Rot-Grün in Niedersachen droht Ärger mit Isegrim

Beim künftigen Umgang mit Wölfen könnte es zwischen SPD und Grünen in Niedersachsen Probleme geben

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 4 Min.

Auf die jüngste Klatsche für Niedersachsens Noch-Umweltminister Olaf Lies (SPD) reagierten die Grünen als künftige Regierungspartei bislang nicht öffentlich: Das Verwaltungsgericht Oldenburg verbot am vergangenen Freitag zumindest vorerst den zuvor vom Land genehmigten Abschuss eines Wolfes aus dem sogenannten Friedeburger Rudel im ostfriesischen Landkreis Wittmund. Mit dem Urteil gab das Gericht einem Antrag des »Freundeskreises freilebender Wölfe« auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes statt. Erst im März hatte dasselbe Gericht ebenfalls in einem Eilverfahren geurteilt, dass Wölfe aus den in freier Wildbahn lebenden Rudeln bei Garlstedt im Kreis Osterholz-Scharmbeck und Schiffdorf im Kreis Cuxhaven zunächst nicht abgeschossen werden dürfen und damit den Anträgen von zwei Naturschutzverbänden stattgegeben.

Darüber hatten sich die Grünen als Oppositionspartei noch überaus erfreut gezeigt. Das Gericht habe Lies die »Rote Karte« gezeigt, sagte der Abgeordnete – und nun designierte Umweltminister – Christian Meyer damals. »Die willkürliche Jagdpraxis des SPD-Umweltministers mit bislang sechs Fehlabschüssen ist damit auf der ganzen Linie gescheitert.« »In keinem anderen Bundesland werden so viele Wölfe erschossen wie in Niedersachsen«, so Meyer. »Kein einziger war in der Amtszeit von Minister Lies ein gesuchter Problemwolf. Was die Große Koalition hier tut, ist kein Wolfsmanagement, sondern eine unverhohlene rechtswidrige Wolfsjagd.«

Das trifft nach Ansicht des »Freundeskreises« auch für den Wolf aus dem Rudel Friedeburg zu. Der dem Umweltministerium in Hannover unterstellte Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) hatte am 14. September eine Ausnahmegenehmigung zur »lethalen Entnahme« des Rüden mit der Kennung GW2888m erteilt. Er soll seit dem Sommer in sechs Herden insgesamt sieben Rinder gerissen haben.

Weil eine Identifizierung dieses Wolfes in der Landschaft schwierig oder gar unmöglich sei, gestattete der NLWKN in einer Nebenbestimmung zugleich den Abschuss auch anderer Wölfe aus dem Rudel. Das wurde vom Gericht nun gerügt. »Das Gericht hat das Leben des Wolfes vorerst verlängert und auf geltendes Recht hingewiesen«, sagte der Freundeskreis-Vorsitzende Ralf Hentschel „nd.derTag». »Das Verfahren wurde gewonnen, diese Wolfsjagd untersagt.«

Minister Lies, der dem Vernehmen nach künftig das Wirtschaftsressort leiten wird, missfällt das Urteil, er kündigte umgehend Beschwerde beim Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht an. »Wir begründen die Ausnahmengenehmigungen bereits mit größtmöglicher Sorgfalt«, sagte er. »Das Oldenburger Gericht verlangt hier allerdings einen noch wesentlich restriktiveren Weg, der künftige Abschüsse faktisch unmöglich machen könnte.« Dass das Land die Abschussgenehmigungen sorgfältig begründet, wird vom »Freundeskreis« stark in Zweifel gezogen. Alle in den vergangenen Jahren erteilten Ausnahmegenehmigungen zur Tötung von Wölfen aus angeblich »besonders auffälligen Rudeln« seien »weder wahrheitsgemäß noch fach- und sachgerecht begründet« worden, sagt Wolfsschützer Hentschel. Im Übrigen gelte: »Problemwölfe sind Hirngespinste, in der Realität existieren lediglich Problemzäune«. Herdenschutz sei zumutbar und umsetzbar. Gerade in Niedersachsen würden Wölfe aufgrund fahrlässig nicht angewandter Schutzmaßnahmen »auf große Huftiere geradezu konditioniert«.

Wie auch immer das Beschwerdeverfahren ausgeht – es zeichnet sich ab, dass die Wölfe zum Konfliktthema in der rot-grünen Koalition werden könnten. In dem Bundesland leben – nach Brandenburg – deutschlandweit die zweitmeisten Rudel, 44 sogenannte Wolfsterritorien sind in Niedersachsen bestätigt. CDU und FDP, das Landvolk und einige Tierhalterverbände machen seit Jahren massiv Stimmung gegen die Ausbreitung der Tiere und haben Noch-Umweltminister Lies Beobachtern zufolge dabei immer mehr vor sich hergetrieben. Zuletzt machte sich der Minister sogar die Forderung nach einer »Obergrenze« für Wölfe zu eigen. Während die SPD diesen Kurs zumindest nach außen hin stets mittrug, hatten die Grünen politisch und juristisch dagegen mobilisiert.

Es ist absehbar, dass die bei der Landtagswahl in die Opposition verbannte Union und das mit ihr verbandelte Landvolk ihre Kampagne für eine für Wolfsabschüsse und »wolfsfreie Zonen« in dem Bundesland künftig noch verschärfen werden. Schon am 10. November wollen Schäfer das nächste Zeichen gegen die Ausbreitung der Wölfe und die »Ignoranz der Politik« setzen. Die Aktion steht unter dem Motto »Lichter gegen das Vergessen«. Die Teilnehmer würden am Vorabend des St. Martins-Tages mit Kerzen in den Fenstern, Feuerschalen und Lichterketten um Weiden und Höfe für ihr Anliegen demonstrieren, kündigt das Landvolk an.

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