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Vor dem nächsten Jumbo-Schritt
US-Notenbank Fed setzt Maßstäbe für die anderen westlichen Zentralbanken
Die Fed hat im September erstmals einen Verlust verbucht. »Erwartungsgemäß«, wie aus dem Protokoll der letzten Ausschusssitzung der amerikanischen Notenbank hervorgeht. In den ersten beiden Oktoberwochen wurden weitere Verluste von sechs Milliarden Dollar verbucht. Die Gewinnüberweisung an das US-Finanzministerium in Washington, die sich noch Anfang des Jahres auf zwölf Milliarden Dollar pro Monat belief (gut zwölf Milliarden Euro), fällt damit aus.
Der Grund für diese Entwicklung ist, dass die US-Notenbank als Reaktion auf die hohe Inflation ihre Leitzinsen in diesem Jahr bereits um 300 Basispunkte angehoben hat, was drei Prozentpunkten entspricht. Der Zinssatz, den die Fed den Banken auf ihre Zentralbankguthaben zahlt, steht jetzt bei 3,15 Prozent. Und das wird sich – zur Freude der privaten Banken – so schnell auch nicht ändern. Nach der Sitzung des sogenannten Offenmarktausschusses der Fed wird Präsident Jerome Powell diesen Mittwoch einen weiteren großen Jumbo-Zinsschritt in Höhe von 75 Basispunkten verkünden. So lauten jedenfalls die Erwartungen vieler Finanzanalysten.
Absehbare weitere Zinserhöhungen werden das Ertragsproblem der Fed in den nächsten Monaten weiter verschärfen. So erwarten die Commerzbank-Volkswirte den Leitzinsgipfel erst bei fünf Prozent. Gewinnerzielung ist für eine Notenbank allerdings zweitrangig. Vorrangige Ziele der Fed sind Vollbeschäftigung und Preisstabilität. Letzteres sieht die Notenbank bei einer Inflationsrate von zwei Prozent als gegeben an. Die Fed kann zudem nicht »pleitegehen«. Sie würde weiter funktionieren, auch wenn Verluste ihr komplettes Eigenkapital aufgezehrt hätten. Schließlich wird sie nicht zahlungsunfähig, sie kann sich Geld drucken, und sie hat Verbindlichkeiten ausschließlich in eigener Währung.
Vor ähnlichen Herausforderungen steht in dieser Woche die Bank von England (BoE), auf absehbare Zeit aber auch andere westliche Notenbanken. So meldete in dieser Woche bereits die Schweizerische Nationalbank (SNB) einen Rekordverlust. Lediglich Japans Zentralbank hielt bislang an niedrigen Leitzinsen fest und schwimmt daher weiter in der Gewinnzone.
Verluste mögen ökonomisch zweitrangig sein, politisch können sie zum Problem werden. Die Fed hatte zuletzt jährlich über 100 Milliarden Dollar an Gewinn an den Staat abgeführt. Dies entspricht immerhin zwei bis drei Prozent der Einnahmen der US-Bundesregierung. Ein mehrjähriger Ausfall dieser Überweisungen würde den fiskalischen Spielraum der Regierung von US-Präsident Joe Biden weiter einengen. Jener wird ohnehin durch die steigenden Zinslasten reduziert, für welche die Fed aufgrund ihrer restriktiveren Geldpolitik mitverantwortlich gemacht wird. Entsprechend würde die Fed wohl unter zunehmenden politischen Druck geraten. Dies dürfte auch Christine Lagarde und ihrer Europäischen Zentralbank (EZB) bevorstehen. Schließlich würden noch weiter steigende Zinssätze hochverschuldete Eurostaaten wie Italien oder Griechenland finanziell hart treffen.
Der frühere Konjunkturchef des Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Professor Joachim Scheide, warnte am Dienstag vor den sich mehrenden Stimmen, die eine »Stabilisierungsrezession« befürchten: Weiter steigende Leitzinsen, mit denen Notenbanken die Preise zu stabilisieren hoffen, könnten die Wirtschaft in eine noch tiefere Rezession stürzen, als sich ohnehin bereits abzeichnet.
Doch während in der Eurozone die EZB der »importierten Inflation« durch die seit 2021 steigenden Energie- und Rohstoffpreise eher hilflos gegenüber steht, wird die Inflation in den Vereinigten Staaten vor allem durch die starke Binnennachfrage und wachsende Exporte von Energie beflügelt, die es den Unternehmen erlauben, Preise nach oben zu treiben und auf den Märkten durchzusetzen. Die US-Wirtschaft ist im dritten Quartal um 2,6 Prozent gegenüber dem Vorquartal gewachsen.
Gleichzeitig sanken jedoch die Bauinvestitionen. Der Wohnungsbau erlitt sogar einen Einbruch um 26,4 Prozent. Die Wohnungsbauinvestitionen sind seit nunmehr sechs Quartalen rückläufig. Bauinvestitionen, darauf wies kürzlich Ökonom Rudolf Hickel eindrücklich hin, reagieren besonders empfindlich auf Zinserhöhungen und sind damit ein wesentlicher Transmissionsriemen einer restriktiveren Geldpolitik in die Realwirtschaft. Anfang 2023 dürfte folglich auch die US-Wirtschaft in eine Rezession schlittern, wenn sich die volle Wirkung der Zinserhöhungen der Fed zeigt, erwarten Analysten.
Die Stärke des Dollars sorgt an den weltweiten Devisen- und Finanzmärkten aktuell für Verwerfungen, wie es sie seit der Finanzkrise vor anderthalb Jahrzehnten nicht mehr gegeben hat. Anleger suchen den Dollar als sichere Anlage in schwierigen Zeiten, und die US-Wirtschaft gilt im Vergleich zu Westeuropa als krisenfester. Es liegt aber auch an der aggressiven Zinspolitik der US-Notenbank. Andere Zentralbanken setzt dies zusätzlich unter Druck: Sie müssen ihre Zinsen stärker erhöhen, um ihre Währungen zu stabilisieren und die Inflation zu bekämpfen. Damit bremsen sie die ohnehin lahmende Wirtschaft zusätzlich ab.
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