Beim Bürgergeld ist die Koalition uneins

Linksfraktionschef Walter: »Es wird hier langsam Zeit für Neuwahlen«

  • Matthias Krauß
  • Lesedauer: 4 Min.

Offenbar wird Brandenburg im Bundesrat einem Bürgergeld nicht zustimmen, sondern sich der Stimme enthalten. In der Landtagssitzung am Donnerstag wurde die Meinungsverschiedenheit innerhalb der Koalition aus SPD, CDU und Grünen offensichtlich. Laut Koalitionsvertrag enthält sich das Land im Bundesrat, wenn in einer konkreten Frage keine Einigung zu erzielen ist. Dem Gesetzentwurf zur Einführung eines Bürgergeldes »darf man nicht zustimmen«, erklärte CDU-Fraktionschef Jan Redmann. Sanktionsfrei Geld zum Leben zu überweisen, sei angesichts des Fachkräftemangels, der viele Branchen plage, der falsche Weg.

Hintergrund dieser Äußerung ist die Ankündigung des Bundesarbeitsministeriums, den Druck auf Arbeitslose, eine neue Beschäftigung anzunehmen, mildern zu wollen. Redmann sprach deshalb von einer Schieflage und davon, dass diese Absicht »gegen die Erwartungshaltung derer steht, die das bezahlen müssen«. Den gesetzlichen Mindestlohn zu erhöhen – er beträgt seit Anfang Oktober zwölf Euro pro Stunde –, sei richtig gewesen. Arbeit müsse sich lohnen. Aber unter diesem Blickwinkel müsse man auch das Bürgergeld betrachten, meinte Redmann.

Dass bei der Einführung des Bürgergeldes massenhaft Menschen aufhören würden zu arbeiten, »ist einfach Unsinn«, sagte der Abgeordnete Ludwig Scheetz (SPD). »Wir sind ein Sozialstaat und wollen dafür sorgen, dass keiner durch das soziale Netz fällt«, setzte er hinzu. Die Pläne des Bundesarbeitsministers Hubertus Heil (SPD) sehen gerade auch die verpflichtende Qualifizierung in Mangelbereichen vor. »Das haben Sie ein bisschen unterschlagen«, warf Scheetz dem CDU-Polititiker Redmann vor.

Das neue Bürgergeld soll ab 1. Januar 2023 für etwa fünf Millionen Betroffene das bisherige Hartz IV ablösen. Aber es werde nicht dazu führen, dass Menschen aufhörten zu arbeiten, sondern dazu, »dass die Empfänger weiter in Armut leben«, unterstrich Sebastian Walter, Chef der oppositionellen Linksfraktion. Wenn Niedriglohnempfänger mit sozialer Alimentierung liebäugelten, »dann haben wir ein Problem mit der Höhe der Löhne und nicht mit dem Bürgergeld«, erklärte Walter. Er verwies darauf, dass das Monatseinkommen eines Brandenburgers im Durchschnitt 1140 Euro geringer sei als das eines Einwohners der alten Bundesländer. Inzwischen habe eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung im Osten kein Vertrauen mehr in die Demokratie und gehe auch nicht davon aus, dass die Politik vom Streben nach sozialer Gerechtigkeit geprägt sei. »Das sollte uns allen Sorgen machen«, meinte der Linksfraktionschef. Dem CDU-Fraktionschef Redmann sagte Sebastian Walter: »Sie versuchen hier, parteitaktische Spielchen aufzumachen.« Er forderte Redmann auf, nach Niedersachsen zu blicken: »Schauen Sie, wem das geholfen hat. Ihnen nicht.«

Bei der niedersächsischen Landtagswahl am vergangenen Sonntag war die CDU von 33,6 auf 28,1 Prozent der Stimmen abgerutscht. Die AfD hatte sich von 6,2 Prozent auf 10,9 Prozent verbessert. Walter forderte die Koalitionsfraktionen auf, ihre Streitgespräche im Koalitionsausschuss und nicht im Plenum des Landtags zu führen. »Es wird hier langsam Zeit für Neuwahlen«, sagte er.

Der CDU-Abgeordnete Redmann habe, »deutlich Positionen der AfD übernommen«, freute sich AfD-Fraktionschef Hans-Christoph Berndt. Nun müsse sich erweisen, ob es sich um mehr als »Getue« handle und »ob Sie das, was Sie sagen, auch durchsetzen«.

Bei den Abstimmungen im Bundesrat verfügen die einzelnen Bundesländer je nach ihrer Bevölkerungszahl über drei bis sechs Stimmen. Brandenburg hat in dem Gremium vier Stimmen. Diese dürfen aber nicht uneinheitlich abgegeben werden, also zum Beispiel nicht in Form von drei Ja-Stimmen und einer Nein-Stimme. Das Grundgesetz erlaubt dies nicht. Dies war am 22. März 2002 von Bedeutung, als das neue Zuwanderungsgesetz der damals rot-grünen Bundesregierung den Bundesrat unter denkwürdigen Umständen passierte. Brandenburgs Innenminister Jörg Schöhnbohm (CDU) rief sein »Nein« in die Runde. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), seinerzeit Bundesratspräsident, rückversicherte sich aber bei Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) und zählte dann drei Ja-Stimmen für Brandenburg, woraufhin die CDU-Ministerpräsidenten Hessens und des Saarlandes, Roland Koch und Peter Müller, Theater machten und ein Tumult losbrach. Das Zuwanderungsgesetz kam dennoch durch, scheiterte dann aber vor dem Bundesverfassungsgericht.

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