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  • AfD bei der Niedersachsenwahl

Abstiegsangst trifft auf Rassismus

AfD kann bei Niedersachsenwahl besonders unter Arbeiter*innen deutlich zulegen

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 4 Min.

Dass die AfD ihren Wahlerfolg in Niedersachsen euphorisch feiern würde, war nach den deutlichen Niederlagen bei den bisherigen drei Landtagswahlen dieses Jahr erwartbar. Parteichef Tino Chrupalla neigte dann jedoch dazu, übertriebene Superlative zu bedienen. »Alles was über zehn Prozent ist im Westen, ist Volkspartei«, so der AfD-Vorsitzende in einem ARD-Interview. Wie passend, dass seine Partei laut dem vorläufigen amtlichen Endergebnis 10,9 Prozent der Zweitstimmen holte, damit im Vergleich zur Landtagswahl 2017 um 4,7 Prozentpunkte deutlich zulegt und nach Chrupallas eigenwilliger Definition prompt zur Volkspartei aufsteigt.

Dieser Erfolg hatte viele Gründe, an der Arbeit und dem Auftritt der niedersächsischen AfD in den letzten Jahren lag es gewiss nicht. Höhepunkt der Auseinandersetzungen und Machtkämpfe war der Zerfall der AfD-Landtagsfraktion im September 2020, nachdem drei Abgeordnete ihren Austritt erklärten, womit auch der Fraktionsstatus verloren ging. Verhältnismäßige Ruhe kehrte erst ein, nachdem im Mai dieses Jahres der Bundestagsabgeordnete Frank Rinck den Landesvorsitz übernahm.

Der Zeitpunkt fiel mit der Entscheidung der Bundes-AfD zusammen, voll und ganz auf das Thema Energiekrise zu setzen und als Konsequenz größtmögliche Horrorszenarien über wirtschaftliche Folgen des Ukrainekriegs für Deutschland zu verbreiten. Das Rezept: permanent Abstiegsangst schüren. In der Sonntagsfrage zur Niedersachsenwahl fielen die steigenden Werte für die AfD mit der heißen Phase des Wahlkampfes und dem Herbstanfang – sprich dem Beginn der Heizperiode – zusammen. Überraschend kommt dieser Erfolg nicht, die Wahlforschung liefert dafür Warnzeichen, weit bevor sich eine Entwicklung in der Sonntagsfrage niederschlägt. Oft übersehen wird, dass die über ein bundesweit »erweitertes Wählerpotenzial« von bis zu 23 Prozent verfügt, wie etwa die Meinungs- und Marktforscher*innen von Ipsos im Frühjahr in einer Erhebung herausfanden. Verstanden werden darunter Menschen, die sich vorstellen können, die AfD zu wählen, für die aber die Partei nur eine Option von mehreren ist. Aktuell gelingt es der extremen Rechten, dieses Potenzial abzurufen, was auch den Aufschwung in der Sonntagsfrage auf Bundesebene von bis zu 15 Prozent erklärt.

Sehr unterschiedlich sind die Quellen für diesen Zulauf, wie ein Blick in die Nachwahlbefragungen von Infratest dimap für die Niedersachsenwahl zeigt. Bei der Wählerwanderung konnte die AfD jeweils 40 000 Stimmen von bisherigen Wähler*innen der CDU und FDP abwerben, aus dem Lager der SPD und bei den Nichtwähler*innen waren es je 25 000 Stimmen. Besonders Konservative und Liberale lieferten der AfD im Wahlkampf Stichworte und Themen. CDU-Bundeschef Friedrich Merz hatte die Wahl in Niedersachsen nicht nur zu einer Abstimmung über die Politik der Ampel-Regierung im Bund erklärt, sondern in den letzten Wochen verstärkt AfD-typische Rhetorik bedient, etwa mit seiner Behauptung über angeblichen Sozialtourismus ukrainischer Geflüchteter. Auch die Landes-CDU spielte auf dieser Klaviatur. Auf einem Wahlkampfplakat wurde etwa »Null Toleranz für Clans« gefordert. Traurige Pointe: Laut Nachwahlbefragung schreiben elf Prozent aller Wähler*innen der AfD Kompetenzen in der Kriminalitätsbekämpfung zu – ein Plus von fünf Prozent gegenüber 2017.

Auffallend ist, dass AfD-Wähler*innen im Vergleich zu allen anderen Parteien mit Abstand besonders oft Zukunftsängste umtreibt, allerdings unabhängig davon, wie die eigene wirtschaftliche Situation aktuell tatsächlich ist. 97 Prozent sorgen sich, dass Einkommen und Wohlstand spürbar sinken, 84 Prozent befürchten, sie könnten irgendwann aufgrund steigender Preise ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen. Dass diese Menschen aus ökonomischer Angst nicht die Linkspartei wählen, hat auch mit inhaltlichen Übereinstimmungen mit AfD-Kernthemen zu tun. Laut Nachwahlbefragung geben 99 Prozent der AfD-Wähler*innen an, sie fänden es gut, dass die Partei »den Zuzug von Ausländern und Flüchtlingen stärker begrenzen will«, 84 Prozent begrüßen den Einsatz der Partei gegen Corona-Beschränkungen, 72 Prozent fordern ein Ende der Sanktionen gegen Russland. Mehr als drei Viertel der Befragten sagen dann auch, wichtig für ihre Wahlentscheidung sei das AfD-Programm gewesen.

In dieser komplexen Gemengelage passt, dass Rechtsaußenpartei am stärksten unter Arbreiter*innen zulegen konnte, unter denen sich der Zuspruch zur AfD auf 24 Prozent verdoppelte. Am zweithöchsten ist der Stimmenanteil mit 13 Prozent bei den Selbstständigen, wozu unter anderem viele Handwerker*innen zählen. Gerade diese Berufsgruppe adressiert die AfD zunehmend, Parteichef Chrupalla fungiert als Malermeister dafür als ein Aushängeschild.

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