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Korruptionsvorwürfe haften wie Kaugummi
Österreichs ehemaliger Bundeskanzler Sebastian Kurz wird von Skandalen eingeholt
Eine kurze Rückkehr in die Öffentlichkeit war das. Da hatte Sebastian Kurz eben noch Interviews gegeben über seine Zeit als Außenminister, die Koalition mit der rechtspopulistischen FPÖ und sein Ausscheiden aus der Politik – staatsmännisch, zurückgelehnt, sichtlich gut genährt in der Privatwirtschafts-Eremitage. Ein Buch über seine Zeit in der Politik hatte er verfasst. Der Titel: »Reden wir über Politik«. Aber wenige Tage danach ist sie schon wieder da, diese weniger politische als juristische Standardformulierung, wenn es um den Ex-Kanzler Österreichs geht: Es gilt die Unschuldsvermutung. Und so mancher Buchhändler hat Kurz’ Ausführungen in gebundener Form auch schon wieder aus dem Sortiment genommen. Weil: Es ist Korruption, über die geredet wird, wenn es um Sebastian Kurz geht und weniger Politik.
Wie jetzt bekannt wurde, hat jener Mann bereitwillig ausgepackt und sich den Ermittlungsbehörden sogar als Kronzeuge angeboten, von dem aus alle Skandale um Sebastian Kurz ins Rollen gekommen waren: Thomas Schmid, erst Pressesprecher im Außenministerium, dann Generalsekretär im Finanzministerium, Intimus Kurz’, dessen Mann fürs Grobe, schließlich ebenso hoch dotierter wie fachlich ungeeigneter Vorstand der österreichischen Beteiligungsgesellschaft ÖBAG (die Jobausschreibung hatte er selbst verfasst) und heute Privatmann. Die auf seinem Mobiltelefon gefundenen Chatprotokolle boten die ersten tiefen Einblicke in das Tun der Truppe um Sebastian Kurz.
Jetzt hat sich Thomas Schmid nach eigenen Worten dazu entschlossen, das Richtige zu tun: 450 Seiten umfassen seine Aussagen gegenüber der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Ausschlaggebend sei die Mahnung seiner Mutter gewesen: »Wir haben dich so nicht erzogen, wenn du etwas falsch gemacht hast, dann steh dazu und das mit allen Konsequenzen«, so Schmid.
Die WKStA führt Kurz in zwei Ermittlungsverfahren als Verdächtigen. Die Verdachtsmomente: Untreue, falsche Beweisaussage, Missbrauch der Amtsgewalt, Bestechlichkeit, Bestechung und Verletzung des Amtsgeheimnisses in unterschiedlichen Fällen. Kurz wiederum hatte der WKStA gleich mehrmals und öffentlich politisch motivierte Ermittlungen vorgeworfen. Wenn die Indizien-Last dann aber doch allzu groß wurde, kam stets die Beteuerung: Er, Sebastian Kurz, habe von nichts gewusst. Eine ebenso lautende Erklärung auf Drängen Kurz’ abzugeben, hat Schmid eigenen Worten zufolge verweigert.
Und jetzt bringt Schmid den Ex-Kanzler mit so ziemlich allen Punkten, die ihm vorgeworfen werden, direkt in Verbindung. Etwa, dass Sebastian Kurz sehr genau darüber Bescheid wusste, dass Meinungsumfragen zu seinen Gunsten manipuliert, aus Mitteln des Finanzministeriums finanziert und dann gegen Bezahlung in getreuen Medien publiziert wurden. Der Mechanismus, der eine verschleierte Finanzierung solcher Umfragen und deren Publikation über das Finanzministerium vorsah, sei die Idee Kurz’ gewesen. Und schließlich habe er, Schmid, auch direkt bei Steuerprüfungen im Freundeskreis der ÖVP interveniert. Genannt werden hier der Immobilienunternehmer Rene Benko sowie der Investor Siegfried Wolf.
Politisch pikanter wird es bei von Schmid nun ebenfalls gestandenen Interventionen bei Steuerprüfungen in parteinahen Vereinen. Denn eben diese Vereine stehen in Verdacht, der Verschleierung von Parteispenden gedient zu haben. Da war vor allem ein Verein aufgefallen: Das mittlerweile aufgelöste Alois-Mock-Institut, dessen Präsident Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka ist. Sobotka, so Schmid, habe direkt bei ihm interveniert. Und er, so Schmid, habe die Sache im Sinne Sobotkas erledigt.
Das Brisante daran: Sobotka sitzt jenem parlamentarischen U-Ausschuss vor, der all die um die ÖVP geisternden Korruptionsvorwürfe aufklären soll. Nach Bekanntwerden der Schmid-Protokolle steht nun neuerlich eine Abwahl Sobotkas im Raum. Die Frage ist, ob die Grünen – Koalitionspartner der ÖVP – mitstimmen. Die Grüne Fraktionschefin Nina Tomaselli: »Selbstverständlich ist die Koalition durch das Tun der ÖVP belastet.« Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) schwieg zunächst zu den neuen Vorwürfen. Kurz ließ über seinen Anwalt ausrichten, alle Behauptungen seien falsch. Sobotka bezeichnete die Vorwürfe gegen ihn als »völlig haltlos«.
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