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Potenzieller Partner mit schlechtem Ruf
Die Idee der Hauptstadt-SPD, die Berlinovo in die Schulbauoffensive einzubinden, stößt auf Skepsis
Zu langsam, zu kompliziert, zu teuer: In beständiger Regelmäßigkeit hagelt es von unterschiedlichsten Seiten Kritik an der Berliner Schulbauoffensive. So auch aktuell, nachdem im Zuge der vor kurzem vom rot-grün-roten Senat beschlossenen Investitionsplanung zahlreiche Schulsanierungen auf die Zeit nach 2026 verschoben wurden. Umso überraschter ist man, dass sich nun mit der SPD die Partei der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey an die Spitze der Unzufriedenen zu setzen versucht.
Nach dem Willen der Sozialdemokraten soll mit Blick auf die Schulsanierungen nicht nur das Investitionsprogramm 2022 bis 2026 noch einmal überarbeitet werden. Auch generell will die SPD die seit sechs Jahren laufende Schulbauoffensive noch mal »ausweiten und beschleunigen«. Wie die Fraktion am Wochenende auf ihrer Klausur beschlossen hat, soll »für die Schaffung der dringend benötigten Schulplätze und Schulsanierungen« künftig auch auf »die Kompetenz und Finanzkraft« des landeseigenen Wohnungsunternehmens Berlinovo zurückgegriffen werden.
Die Berlinovo wäre neben den Bezirken, der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft Howoge und der landeseigenen BIM Berliner Immobilienmanagement der fünfte Akteur in der an zu koordinierenden Zuständigkeiten nicht eben armen Schulbauoffensive. »Der Wunsch, einen weiteren Akteur hinzuziehen, wurde ja von uns Fachpolitikerinnen und Fachpolitikern schon vor längerer Zeit formuliert«, sagt Marcel Hopp, der bildungspolitische Sprecher der SPD-Abgeordnetenhausfraktion. Bislang sei man damit bei den Haushältern der Koalition nicht durchgedrungen. »Deshalb freue ich mich sehr, dass das Vorhaben jetzt mit Rückendeckung der SPD-Fraktion angeschoben werden kann. Es ist schon viel zu viel Wasser die Spree hinuntergeflossen«, sagt Hopp zu »nd«.
Klar ist, dass ein Hinzuziehen der Berlinovo die ohnehin schon milliardenschwere Schulbauoffensive noch einmal deutlich verteuern würde. In der Senatsfinanzverwaltung nimmt man den Vorstoß der SPD-Fraktion wohl auch deshalb eher unterkühlt zur Kenntnis. Die Berlinovo sei »grundsätzlich ein starker Partner«, heißt es auf nd-Nachfrage. Ob es sinnvoll sei, mit dem Unternehmen noch einen Akteur mit ins Schulbauboot zu holen, »gilt es zunächst unter praktischen Gesichtspunkten wie der Leistbarkeit und Umsetzung zu diskutieren«, teilt das Haus von Finanzsenator Daniel Wesener (Grüne) diplomatisch mit – um dann doch direkter zu werden: »Fakt ist, ein Einstieg der Berlinovo würde aufgrund ihrer herausgehobenen Rolle bei anderen Projekten, wie zum Beispiel beim Bau von Studierendenwohnungen, und des notwendigen Aufbaus einer eigenen Schulbaueinheit erst in einigen Jahren möglich sein. Wertvolle Zeit, die mit den jährlichen Investitionsplanungen sinnvoll genutzt werden sollte.«
Auch Steffen Zillich, der Haushaltsexperte der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, ist nicht wirklich Feuer und Flamme. »Dass man guckt, inwieweit man zusätzliche Ressourcen einbindet, das finden wir richtig, und das haben wir ja auch in der Vergangenheit gefordert«, sagt Zillich zu »nd«. Da die finanzstarke Berlinovo über ausreichend Eigenkapital verfüge, sei es auch nachvollziehbar, dass das Unternehmen »in gewisser Weise in den Blickpunkt rückt«. Das Problem: »Es verfügt nicht über die Planungskapazitäten und das Personal, um zu sagen: Schulbau machen wir jetzt auch noch«, so der Linke-Politiker weiter.
Statt mit dem Aufbau entsprechender Ressourcen unnötig viel Zeit und Geld zu verplempern, sollte die Berlinovo Zillich zufolge auf Vor- und Teilplanungen der landeseigenen Howoge zurückgreifen, die seit 2018 eine eigene Schulbauabteilung mit rund 50 Mitarbeitern aufgebaut und im vergangenen Jahr mit den Arbeiten an den ersten Großprojekten begonnen hat. »Es wäre aus unserer Sicht ein großer Quatsch, wenn man bei der Belinovo das Rad noch einmal neu erfindet«, sagt Steffen Zillich. Und noch etwas gibt er zu bedenken: »Die Berlinovo ist immer noch kein normales Landesunternehmen.«
Dass der Berlinovo von Seiten der Linken ein gewisses Misstrauen entgegenschlägt, kommt letztlich nicht von ungefähr. Denn so finanzstark die einst im Nachgang des hauptstädtischen Bankenskandals als Sammelbecken für marode Fonds gegründete Immobiliengesellschaft inzwischen ist, so schlecht ist es um ihren Ruf als Vermieterin bestellt.
Mietern auf der Fischerinsel in Mitte dürfte noch gut in Erinnerung sein, wie die Berlinovo 2021 nach dem Aus des Mietendeckels die zwischenzeitlich abgesenkte Miete umgehend wieder auf das vorherige überteuerte Niveau anhob. Auch ansonsten gilt die Geschäftspraxis des Unternehmens – freundlich formuliert – als renditegetrieben, wovon horrende Mieten für Studierendenapartments oder Gewerbeflächen zeugen.
Im vergangenen Jahr erklärte der haushaltspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion dann auch, dass er die Leistungen bei der Transformation der Berlinovo anerkenne und die Hürden bei der Neuausrichtung im Bestand sehe. Aber, so der heutige Finanzsenator Daniel Wesener im Juni 2021: »Abzocke darf nicht das Geschäftsmodell für neue Projekte eines städtischen Unternehmens sein.«
Beim von der Berliner SPD-Fraktion umworbenen Schulbaupartner in spe gibt man sich unterdessen wortkarg auf die Frage, ob das Unternehmen mit seinen rund 370 Mitarbeitern überhaupt willens und in der Lage wäre, die ihm zugedachte Mammutaufgabe zu übernehmen. »Als strategischer Immobiliendienstleister für das Land Berlin verfolgen wir engagiert das Ziel, preiswerten Wohnraum für die besonderen Bedarfe von Berlin (Studierende, Beschäftigte von Landesunternehmen und Verwaltungen sowie Senioren) zu errichten«, teilt die Berlinovo auf nd-Nachfrage mit. In diesem Zusammenhang habe man auch schon Kitas und eine Schule errichtet. »Ob und in welchem Umfang die Berlinovo im Rahmen der Schulbauoffensive zukünftig aktiv werden soll, muss nun im politischen Austausch erörtert und festgelegt werden.« Begeisterung klingt anders.
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