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Nordirland wählt erneut
London reagiert auf die politische Blockade im Parlament des britischen Landesteils
Binnen zwölf Wochen wird Nordirland zum zweiten Mal innerhalb von weniger als acht Monaten zur Wahlurne gehen. Als wahrscheinliches Datum der von Nordirland-Staatsekretär Chris Heaton-Harris angesetzten Abstimmung gilt der 15. Dezember. Die Wahl ist die Reaktion auf eine festgefahrene politische Situation.
Am Donnerstag war ein letzter Versuch gescheitert, den Stillstand zu überwinden. 30 Abgeordnete des Regionalparlaments Stormont in Belfast, angeführt von der republikanischen Sinn Féin (SF), hatten Parlamentspräsident Alex Maskey veranlasst, eine Sondersitzung einzuberufen. Es war der vierte erfolglose Anlauf, einen Parlamentssprecher zu wählen. Dies ist eine Vorbedingung für die Bildung einer Regierung. Das Karfreitagsabkommen von 1998 verlangt, dass für eine Wahl auch von der zweitstärksten Partei ein Sprecher nominiert wird. Seit dem SF-Wahlsieg im Mai ist dies die Democratic Unionist Party (DUP).
Sie boykottiert seither die Parlamentsarbeit. Im Februar trat Regierungschef Paul Givan (DUP) aus Protest gegen das Nordirland-Protokoll zum Brexit-Vertrag zurück. Seither hat Nordirland keine funktionierende Regierung. Durch das Brexit-Zusatzprotokoll erhielt die Provinz eine Sonderstellung, die sie im Europäischen Binnenmarkt behält. Unter nordirischen Unionisten führte dies zu Protesten, da sie keine Andersbehandlung von Großbritannien wünschen. Die nun notwendigen Warenkontrollen in der Irischen See bezeichnen sie als eine »ökonomische Wiedervereinigung Irlands«.
Im Bemühen um eine Lösung hatte sich Staatssekretär Heaton-Harris am Mittwoch in Belfast mit den Vorsitzenden der fünf größten Parteien getroffen. Der neue britische Regierungschef Rishi Sunak rief die DUP auf, ihren Boykott zu beenden: »Wir fordern die DUP dringend dazu auf, nach Stormont zurückzukehren, weil die Menschen in Nordirland eine voll funktionsfähige und lokal gewählte Regierung verdienen, die auf ihre Probleme reagieren kann.«
Die DUP wies alle Appelle zurück. Ihr Wahlleiter Gordon Lyons erklärte in Reaktion auf die Einberufung der Sondersitzung: »Wir brauchen nicht solche PR-Stunts, sondern Nordirland braucht eine langfristige Lösung, die von Unionisten unterstützt werden kann. (…) Sinn Féin hat die unionistischen Warnungen seit zwei Jahren ignoriert.« Wieso Lyons SF erwähnt, ist unklar, denn die DUP verlangt eine vollständige Rücknahme des Nordirland-Protokolls. Das liegt in der Hand von London und Brüssel. Die beiden Seiten verhandeln seit kurzem erstmals seit Februar wieder über das Protokoll – vor dem Frühjahr 2023 ist keine Einigung in Sicht.
Die DUP will mit ihrem Boykott auch verhindern, dass Michelle O’Neill (SF) Regierungschefin wird. Sinn Féin steht das Amt nach dem Wahlsieg zu. Am Donnerstag verkündete DUP-Chef Jeffrey Donaldson im Stormont: »Wir haben bei den Parlamentswahlen ein klares Mandat erhalten und wir werden keine Minister für eine Regierung ernennen, bis entschiedene Maßnahmen zum Protokoll ergriffen werden, um die Handelshemmnisse in unserem Land zu beseitigen und unseren Platz im Binnenmarkt des Vereinigten Königreichs wiederherzustellen.«
In ihrer Rede erklärte O’Neill: »Die Leute schauen heute fassungslos auf uns, während sie zur Arbeit gehen, und sie wollen, dass ihre Politiker dasselbe tun. Die meisten von uns hier wollen die Arbeit machen, für die sie gewählt wurden.« Eine Rückkehr zur Londoner Direktherrschaft stelle keine Option für ihre Partei dar. Stattdessen verlangt sie eine gemeinsame Verwaltung von Dublin und London, bis es eine Regierung in Belfast gibt. An diesem Freitag verlieren alle bisherigen Minister automatisch ihre Posten.
Bei den Neuwahlen wird SF voraussichtlich abermals stärkste Partei werden. Zugewinne kann die liberale Alliance Party erwarten. Laut einer aktuellen Studie der Queens University unterstützen 54 Prozent der Nordiren das Brexit-Protokoll und nur 34 Prozent begrüßen den DUP-Boykott.
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