Kennen Sie das Wort Glamour?

Pulitzer-Preisträgerin Maggie Haberman über Trump und Amerika

  • Reiner Oschmann
  • Lesedauer: 4 Min.

Das Umfeld für ein neues Trump-Buch könnte schlechter sein: Der einstige US-Präsident Donald Trump befindet sich gerade inmitten mehrerer juristischer Klagen und Untersuchungen – wegen des versuchten Putsches gegen das Ergebnis der Präsidentschaftswahl 2020, das Joe Biden den Sieg brachte, sowie der Anstiftung zur Wahlfälschung in Bundesstaaten, aber auch wegen Finanz- und Steuerbetrugs. Und weil er beim Auszug aus dem Weißen Haus vor bald zwei Jahren kistenweise geheime Staatsdokumente in seinen Privatwohnsitz in Florida mitnahm. Hinzu kommen die Kongresswahl Anfang November, für die Trump seine Kandidaten in aussichtsreiche Positionen zu bringen suchte, und – nicht zuletzt – die Erwartung, dass er nach dieser Wahl seine eigene erneute Präsidentschaftskandidatur für 2024 erklären könnte.

Die Rahmenbedingungen für eine Veröffentlichung sind mithin günstig. Und die Erwartungen an dieses Buch hochgesteckt. Erst recht, da es aus der Feder einer Kennerin wie der »New York Times«-Reporterin Maggie Haberman stammt. Sie hat Trump viele Jahre aus großer Nähe sowohl in seiner Heimatstadt als auch als zuständige Korrespondentin fürs Weiße Haus in Washington beobachtet. Sie interviewte ihn mehrfach, dreimal allein für ihr neues Buch »Täuschung«. Die Erwartungen werden dennoch enttäuscht. Nicht weil es an inhaltlicher Substanz oder handwerklichem Geschick fehlte. Die Pulitzer-Preisträgerin weist beides zur Genüge vor, und die Fülle an Detailbeobachtungen ist bisweilen geradezu atemberaubend.

Der geduldige Langzeitblick der New Yorkerin Haberman auf den New Yorker Trump bringt eine ganz eigene, weiter wachsende Vollständigkeit des Trump-Bildes hervor, obwohl sogar sie am Ende einräumt, in Wahrheit kenne diesen Mann »fast niemand wirklich«. Für den Rezensenten, der inzwischen eine erkleckliche literarische Trump-Kollektion konsumiert hat, liegt der besondere Wert von Maggie Habermans mikroskopischer Arbeit in ihren zahlreichen Psychogrammen. Die ergeben sich oft aus kleinen, einzeln bedingt belangvollen Szenen, die in der Summierung aber durchaus zur besseren Beurteilung Trumps beitragen.

Ein Beispiel: Bei einem Empfang nur Tage nach seiner Amtseinführung im Januar 2017 im Weißen Haus kommt es zu einer ganz bemerkenswerten Verwechslung. Spitzenpolitiker von Senat und Repräsentantenhaus sind der Einladung des neuen Präsidenten gefolgt und in Begleitung hoher Kongressmitarbeiter unterschiedlicher ethnischer Herkunft erschienen. Trump habe die Schwarzen Mitarbeiter für Kellner gehalten, schreibt Haberman und zitiert ihn. »Warum holt ihr nicht das Essen?«

Oft erlebt Haberman Trumps früh erkennbare Neigung, in seinen Bau- und Finanzgeschäften wie in der Politik zur eigenen Machtausübung Zwietracht zu säen. Er sei erwiesenermaßen »völlig unfähig« zu langfristiger Planung und deshalb unter anderem der einzige US-Präsident der jüngeren Vergangenheit, der den meisten seiner Topberater und Kabinettskandidaten vor Amtsantritt noch nie begegnet war.

Wiederholt sei sie Zeugin seines Unwillens geworden, eigene Fehler oder Ungerechtigkeiten einzuräumen. »Gegen Beschuldigungen wehrte sich Trump immer mit einem wutschnaubenden Gemisch aus offensichtlichen Unwahrheiten und Jammern, dass er das wahre Opfer sei«, schreibt die Reporterin und charakterisiert ihn als einen Mann, der ebenso hartnäckig wie wirrköpfig wirkt. Haberman fragt ihn einmal, warum er über so viele Jahre erpicht darauf gewesen sei, in Russland Geschäfte zu machen und einen »Trump Tower« auch in Moskau zu bauen. »›Ich dachte, in Moskau ein Gebäude zu bauen, wäre gut und glamourös‹, sagte er. ›Aber das Konzept ist sehr tough.‹ … Ich hakte nach, was genau ihn gereizt hatte, dort zu bauen. War es die Herausforderung an sich? ›Nein, ich dachte, es wäre ein glamouröses Projekt. Sie kennen das Wort Glamour‹, sagte er. ›Ich liebe Glamour.‹« 

So aufschlussreich dieser kleine Dialog sein mag und verständlich macht, weshalb Wladimir Putin sich einen solchen Politiker geneigt, wenn nicht gefügig halten will, so deutlich wird, wie sehr die Reporterin doch im Klein-Klein verharrt. Für ein Gesamturteil über Trumps Aufstieg zur Macht und seine Verantwortung für den „Untergang Amerikas» entsprechend dem Titel reicht ihre Analyse nicht.

Maggie Haberman: Täuschung. Der Aufstieg Donald Trumps und der Untergang Amerikas. Siedler, 832 S., geb., 36 €.

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