Sieg über fossile Konzerne

Frankreich will nach Polen, Spanien und den Niederlanden nun ebenfalls aus dem Energiecharta-Vertrag austreten

  • Ralf Streck
  • Lesedauer: 3 Min.

Spanien hatte kürzlich eine Lawine losgetreten. Dessen Ministerin für den ökologischen Übergang, Teresa Ribera, hatte den »sicheren« Austritt des mit 50 Verfahren besonders viel vor umstrittenen Schiedsgerichten im Rahmen des ECT’s verklagten Landes aus dem Vertrag angekündigt. In dem Reformprozess habe es »keine Verbesserungen« in Bezug auf den Schutz von fossilen Investitionen gegeben, so Ribera. Spanien sieht sich Entschädigungsforderungen im Umfang von zehn Milliarden Euro gegenüber.

Wie unter anderem auch Deutschland hatte Spanien immer wieder tiefgreifende Veränderungen am ECT gefordert. Noch im Mai wurden im Bunde mit den Niederlanden, Polen und Spanien zudem erhebliche Zweifel daran geäußert, ob die EU dazu fähig wäre, den Energiecharta-Vertrag mit dem Pariser Klimaschutz-Abkommen in Einklang zu bringen. Da sich ein Scheitern der Reform abgezeichnet hatte, wurde die Kommission aufgefordert, sich rechtzeitig auf »mögliche Ausstiegsszenarien« vorzubereiten.

Seit letzter Woche kündigt ein bedeutendes EU-Land nach dem anderen seinen Austritt an. Vergangene Woche schlossen sich zunächst die Niederlande an. Rob Jetten, niederländischer Minister für Klima- und Energiepolitik, erklärte im Parlament, die Bemühungen, den Vertrag neu auszuhandeln, seien gescheitert. »Der Auftrag an die Europäische Kommission lautete, den ECT mit dem Pariser Klimaabkommen in Einklang zu bringen.« Trotz der Veränderungen »sehen wir nicht, wie der ECT ausreichend an das Pariser Abkommen angepasst worden ist«. Ein Regierungssprecher bestätigte, dass es sich um eine »endgültige« Entscheidung handele. Man hoffe, »vorzugsweise zusammen mit der gesamten EU den ECT zu kündigen«.

»Der ECT steht endlich vor einer ausgewachsenen Revolte«, erklärte Anna Cavazzini. Die grüne Europaparlamentarierin und Berichterstatterin des Parlaments für den Energiecharta-Vertrag erklärte, die Entscheidung der Niederlande sei folgerichtig. Andere sollten diesem Beispiel folgen, »auch die Bundesrepublik«. Der ECT gefährde die Energiewende und »kostet die öffentliche Hand jetzt schon Milliarden«.

Deutschland war zum Beispiel wegen des Atomausstiegs von Vattenfall vor einem internationalen Schiedsgericht verklagt worden, das 4,7 Milliarden Euro Schadenersatz forderte. Letztlich einigte man sich mit Vattenfall und anderen Energiekonzernen. Der Steuerzahler musste 2,4 Milliarden hinblättern, mit über 1,4 Milliarden erhielt Vattenfall mehr als die Hälfte davon. Für Cavazzini war die Ankündigung der Niederlande von besonderer Bedeutung, »denn das Land war früher einer der entschiedensten Verfechter der Investitionsschiedsgerichte«.

Auch in Frankreich zeichnete sich schon länger ein klarer Ausstiegstrend ab. Der Hohe Rat für das Klima (HCC), welcher der Premierministerin unterstellt ist, hatte vergangene Woche den Ausstieg als am »wenigsten riskante Option« empfohlen, »um nationale, europäische und internationale Klimaverpflichtungen einzuhalten.« Kurz darauf kündigte Macron den Ausstieg an, da der Vertrag auch nach seiner Reform mit den Klimazielen und den »Zeitplänen für die Dekarbonisierung« unvereinbar sei.

Unter den großen EU-Ländern steht Deutschland beim Klimaschutz nun im Regen, da Italien sogar schon 2016 aus dem ECT ausgestiegen war. Der Vertrag war 1998 in Kraft getreten und dazu gedacht, Investitionen in Staaten mit unsicherer Rechtslage in Osteuropa und Zentralasien zu schützen. Allerdings nutzen in 74 Prozent der Fälle nun EU-Investoren den Vertrag, um gegen EU-Mitgliedsstaaten zu klagen. Die Austrittsbestrebungen in Europa hatten vor gut einem Jahr über den Europäischen Gerichtshof (EuGH) Aufwind bekommen. Der hatte im September 2021 festgestellt, dass die Energiecharta für Streitigkeiten zwischen den Mitgliedern der EU unwirksam ist.

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