Kuba begehrt gegen die US-Blockade auf

Havanna beziffert vor UN-Generalversammlung den Schaden auf 15 Millionen Dollar täglich

  • Andreas Knobloch, Havanna
  • Lesedauer: 4 Min.

Seit 60 Jahren ist die US-Blockade gegen Kuba in Kraft, seit 30 Jahren wird sie in der UN-Generalversammlung mit klarer Mehrheit verurteilt. Am 2. und 3. November steht die Debatte über die US-Blockade in der Generalversammlung der Vereinten Nationen an. Um sie mit Fakten zu unterfüttern, hat Kuba einen Bericht über die Folgen der Maßnahme vorgelegt. Kubas Außenminister Bruno Rodríguez forderte dabei erneut die Aufhebung der Sanktionen.

Die Zahlen sind aussagekräftig: Zwischen August 2021 und Februar dieses Jahres verursachte die US-Blockadepolitik auf der Insel Verluste in Höhe von 3,81 Milliarden US-Dollar. In den ersten 14 Monaten der Amtszeit von US-Präsident Joe Biden habe die Summe bei 6,36 Milliarden US-Dollar gelegen, sagte Rodríguez bei der Vorstellung des jährlichen Blockadeberichts vor ausländischen Medienvertretern Ende Oktober in Havanna. »Mehr als 454 Millionen US-Dollar pro Monat; mehr als 15 Millionen US-Dollar pro Tag«, bezifferte Rodríguez die Schäden für sein Land. Trotz Ankündigungen durch die Biden-Regierung habe sich die Blockade weder im Umfang noch in der Tiefe geändert, sagte er. Sie sei sogar aggressiver als in der Vergangenheit. »Die Blockade ist die permanente Pandemie, der ständige Wirbelsturm.«

Zwar gab es in den Beziehungen zu den USA in den vergangenen Monaten etwas Bewegung: Beide Seiten nahmen Mitte April die seit 2018 unterbrochenen Migrationsverhandlungen wieder auf. Anfang Juni hob die Regierung Biden einige der von der Trump-Administration verhängten Beschränkungen für Überweisungen und Reisen nach Kuba auf. Ab Januar soll die Visaabteilung der US-Botschaft in Havanna laut einer Ankündigung ihre Dienste wieder vollständig aufnehmen. Die praktischen Auswirkungen bleiben aber bislang mehr als gering, so fehlt beispielweise ein Finanzdienstleister, der die Rücküberweisungen der Auslandskubaner abwickeln könnte.

»Präsident Bidens Kuba-Politik ist bedauerlicherweise dieselbe wie die der Republikaner (unter Trump, d. Red.). Es wurden keine Änderungen vorgenommen«, sagte Rodríguez. Die Vereinigten Staaten hätten die »moralische Pflicht«, Kuba Ausnahmeregelungen zu gewähren, so wie sie es mit anderen Ländern während der Pandemie und bei Naturkatastrophen getan hätten, so der Außenminister.

Ende September hatte Wirbelsturm Ian als Hurrikan der Kategorie drei von fünf mit heftigen Regenfällen und Windgeschwindigkeiten von mehr als 200 Stundenkilometern den Westen Kubas heimgesucht und gewaltige Schäden angerichtet. Mindestens drei Menschen waren ums Leben gekommen; mehr als die Hälfte der Gebäude der Provinz Pinar del Río waren beschädigt oder zerstört worden. Infolge des Wirbelsturms war die Stromversorgung auf der gesamten Insel vollständig zusammengebrochen.

Washington kündigte an, über die US-Behörde für internationale Entwicklung (USAID) zwei Millionen US-Dollar an humanitärer Hilfe auf die Insel zu schicken. Rodríguez bedankte sich für die Geste und bestätigte zudem die Lieferung von 43 Feuerlöschanzügen nach einem Großbrand im wichtigsten Treibstofflager des Landes in Matanzas Anfang August, bei dem insgesamt 16 Menschen gestorben waren. Zugleich machte er klar, dass die US-Regierung »mit Hilfe ihrer Exekutivbefugnisse Maßnahmen zur Aufhebung oder Lockerung der Blockade in Dutzenden von Bereichen ergreifen könnte«.

In der folgenden Frage- und Antwortrunde kritisierte Rodríguez erneut, dass Kuba von den USA als »terrorfördernder Staat« eingestuft werde, und forderte die Rücknahme der Entscheidung. Aktuell befinden sich neben Kuba noch Syrien, Nordkorea und der Iran auf der US-Terrorliste. Die Aufzählung macht klar, dass es sich um ein politisches Thema handelt.

Die Konsequenzen daraus bekommen aber selbst europäische Reisende in die USA zu spüren. Denn sie müssen nun ein Einreisevisum beantragen, wenn sie zuvor nach Kuba gereist sind. Wer als Europäer*in in die USA reisen möchte, beantragt in der Regel im Rahmen des Visa Waiver Programs die Einreisegenehmigung ESTA (Electronic System for Travel Authorization), die für zwei Jahre gültig ist. Das reicht nun bei vorheriger Kuba-Reise nicht mehr aus – und hängt mit Kubas Einstufung als »terrorfördernder Staat« durch die US-Regierung im Januar 2021 zusammen. Auf der Webseite der US-Einwanderungsbehörde heißt es: »Wenn sich herausstellt, dass ein Reisender ein Land besucht hat, das als staatlicher Sponsor des Terrorismus bezeichnet wird, ist der Reisende nicht mehr berechtigt, am Programm für visumfreies Reisen teilzunehmen, und muss ein Visum für die Einreise in die Vereinigten Staaten beantragen.« Was damit erreicht werden soll, ist klar: Unsicherheit schüren und den kubanischen Tourismussektor treffen.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!
- Anzeige -
Dazu passende Podcast-Folgen:
  • Midterms
    Der 8. November entscheidet über die Zukunft der USA: rechtsextreme Präsidentschaft oder hauchdünne demokratische Mehrheit
    • Länge: 00:13:08 Stunden

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.