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Keine Chorknaben
Prozess gegen gewaltbereite Fußballfans eröffnet
Wenn es stimmt, was die Staatsanwaltschaft Gera ermittelt hat, waren die jungen Männer, die da brav auf der Anklagebank sitzen, nicht immer so friedlich. Am Dienstag begann vor dem Landgericht Gera ein Prozess gegen fünf Männer zwischen Anfang 20 und Anfang 30 aus dem Umfeld des Fußballklubs FC Rot-Weiß Erfurt. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen vor, 2018 und 2019 an Angriffen auf Fans des FC Carl Zeiss Jena im Raum Saalfeld beteiligt gewesen zu sein.
Noch ehe der Staatsanwalt an diesem ersten Verhandlungstag dazu kommt, die Anklage zu verlesen, macht der Vorsitzende Richter den Beschuldigten ein Angebot: Sollten sie sich geständig zeigen, würden sie Haftstrafen von maximal zwei Jahren erhalten, ausgesetzt zur Bewährung. Geständnisse könnten den Prozess erheblich verkürzen, argumentiert er. Später fügt er hinzu, im Falle einer Verurteilung müssten die Angeklagten die durch das Verfahren entstehenden Kosten übernehmen. Ohne Geständnisse würden diese Kosten aber höher ausfallen, weil das Verfahren dadurch komplexer werde.
Die Angeklagten lehnen dennoch ab. Derzeit wollten sie keine Angaben zu den ihnen gegenüber erhobenen Vorwürfen machen, lassen sie durch ihre Verteidiger erklären. So richtig nachvollziehen kann der Richter diese Verteidigungsstrategie nicht. Gleichwohl bestätigt er, die Angeklagten hätten das Recht zu schweigen.
Die Männer sollen in unterschiedlicher Form und Intensität an den Attacken auf Fans des als linksorientiert geltenden FC Carl Zeiss Jena beteiligt gewesen sein. Anhänger von Rot-Weiß Erfurt und Jena gelten seit Langem als schwer verfeindet. Im gewaltbereiten Milieu der Erfurter gibt es seit Jahren extrem rechte Tendenzen.
Die Angeklagten sollen unter anderem gemeinsam mit etwa 40 anderen Erfurt-Fans Ende 2018 Jena-Fans am Bahnhof Saalfeld angegriffen oder die Attacke unterstützt haben. Dabei sei ein Mann bewusstlos geschlagen worden, sagte der Staatsanwalt bei der Verlesung der Anklage. Bei einem Übergriff Anfang 2019 auf Jena-Fans an einer Bowlingbahn in Saalfeld durch insgesamt 20 Angreifer sei ein Opfer mehrfach gegen den Kopf getreten worden. Die Angeklagten müssen sich deshalb nun wegen gemeinschaftlichen Raubs, gefährlicher Körperverletzung und Landfriedensbruchs beziehungsweise der Beihilfe zu diesen Straftaten verantworten.
Unklar bleibt zum Prozessauftakt, welche Verbindungen die Beschuldigten zur Erfurter Fangruppierung Jungsturm haben. Diese war vom Landgericht Gera Anfang 2021 in einem weithin beachteten Urteil als kriminelle Vereinigung eingestuft worden, weil sich darin gewaltbereite und teilweise rechtsgerichtete Fans des FC Rot-Weiß Erfurt zusammengeschlossen hätten. Der Staatsanwalt sagte am Rande des Prozesses, es sei davon auszugehen, dass Mitglieder des Jungsturms und die Angeklagten sich kennen würden. Mehr lasse sich über die Verbindungen der fünf Männer zu den rechten Hooligans zum gegenwärtigen Zeitpunkt kaum sicher sagen. Die Staatsanwaltschaft ordne sie dem Spektrum gewaltbereiter Erfurt-Fans zu.
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