- Berlin
- Mieterbeiräte
SPD macht gut Wetter bei Mietern
Wohnraumversorgung Berlin ist nach längerer Zeit wieder arbeitsfähig
»Wir stehen an Ihrer Seite. Wir wollen, dass die Wohnraumversorgung Berlin ein Erfolg wird«, sagt Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) bei der Eröffnung der 6. Konferenz der Berliner Mieterräte und -beiräte. Mit 115 Anmeldungen weist die jährlich veranstaltete Konferenz, die der Vernetzung und Diskussion der Vertreterinnen und Vertreter der Mieterschaft der sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften dient, diesmal eine Rekordbeteiligung auf.
Insgesamt gibt es neben den sechs Mieterräten, von denen je ein Mitglied stimmberechtigt in den Aufsichtsrat jedes einzelnen Unternehmens entsandt wird, auch 135 Mieterbeiräte mit 599 Mitgliedern, die auf Quartiersebene die Interessen von Mieterinnen und Mietern vertreten. Die Konferenz fand am Mittwoch vom Nachmittag bis in den Abend in der Kreuzberger Forum Factory nahe dem Checkpoint Charlie statt.
Der Stadtentwicklungssenator macht in seiner rund halbstündigen Rede – angekündigt war ein fünfminütiges Grußwort – noch weitere, konkretere Zusagen. So möchte er zügig das Wohnraumversorgungsgesetz novellieren. »Ein wichtiger Schritt wäre, in einer Novelle die Mieterbeiräte zu verankern«, sagt Geisel.
Das Gesetz ist das Ergebnis des Mietenvolksentscheids von 2015. Unter anderem sah es die Einrichtung der Wohnraumversorgung Berlin (WVB) als Anstalt des öffentlichen Rechts vor, die die Landes-Wohnungsunternehmen beraten und kontrollieren soll. Auch die Mieterräte wurden mit dem Gesetz etabliert. Die Mieterbeiräte, die bereits vorher existierten, werden aber nicht erwähnt. Somit hängt die Einflussmöglichkeit vom Willen der einzelnen Wohnungsbaugesellschaft ab – und der ist sehr unterschiedlich ausgeprägt.
Geisel berichtet zudem davon, dass im am Dienstag vom Senat beschlossenen Nachtragshaushalt für das kommende Jahr 33 Millionen Euro für Eigenkapitalzuschüsse an die Wohnungsbaugesellschaften vorgesehen sind. Ein Drittel davon ist als Ausgleich gedacht für den kürzlich verkündeten Mietenstopp für ein Jahr, den die Stadtentwicklungsverwaltung nach massivem Druck der Grünen verkündet hatte. Der Rest soll Fehlbeträge bei Ankäufen und wegen der enorm gestiegenen Baukosten und Zinsen ausgleichen. Damit steigt Berlin nun direkt in die Finanzierung der Unternehmen ein, wie es Die Linke in letzter Zeit immer vehementer forderte.
Nicht zuletzt verkündet Geisel, dass die zwei Vorstandsposten der WVB nun endlich wieder besetzt sind. Nachdem der SPD-Politiker Volker Härtig seinen Posten Ende Mai geräumt hatte, führte niemand mehr die Behörde. Härtig war Ende 2020 von der damals SPD-geführten Finanzverwaltung entsandt worden, was als Vorgeschmack auf die Politik der später zur Regierenden Bürgermeisterin gewählten SPD-Frau Franziska Giffey verstanden werden konnte. Wegen der Blockade des Gremiums durch Härtig warf die aus der Mietenbewegung stammende Co-Vorständin Ulrike Hamann im Frühjahr das Handtuch. Seit Juni ist sie Geschäftsführerin des Berliner Mietervereins.
Nun soll für die Finanzverwaltung Dieter Schippers den Posten übernehmen. Er sei 20 Jahre dort für die Liegenschaftspolitik und Immobilienverwaltung zuständig gewesen, erklärt er. Für die Stadtentwicklungsbehörde wird Sandra Obermeyer WVB-Vorständin. Die Parteilose war für Die Linke zunächst Bezirksstadträtin in Mitte, bevor sie 2018 noch unter Senatorin Katrin Lompscher (Linke) Leiterin der Abteilung Wohnungswesen, Wohnungsneubau, Stadterneuerung, Soziale Stadt wurde. Das wurde damals als Besetzung nach Parteibuch und nicht nach Qualifikation von Mitgliedern der SPD angegriffen. Unter SPD-Senator Andreas Geisel ist sie ohne öffentlichen Aufschrei versetzt worden; seit August führt SPD-Mitglied Jochen Lang wieder die Abteilung. Er hatte denselben Posten im März 2018 verlassen und war in die Senatskanzlei gewechselt.
Gesobau-Mieterin und Mieterbeirätin Heike Külper hat den Umgang der SPD mit der Mietenbewegung nicht vergessen. »Ich habe Ihre Rede mit Interesse gehört, Herr Geisel, aber vieles davon hätte man schon machen müssen«, entgegnet sie auf dem Podium auf die Rede des Senators. Sie geht auf die fehlende gesetzliche Regelung der Aufgaben der Mieterbeiräte ein. »Wir haben unsere Vorschläge erarbeitet, aber leider wurde die Novelle vor der Wahl nicht zur Abstimmung gebracht. Die SPD war federführend bei der Verhinderung dieses Verfahrens«, erinnert sie.
Tatsächlich lag im Sommer 2021 ein Entwurf für die Novelle des Wohnraumversorgungsgesetzes vor, auf den sich die Koalitionspartner SPD, Linke und Grüne einigen konnten. Unter anderem, weil die Sozialdemokraten sich am Wort »Mitbestimmung« störten, wurde es durch den Begriff »Mitwirkung« ersetzt. Nichtsdestotrotz: Laut aktuellem Koalitionsvertrag hätte das überarbeitete Gesetz im ersten Halbjahr 2022 längst verabschiedet werden sollen.
Die Initiativgruppe Mieterbeiräte, deren Mitglied Külper ist, erinnerte dann auch alle beteiligten Parteien in einem Brief an die Verabredung. Von Grünen und Linken habe es Zustimmung gegeben. Doch die Verwaltung von Geisel habe gebremst. »Durch eine zu genaue gesetzliche Regulierung könnten die Mieterbeiräte überfordert werden«, zitiert sie aus dem Antwortschreiben. »Das war uns zu viel«, ereifert sie sich.
»Sie könnten eigentlich sofort loslegen mit der Abstimmung. Sie müssen gar nicht auf die Wahlwiederholung warten«, fordert sie vom SPD-Senator. Und erklärt: »Wir verstehen die ablehnende Haltung überhaupt nicht. Denn niemand muss etwas opfern.« Die Rolle der Mieterbeiräte sei in den entsprechenden Leitlinien bereits aufgeschrieben und von den Landes-Wohnungsunternehmen akzeptiert.
»Die Linksfraktion will diese Reform noch bis Ende des Jahres umsetzen und die Mitbestimmungsrechte der Mieterbeiräte gesetzlich verankern. Die Koalition steht gegenüber den Mieterbeiräten in der Bringschuld. Wir müssen endlich liefern«, sagt Niklas Schenker, Mietenexperte der Linken im Abgeordnetenhaus. Kommende Woche wollen SPD, Grüne und Linke in einem Koalitionsausschuss darüber, aber auch über die noch ausstehende neue Kooperationsvereinbarung von Senat und Landes-Wohnungsunternehmen sprechen. »Ich gehe davon aus, dass wir in Koalitionsrunden in der nächsten Zeit in der Lage sind, uns zu einigen. Wir haben es uns fest vorgenommen«, versichert Senator Geisel. Welcher politische Tauschhandel die Basis sein wird, steht auf einem anderen Blatt.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.