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Sondervermögen gegen Energiekrise aufgelegt
Thüringen will Wirtschaft, Haushalte und Vereine finanziell unterstützen
Viele Thüringer Landespolitiker hatten in den vergangenen Monaten den Eindruck, dass die Ampel-Koalition im Bund und auch die Bundesregierung zu wenig tun, um Unternehmen, aber auch Vereine und Privathaushalte angesichts der massiv gestiegenen Energiekosten zu unterstützen – und dass das, was beschlossen worden ist, viel zu langsam umgesetzt wird. Nun hat der Freistaat deshalb ein sogenanntes Energie-Sondervermögen eingerichtet, um aus den darin zur Verfügung stehenden Mitteln jenen zu helfen, die bislang gar nicht oder nur unzureichend Hilfe erfahren haben. Für den entsprechenden Gesetzesentwurf stimmten am Freitag in Erfurt während einer Sondersitzung des Landtages die Fraktionen von Rot-Rot-Grün, CDU und FDP. Die AfD-Fraktion und die parlamentarische Gruppe der Bürger für Thüringen enthielten sich bei der Abstimmung.
Das Sondervermögen hat ein Gesamtvolumen von 407 Millionen Euro. Rot-Rot-Grün und die CDU hatten sich auf dessen Einrichtung am Mittwoch nach zähen und langwierigen Verhandlungen geeinigt. Von dem Geld sollen bis 2025 für die Unterstützung der privaten und kommunalen Wirtschaft 300 Millionen Euro genutzt werden. Die übrigen 107 Millionen Euro sind als Hilfen etwa für Schulträger, Kindergärten, Krankenhäuser, Vereine und Privathaushalte vorgesehen. Bis sie alle das Geld beantragen werden können, müssen allerdings noch einige organisatorische Voraussetzungen geschaffen werden. Das soll in den nächsten Tagen geschehen.
Unmittelbar vor der Verabschiedung des Sondervermögens hatten Vertreter von CDU und Rot-Rot-Grün jeweils für sich in Anspruch genommen, die Bereitstellung der Hilfen wesentlich vorangetrieben zu haben. »Das ist ein CDU-Gesetz, was heute hier beschlossen wird, auch mit Ihren Stimmen, aber es bleibt ein CDU-Gesetz«, sagte der Fraktionsvorsitzende der Union, Mario Voigt, in Richtung von Linken, SPD und Grünen. Seine Fraktion handele, weil sowohl die Landesregierung als auch die Ampel-Koalition im Bund vor allem die Wirtschaft im Freistaat im Stich gelassen habe.
Steffen Dittes von der Linksfraktion widersprach Voigt. Rot-Rot-Grün und die Landesregierung hätten seit Monaten an Hilfen gearbeitet und dazu konkrete Vorbereitungen getroffen. Die CDU dagegen habe vor allem in der Öffentlichkeit Forderungen aufgestellt. Das sei zu wenig. »Man hilft den Menschen eben nicht, indem man eine Pressemitteilung auf den Weg bringt«, sagte Dittes. Für Linke, SPD und Grüne sei es nicht wesentlich, wessen Namen oben auf dem Gesetzesentwurf stehe, über den das Sondervermögen nun eingerichtet wurde. Es gehe der Koalition um Inhalte. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Matthias Hey sagte, es sei traurig, wie sehr sich die CDU in der Debatte um das Sondervermögen zu profilieren versuche.
Formal wird mit dem Landtagsbeschluss kein neues Sondervermögen geschaffen, sondern die Zweckbindung des schon bestehenden Corona-Sondervermögens des Landes erweitert und in dieses Sondervermögen noch einmal weiteres Geld überwiesen.
Während es innerhalb des Parlaments durch die Bürger für Thüringen und die AfD scharfe Kritik an den Hilfen gab, erfährt die Einrichtung des Sondervermögens außerparlamentarisch viel Zustimmung – auch wenn allen klar ist, dass die Landeshilfen die Bundeshilfen nur ergänzen können. Allein schon deshalb, weil ein so kleines und relativ finanzschwaches Bundesland wie Thüringen niemals solche Summen bieten kann wie der Bund, der in den vergangenen Monaten Hilfen von mehreren hundert Milliarden Euro zumindest in Aussicht gestellt hat.
So heißt es sowohl aus der Wirtschaft als auch von den Gewerkschaften und zum Beispiel von freien Schulträgern, mit dem Geld könnten wichtige Hilfen finanziert werden – wenn die Mittel nun tatsächlich schnell bei den Betroffenen ankommen. »Es ist ein gutes Zeichen, dass die demokratischen Fraktionen gemeinsam Verantwortung für die Krisenbewältigung übernehmen«, sagte zum Beispiel der Vorsitzende des DGB Hessen-Thüringen, Michael Rudolph. Gleichzeitig forderte er, Unternehmen nur dann Hilfen zu gewähren, wenn dort auch alle Arbeitsplätze erhalten blieben.
Kritisch bewertete Rudolph dagegen, dass ein großer Teil der 407 Millionen Euro durch einen Rückgriff auf die Haushaltsrücklage des Landes finanziert werden. 350 Millionen Euro werden von dort entnommen. »Rechtlich möglich und aus Sicht des DGB sinnvoller wäre es, das Sondervermögen durch Kreditaufnahme zu finanzieren«, sagte er. »Die Rücklagen sollten angesichts der unsicheren Zukunftsperspektiven unangetastet bleiben, damit das Land schnell und flexibel auf unvorhergesehene Entwicklungen reagieren kann.«
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