• Reise
  • Sächsische Schweiz

Über Stiegen und durch Schluchten himmelwärts

Es gibt viele gute Gründe für eine Wanderung in der Sächsischen Schweiz

  • Heidi Diehl
  • Lesedauer: 6 Min.
Ausblick vom Carolafelsen zur Hohen Liebe und zu den Schrammsteinen
Ausblick vom Carolafelsen zur Hohen Liebe und zu den Schrammsteinen

Das ist so ein Moment, der sprachlos macht: Wie ein warmer, kuscheliger Schal schmiegt sich der Nebel an die Festung Königstein. Ein schneller Klick aufs Handy und schon ist dieses romantische Bild für die »Ewigkeit« eingefangen. Wenige Augenblicke später wird die Sonne es schon wieder aufgelöst haben. Ihre wärmenden Strahlen schleichen sich bereits an, um den Nebel wegzuschlecken. Fasziniert beobachte ich das frühmorgendliche Naturschauspiel – und fühle plötzlich jemanden neben mir. Mit einem etwas abschätzenden Blick schaut ein wie aus der Zeit gefallener Mann im steifen Gehrock auf die »Maschine« in meiner Hand und raunt mir zu: »Der Maler sollte nicht nur malen, was er vor sich sieht, sondern, was er in sich sieht. Sieht er aber nichts in sich, so unterlasse er zu malen, was er vor sich sieht.«

Infos
  • www.saechsische-schweiz.de
    li>Spendenaktion zum Wiederaufbau des Nationalparks: www.99funken.de/waldbrand-saechsische-schweiz

    »Hochgeschätzter Caspar David Friedrich«, erwidere ich schweigend, »Sie haben ja so recht. Doch heutzutage bedient man sich zumeist einer anderen Technik als Sie vor über 200 Jahren, um Stimmungen und Gefühle in Bildern wiederzugeben. Aber glauben Sie mir, auch ich fühle das Bild in mir. Schauen Sie doch nur, welche Farbenpracht dieses Naturgemälde hat, welchen Optimismus es verbreitet und wie viel Lust es macht, sofort die Wanderstiefel zu schnüren und loszulaufen, um sich die Berge aus der Nähe anzuschauen.«

    Auch in uns Nachgeborenen steckt noch ein bisschen Romantik – wenngleich sie sich anders darstellt als bei Caspar David Friedrich und seinen Zeitgenossen, die uns ihren Blick auf das Elbsandsteingebirge in stimmungsvollen, oftmals melancholischen Bildern hinterlassen haben und damit gewissermaßen den Weg ebneten, der dahin führte, dass die Region heute zu den beliebtesten Wandergebieten Deutschlands gehört. Unzählige Menschen lassen sich Jahr für Jahr von der Schönheit begeistern, wandern durch enge Schluchten, klettern auf die Berge, steigen über steile Stiegen hoch hinauf zu den Gipfeln und schauen – wie Caspar David Friedrichs berühmter »Wanderer über dem Nebelmeer« – fasziniert auf die gewaltigen von Wind und Wetter geformten »Kleckerburgen«, die übrig blieben, nachdem sich vor rund 140 Millionen Jahren das Meer, das sich hier einst erstreckte, zurückgezogen hatte.

    Heute ist es kaum noch vorstellbar, dass diese Landschaft einst von den Menschen gemieden wurde. Sie galt als bedrohlich, düster und unheimlich. Bis sie im 18. Jahrhundert, in der Zeit, die man heute als Epoche der Romantik bezeichnet, von zahlreichen Künstlern entdeckt wurde. Nach der Ära der kühlen Aufklärung suchten sie das Emotionale und Geheimnisvolle. In der wilden Landschaft des Elbsandsteingebirges fanden sie das im Überfluss. Zu den ersten gehörten die Schweizer Landschaftsmaler Adrian Zingg und Anton Graff. Beide waren um 1760 an die neu gegründete Dresdner Kunstakademie berufen worden. Sie waren um die 30 und abenteuerlustig. Bei ihren Entdeckungstouren in die Dresdner Umgebung lernten sie die schroffe Bergwelt kennen, die sie an ihre Heimat erinnerte und gaben ihr deshalb den Namen »Sächsische Schweiz«.

    Adrian Zingg, Anton Graff, Caspar David Friedrich oder Ludwig Richter waren so etwas wie die ersten Touristen im Elbsandsteingebirge, doch viele andere folgten schon bald. Bereits 1801 erschien ein erstes Reisehandbuch mit einer Wanderkarte. Mit der »Fremdenwegsroute« entstand ein erster Wanderweg. 1826 wurde auf der Bastei eine hölzerne Brücke gebaut, die bereits 25 Jahre später der steinernen weichen musste, die es heute noch gibt. Mit Gründung des »Gebirgsvereins für die Sächsische Schweiz« 1877 begannen der gezielte Ausbau und die Markierung von Wanderwegen, Aussichtspunkte und Schutzhütten entstanden ebenso wie Brücken, Treppen und Stiegen auf bis dahin nur für Kletterer zugängliche Felsen. 1898 wollten ein paar besonders patriotisch gesinnte Vereinsmitglieder gar einen Felsen in der Nähe der Bastei als Bismarckkopf zurechthauen lassen. Glücklicherweise unterband das der königliche Finanzminister noch rechtzeitig. Auch als knapp hundert Jahre später die Idee aufkam, in eine Felswand bei Reinhardtsdorf ein Denkmal der Deutschen Einheit mit Konterfeis von Politikern à la Hollywood zu meißeln, wurde das glücklicherweise vereitelt.

    Heute kann man die Sächsische Schweiz auf mehr als 1200 ausgeschilderten Wanderkilometern unter die Füße nehmen, die wohl beliebteste Strecke ist der 112 Kilometer lange »Malerweg«, der 2007 als schönster Wanderweg Deutschlands ausgezeichnet wurde. In weiten Teilen folgt er der historischen »Fremdenwegsroute«, wo Zingg, Graff, Friedrich und Co. viele ihrer Motive fanden. Aufgeteilt in acht unterschiedlich schwer zu begehende Etappen, die von leicht bis sehr anspruchsvoll reichen, findet man für jedes Fitnesslevel Passendes. 

    Wir hatten uns für mehrere mittelschwere Touren entschieden – zum »Warmlaufen« von Bad Schandau zum Pfaffenstein, eine »Klettertour« über zahlreiche Stiegen und Treppen von Schmilka auf die Schrammsteine, eine zum Teil anspruchsvolle über den Flösersteig zum Kuhstall und eine gemütliche hinauf zur Festung Königstein. Obwohl erst für den Sommerausklang Ende August geplant, gingen wir auf Nummer sicher und buchten unser Quartier schon im zeitigen Frühjahr. 

    Doch dann kamen Ende Juli die Horrormeldungen: Es brennt in der Sächsischen Schweiz! Täglich verfolgten wir die Medien und stellten uns die bange Frage, ob wir die Reise wohl absagen müssten. Die Meldungen überschlugen sich, ein vorsichtiger Anruf ein paar Tage vor Reisebeginn in unserer Pension gab Entwarnung. Zu Recht! In den vier Tagen sahen wir nichts von irgendwelchen Brandschäden, die ohnehin nur in einem sehr begrenzten Gebiet von 1,5 Quadratkilometern zu finden sind. Das sind gerade mal 0,4 Prozent der 381 Quadratkilometer großen Nationalparkregion.

    Obwohl sich inzwischen auf den geschädigten Flächen schon längst wieder neues Grün zeigt, sind noch immer viele verunsichert, wie eine Nachfrage beim Tourismusverband Sächsische Schweiz belegt. »Vor dem Brand liefen die Buchungen erstmals nach den zwei Corona-Jahren wieder gut und wir konnten endlich wieder auf eine gute Saison hoffen. Dann kam der Brand und mit ihm die Stornierungen, die bis in den Oktober hinein wirken. Wir befürchten, dass die Übernachtungszahlen zum Jahresende weit unter den Erwartungen noch etwa 20 Prozent unter denen von 2019 liegen und die Tourismusbranche einen Umsatzausfall von rund 30 Millionen Euro hinnehmen muss«, sagt Marketingbeauftragte Mandy Krebs.

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    Für Hotels, Pensionen, Gaststätten und andere touristische Unternehmen, die schon die vergangenen zwei Jahre herbe Verluste hinnehmen mussten, ist das ein erneuter Rückschlag, der so manchen an die Existenzgrenze bringt. Hilfe ist dringend notwendig. Warum also nicht mal ein paar Herbsttage nutzen, um die Sächsische Schweiz zu erkunden. Dabei kann man gleichzeitig beim Wiederaufbau der vom Brand betroffenen Gebiete helfen. Denn: Der Tourismusverband spendet von allen über seinen Buchungsservice eingehenden Buchungen bis Ende Oktober zehn Prozent des Gesamtbetrages für den Wiederaufbau. Mehr als 8000 Euro sind so bislang schon zusammengekommen. Ebenfalls bis zum 31. Oktober läuft eine privat initiierte Spendenaktion zur Renaturierung der geschädigten Flächen des Nationalparks. 10 000 Euro versprach die Ostsächsische Sparkasse Dresden draufzulegen, wenn mindestens 20 000 Euro zusammenkommen. Inzwischen sind es schon mehr als 35 000 Euro.

    Übrigens: Die Sächsische Schweiz ist auch im Spätherbst und Winter ein wunderbares Wanderziel. Probieren Sie es doch einfach mal aus! 

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