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- 1. FC Union Berlin
Die Reise in der Europa League geht weiter
Nach der erfolgreichen Gruppenphase könnte es für die Eisernen nun gegen die ganz großen Gegner gehen
Im Fanartikel-Shop des 1. FC Union Berlin konnte man am Donnerstag ein Schnäppchen machen. Die drei Tassen mit den Logos der Gegner in der Gruppenphase der Europa League – Royale Union Saint-Gilloise, Sporting Braga und Malmö FF – wurden im Set für 25,90 Euro zum Preis von zwei angeboten. Ein schlechtes Omen war dies nicht. Nach dem 1:0-Erfolg bei Saint-Gilloise am Donnerstagabend geht die Reise durch die Europa League weiter. Die Eisernen sicherten sich im Fernduell mit Sporting Braga Rang zwei in der Gruppe D hinter dem erstmals verlierenden Gruppensieger Saint-Gilloise.
Union ist am kommenden Montag in Nyon im Uefa-Lostopf. In den Playoff-Spielen zum Achtelfinale treffen die acht Gruppenzweiten der Europa League auf einen der Dritten der Champions League. Mögliche Gegner sind Ajax Amsterdam, FC Barcelona, Sporting Lissabon, RB Salzburg, Schachtjor Donezk, FC Sevilla oder Juventus Turin. »Die Namen klingen alle sehr gut. Ich habe keinen speziellen Wunsch. Es sind so tolle Vereine dabei«, sagte Siegtorschütze Sven Michel.
Auf Bayer Leverkusen, das nach dem Aus in der Champions League ebenfalls in den Playoffs zur Europa League ran muss, kann Union frühestens im Viertelfinale treffen. Vorher schließt die Uefa Paarungen zweier Vereine aus einem Land aus. Zufällig geht es aber schon am Sonntag zum Bundesliga-Duell nach Leverkusen. Bis dahin lässt es sich durch den Erfolg im Europacup leichter regenerieren. Abzuwarten bleibt, ob Torwart Frederik Rönnow und Mittelfeldmann Andras Schäfer einsatzbereit sind. Rönnow musste zur Pause wegen Oberschenkelproblemen durch Lennart Grill ersetzt werden. Schäfer humpelte nach Abpfiff vom Rasen.
Dennoch überwog nach dem vierten 1:0-Erfolg auf internationalem Terrain in Folge die Freude. »Ich bin überglücklich über das, was die Mannschaft einmal mehr geleistet hat. Wenn ich an den Start mit zwei Niederlagen zurückdenke, sah es nicht so gut aus«, erinnerte sich Trainer Urs Fischer. »Wie die Mannschaft zurückgekommen ist, spricht für die Mentalität, Bereitschaft und Willen der Jungs.« Das wurde im Den Dreef Stadion auch von rund 150 Union-Fans honoriert, die gar nicht hätten da sein dürfen. Die Pyroausschreitungen bei der Partie am 6. Oktober bei Malmö FF hatten zum einen die Uefa veranlasst, eine Geldstrafe in Höhe von 40 000 Euro zu verhängen. Zudem durfte Union keine Gäste-Tickets für das Spiel gegen Saint-Gilloise in Leuven verkaufen.
Der Bürgermeister von Leuven setzte noch einen drauf. Er erließ am Dienstag ein 24-stündiges Betretungsverbot für Union-Anhänger in Leuven und Umgebung, das ab Donnerstag 10 Uhr galt. Bei Zuwiderhandlungen wurden Festnahmen durch die Polizei angedroht. Am Stadion sollten Fans mit deutschen Ausweisdokumenten keinen Zutritt erhalten. Unions Vereinschef Dirk Zingler bezeichnete dies als eine »unverhältnismäßige« Kollektivstrafe.
Am Mittwochabend informierte Union darüber, dass der Verein gemeinsam mit drei Anhängern im Eilverfahren beim belgischen Staatsrat, dem höchsten Verwaltungsgericht des Landes, eine Klage auf Außerkraftsetzung des Betretungsverbotes anstrebt. Am Donnerstag wurde darüber ab neun Uhr verhandelt. Rund 90 Minuten vor Anpfiff wurde die Klage abgewiesen.
Am Mittwoch und Donnerstag reisten davon unabhängig etliche Union-Fans nach Belgien, um ihrer Mannschaft irgendwie nahe zu sein. Mehrere Hundert Anhänger schauten sich die Partie in Bars in Brüssel und Leuven an. Ins Stadion schafften es nur wenige. Manche auf der Haupttribüne gaben sich erst in der spannenden Schlussphase und nach Abpfiff zu erkennen. Vorher hatten sie sich in Zivil oder als Anhänger von Saint-Gilloise getarnt. Rund 30 Ultras tauchten plötzlich stimmgewaltig zwischen der 46. und 78. Minute im Pulk in einem Block auf. Dort kamen auch die Union-Klamotten zum Vorschein.
Das sorgte für Unruhe bei den Gastgebern. Die dort in der Nähe sitzenden Heimfans mussten in einen Nachbarblock umziehen. Die hinter der Tribüne wartende Polizei war bereit, einzugreifen. Der Kompromiss bestand am Ende in einem freiwilligen Abzug der Anhänger dieses Bereichs. Dafür wurden sie nicht verhaftet.
Sportlich hat Union auf europäischer Ebene dazugelernt. Im Vorjahr zahlte die Mannschaft in der Gruppenphase der Conference League Lehrgeld, als es in den Vergleichen mit Feyenoord Rotterdam, Slavia Prag und Maccabi Haifa nur zwei Siege gab. Hoch anzurechnen ist dem Bundesligaspitzenreiter, der sich in der fünften englischen Woche in Serie befindet, die nahezu perfekte Belastungssteuerung und Fitness. In die Partie in Belgien ging die Mannschaft ohne verletzte Spieler. Defensivtaktisch stellt Union sowohl in der Bundesliga mit neun Gegentoren als auch in der Europacup-Gruppe mit nur zwei Gegentreffern die beste Verteidigung. Offensiv fiel es fast nicht ins Gewicht, dass die eigentlichen Torjäger Sheraldo Becker und Jordan Siebatcheu seit sieben beziehungsweise acht Pflichtspielen ohne Treffer sind. Siebatcheu wurde in Belgien sogar geschont.
Finanziell hat sich der Ausflug nach Europa ebenso gelohnt. 6,7 Millionen Euro konnte der Klub bisher einnehmen. Als Antrittsprämie für die Europa League gab es 3,63 Millionen Euro und nun insgesamt 2,52 Millionen Euro Punktprämie. Für Rang zwei in der Gruppe kommen 550 000 Euro dazu. Wer die Playoffs übersteht, darf sich auf weitere 500 000 Euro freuen.
Im Vorjahr nahm Union in der Conference League bis zum Aus in der Gruppenphase rund fünf Millionen ein. Die Spiele fanden im Olympiastadion statt. Jetzt ist es schon deutlich mehr. Die Rückkehr ins Stadion An der Alten Försterei für internationale Spiele erfolgte, weil die Uefa Stehplätze zuließ – aber auch aus emotionalen Gründen. Durch höhere Ticketpreise konnte der Verlust wohl im Rahmen gehalten werden.
Auch im nächsten Jahr könnte Union wieder dabei sein. In den letzten drei Partien vor der WM-Pause am Sonntag in Leverkusen, am Mittwoch in der Alten Försterei gegen den FC Augsburg und am 13. November beim SC Freiburg kann sich Union tatsächlich die Herbst-Meisterschaft sichern. Das wäre eine Sensation und würde auf der Mitgliederversammlung am 14. November im Tempodrom für noch mehr Jubelstürme sorgen.
Kritisch werden an diesem Tag sicher einige Anhänger die Pyroausschreitungen beim Spiel in Malmö hinterfragen. Die Wut auf die Verursacher der Vorkommnisse von Malmö ist noch da. Am 21. Oktober gab es in Anwesenheit von Präsident Zingler bereits eine erste Auswertung mit Vertretern der Ultras und der eingetragenen Union-Fanclubs. Am 10. November soll in der Haupttribüne die nächste Aussprache folgen. Eine Maßnahme ist bereits sichtbar. Seit der Partie in Malmö wurde in den Union-Blöcken bei acht Pflichtspielen nicht mehr gezündelt.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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