der Lage gehalten. Der Koblenzer Polizeipräsident entschuldigte sich mittlerweile und erklärte, dass das Video dem Untersuchungsausschuss früher hätte vorliegen müssen.

Für die CDU sind das Video und Lewentz’ Verhalten – der Innenminister äußerte auch, man sehe auf dem Video ein »starkes Hochwasser«, aber keine Katastrophe – Grund genug, seinen Rücktritt zu fordern. Der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion, Christian Baldauf nennt Lewentz’ Äußerungen »zynisch« und einen »Schlag ins Gesicht« aller, die beim Hochwasser Angehörige verloren haben. Das Video belege, »dass Polizeikräfte spätestens ab 22 Uhr volle Kenntnis hatten, dass es sich um eine Flutkatastrophe handelte«. Die Landesregierung hätte aus Baldaufs Sicht darauf reagieren und alles dafür tun müssen, um »zu helfen, zu warnen, zu evakuieren«. Dabei habe sie versagt. Statt »mit allen Kräften und Maßnahmen in den Startlöchern« zu stehen, habe sich Lewentz schlafen gelegt.

Christian Baldauf forderte den Innenminister zum Rücktritt auf, sein Amtsverständnis sei mangelhaft. Wenn Lewentz nicht freiwillig gehe, müsse Ministerpräsidentin Malu Dreyer ihn entlassen. Dreyer lehnte das am Mittwochabend ab, sie vertraue dem Innenminister. Und Roger Lewentz erklärte in einem Interview mit dem SWR, dass er sich um den Wiederaufbau im Ahrtal kümmern will.

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