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Chinesen vor dem Tor zur Welt
Koalition einigt sich auf kleineren Einstieg von Cosco beim Hamburger Hafen
Im Streit innerhalb der Bundesregierung um einen chinesischen Einstieg bei einem Containerterminal im Hamburger Hafen zeichnete sich am Dienstag ein Kompromiss ab. Demnach soll sich die China Ocean Shipping Company (Cosco) an dem Terminal beteiligen dürfen – aber mit einem kleineren Anteil als zunächst geplant. In Regierungskreisen war nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur von einer »Notlösung« die Rede. Zuvor soll die Bundesregierung Kontakt zur chinesischen Regierung aufgenommen haben. Diesen Mittwoch dürfte im Kabinett das Thema wohl abschließend besprochen werden. Kanzler Olaf Scholz (SPD) will kommende Woche nach Peking reisen.
Bereits im September vergangenen Jahres hatten sich die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) und der Logistikkonzern Cosco auf eine 35-Prozent-Beteiligung am Containerterminal Tollerort (CTT) geeinigt. Seither prüfen Behörden in Europa und China den geplanten Zusammenschluss. Außen- und Wirtschaftsministerium in Berlin sollen sich gegen eine Beteiligung der Chinesen ausgesprochen haben. Zuletzt hatte Cosco dagegen gehalten: In einer Börsenmitteilung wies der zweitgrößte Logistikkonzern der Welt darauf hin, dass die Beteiligung bis zum 31. Dezember zum Abschluss kommen müsse.
Mit der Minderheitsbeteiligung werde der Hafen zu einem »Preferred Hub« in Europa, also einem bevorzugten Umschlagsplatz für Cosco, so die positive Sicht in der Hafenwirtschaft. HHLA und Cosco verfolgen gleichermaßen das Ziel »einer erfolgreichen Zukunftssicherung des CTT und noch stärkeren Verzahnung chinesischer Logistikströme am Standort Hamburg«, ließ sich HHLA-Chefin Angela Titzrath zitieren. Auch der rot-grüne Senat von Peter Tschentscher (SPD) begrüßt den China-Deal des teilstaatlichen Hafenbetreibers, der für zwei Drittel des Umschlags an der Elbe steht.
China ist seit Längerem der mit Abstand wichtigste Kunde des Hafens. Jeder dritte Container kommt aus China oder wird dorthin verfrachtet. Mehr als 1,3 Millionen Container waren es allein im ersten Halbjahr – die Nummer zwei, die Vereinigten Staaten, bringt es gerade einmal auf 0,3 Millionen. Umgekehrt ist das selbsternannte »Tor zur Welt« für Chinas Exportwirtschaft seit Langem das Tor nach Europa, Hunderte Firmen haben hier ihre Niederlassung. Inzwischen gilt die Hansestadt außerdem als eine der wichtigsten Endstationen der Neuen Seidenstraße, mit der die Regierung Xi Jinpings strategische Interessen verfolgt.
Doch was in Politik und Wirtschaft lange Zeit als Win-Win-Situation wahrgenommen wurde, gilt spätestens seit den militärischen Drohgebärden von Staatspräsident Xi Jinping gegenüber Taiwan als gravierendes Risiko und soll offiziell reduziert werden. Im ersten Halbjahr fand allerdings das Gegenteil statt: Die deutschen Direktinvestitionsflüsse nach China waren noch nie so hoch, geht aus einer Studie des unternehmensnahen Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln hervor. Auch die Importe aus der Volksrepublik und das deutsche Defizit im Handel mit China erreichten ein Allzeithoch.
Der Cosco-Einstieg beschäftigt die Bundesregierung seit Monaten. Für einige Koalitionspolitiker wie den Grünen-Außenpolitiker Anton Hofreiter scheint die Sache einfach: Keinerlei vermeintlich kritische Infrastruktur dürfe in chinesische Hände geraten, auch nicht in Teilen. Hofreiter lehnt daher selbst eine chinesische Beteiligung von 24,9 Prozent ab. Zwar hätte China damit »deutlich weniger Einfluss« als bei einem Anteil von 35 Prozent. »Aber es wäre weiter kritisch, denn wir hätten weiterhin ein diktatorisches Regime, das mit Hilfe von Staatskonzernen sich bei uns in Infrastruktur einkauft.«
Das ist allerdings längst geschehen. Cosco, dessen Kern eine der größten Reedereien der Welt bildet, hat in den vergangenen Jahren mehrere Beteiligungen an Häfen in Europa erworben. 2016 hatte die Übernahme des griechischen Hafens von Piräus noch international für Kritik gesorgt. Mittlerweile hat sich Cosco unter anderem auch an Terminals in Duisburg, Rotterdam und Antwerpen beteiligt. Letztere sind die größten Rivalen des Hamburger Hafens. Hafenbetreiber und Reedereien versprechen sich von solchen Beteiligungen einen reibungslosen Umschlag und mehr Umsatz. So ist die HHLA ihrerseits in Tallinn, Triest und Odessa beteiligt.
Die Unterschiede zwischen den Beteiligungshöhen sind in der unternehmerischen Praxis gravierend. Mit 35 Prozent hätte Cosco zwar auch nur eine Minderheitsbeteiligung, aber doch erheblichen Einfluss, da sie bei wichtigen Entscheidungen über eine Sperrminorität verfügte. Eine Sperrminorität besteht laut Aktiengesetz, wenn ein Anteilseigner mehr als 25 Prozent des Kapitals eines Unternehmens besitzt: Nichts ginge dann gegen den Willen des chinesischen Konzerns, dessen europäischer Hauptsitz in Hamburg liegt. Mit einer Beteiligung von lediglich 24,9 Prozent könnte Cosco als Minderheitsaktionär keinen direkten Einfluss auf die Geschäftsführung ausüben.
Bundeskanzler Olaf Scholz, der frühere Hamburger Bürgermeister, der viele Jahre in der Nähe des Hafens wohnte, betonte zuletzt, dass noch viele Fragen geklärt werden müssten. Er wies zudem darauf hin, dass es nicht um einen Verkauf des Hafens gehe. Es gehe um eine Beteiligung an dem kleinsten von vier Containerterminals. Linie von Robert Habecks (Grüne) Wirtschaftsministerium war es offenbar, das Geschäft unter Verweis auf Sicherheitsrisiken zu untersagen. Das Kanzleramt drängte aber laut Medienberichten darauf, dass der Einstieg zustande kommt.
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