Harte Obergrenze für Emissionen

Deutschland muss seine Anstrengungen verdoppeln, um die Klimaschutzziele bis 2030 zu erreichen

  • David Zauner
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Sorgenkinder der deutschen Klimaanstrengungen bleiben weiterhin Industrie und Verkehr.
Die Sorgenkinder der deutschen Klimaanstrengungen bleiben weiterhin Industrie und Verkehr.

Gut getimt: Der Expertenrat für Klimafragen veröffentlichte am heutigen Freitag sein Zweijahresgutachten, zwei Tage vor Beginn des Weltklimagipfels in Ägypten. Letztes Jahr in Glasgow hatten die Staaten das 1,5-Grad-Ziel bestätigt. Dieses Jahr steht in Scharm El-Scheikh zum ersten Mal die Umsetzung im Zentrum.

Fruchtbare Verhandlungen über die künftige Klimapolitik setzen Klarheit über die Faktenlage voraus. Wie haben sich die Treibhausgas-Emissionen entwickelt? Was sind die Trends und reichen die beschlossenen Maßnahmen aus? Für Deutschland beschäftigte sich der Expertenrat in seinem über 270 Seiten langen Gutachten mit genau diesen Fragen. Der Grundtenor: Es passiert was, aber viel zu wenig. Zwischen 2000 und 2021 sanken die Emissionen um 27 Prozent. Das lag an Effizienzsteigerungen. Außerdem verbesserte sich die Energie- und Emissionsintensität. Es wurde also weniger Energie für dieselbe Wirtschaftsleistung verbraucht und weniger Treibhausgas für dieselbe Menge Energie ausgestoßen. Emissionssteigernd wirkte dagegen die Wirtschaftsentwicklung.

„Die bisherigen Emissions-Reduktionsraten reichen bei Weitem nicht aus, um die Klimaschutzziele für 2030 zu erreichen – weder in der Summe noch in den einzelnen Sektoren», stellte der Ökonom Thomas Heimer, eines der fünf Mitglieder des Klimarats, fest. Bis 2030 sollen die Emissionen um 65 Prozent gegenüber 1990 sinken. So sieht es das novellierte Bundes-Klimaschutzgesetz vor. Die jährlichen Minderungsraten müssten sich dafür in den kommenden Jahren mehr als verdoppeln.

Die Fortschritte unterscheiden sich deutlich von Sektor zu Sektor. Am dichtesten sind der Energie- und der Gebäudebereich ihren Zielen auf den Fersen. Mit minus 36 Prozent macht der Energiesektor fast die Hälfe der gesamten Emissionsminderung aus. Im Gebäudesektor schrumpften die Emissionen um 35 Prozent. Die Sorgenkinder der deutschen Klimaanstrengungen sind, mit einer Minderung um 13 und 18 Prozent, Industrie und Verkehr. „Im Industriesektor wäre etwa eine zehnfache und beim Verkehr sogar eine 14-fache Erhöhung der durchschnittlichen Minderungsmenge pro Jahr notwendig», sagte Heimer. 

Viele Maßnahmen erzielen die erhoffte Wirkung nicht

Immerhin spreche der Koalitionsvertrag an, so der Klimarat, dass eine deutliche Beschleunigung der Klimaanstrengungen nötig sei. Aber das Ausbautempo der emissionsarmen Alternativen bleibt weit hinter den Zielen zurück. Das gilt sowohl bei erneuerbaren Energien als auch bei Elektromobilität und Wärmepumpen. Noch schlechter sieht es beim Rückbau fossil betriebener Systeme aus, also von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor, Öl- und Gasheizungen. Im Allgemeinen, urteilt der Expertenrat für Klimafragen, würden viele Maßnahmen ihre erhoffte Wirkung nicht erzielen. Sollte der Umbau von fossil zu erneuerbar nicht schnell genug gehen, „wird ein Erreichen der Klimaziele nur möglich sein, wenn weitere Hebel, wie die Aktivitätsentwicklung in Verbindung mit einer entsprechenden Änderung des Konsumverhaltens, ebenfalls stärker adressiert werden», so die stellvertretende Vorsitzende Brigitte Knopf. 

Beinahe alle verabschiedeten Maßnahmen wirken laut Klimarat indirekt, etwa über Preissteuerung, auf die Treibhausgasemissionen ein. Es fehlten Maßnahmen, die unmittelbar auf weniger Produktion oder die Vermeidung von Rebound-Effekten abzielen. „Effizienzgewinne wurden also beispielsweise durch das allgemeine Wirtschaftswachstum, größere Wohnflächen oder gestiegene Transportleistungen konterkariert», erläuterte der Ratsvorsitzende Hans-Martin Henning.
Der Klimarat bezweifelt, ob die Klimaziele ohne einen Paradigmenwechsel in der deutschen Klimapolitik erreicht werden könnten. Die Bundesregierung könnte etwa eine harte Emissionsobergrenze festlegen.

Die Politik würde damit weg von der bloßen Emissionsminderungspolitik kommen, so der Rat. Also weg davon, über Anreize und Förderungen die Emissionen zu kontrollieren, und hin zu der umso schwierigeren Aufgabe, „den Wandel so zu gestalten, dass er für Wirtschaft und Gesellschaft ökonomisch und verteilungspolitisch tragfähig ist».

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