Überkapazitäten beim Flüssigerdgas

Der derzeitige Erdgasboom gefährdet laut einer neuen Analyse die Pariser Klimaziele

  • Joachim Wille
  • Lesedauer: 3 Min.

Wladimir Putins Krieg gegen die Ukraine und der Stopp der Erdgaslieferungen hat eine Vielzahl neuer Gasprojekte ausgelöst, ob in Australien, Asien, USA, Kanada, Nahost oder Afrika. Der Mangel in Europa soll per Flüssiggas-Schiffen kompensiert werden. Der fossile Erergieträger könnte damit allerdings einen neuen Boom erleben, der die Einhaltung des 1,5-Grad-Limits der Erderwärmung zusätzlich gefährdet. Dies geht aus einer Analyse des »Climate Action Tracker« (CAT) hervor, die jetzt auf dem UN-Klimagipfel in Ägypten vorgestellt wurde.

Die CAT-Forschungsinitiative hat die CO2-Emissionen berechnet, die durch alle im Bau befindlichen, genehmigten und vorgeschlagenen Projekte zur Förderung von verflüssigtem Erdgas (LNG) zwischen 2021 und 2050 entstehen würden. Ergebnis: Sie alleine könnten sich bis 2050 auf rund zehn Prozent des noch verbleibenden globalen CO2-Budgets für die 1,5-Grad-Grenze summieren. Bereits 2030 droht ein Überangebot an LNG von 500 Milliarden Tonnen, was laut CAT fast dem Fünffachen der russischen EU-Gaseinfuhren im Jahr 2021 und dem Doppelten aller russischen Exporte entspricht. »Die Energiekrise hat die Klimakrise übernommen«, kommentiert der CAT-Experte Bill Hare. Eine zunehmende Abhängigkeit von fossilem Gas könne nicht die Lösung für die heutigen Klima- und Energiekrisen sein, so der Physiker.

Klimaschützer kritisieren in diesem Zusammenhang gerade auch die Bundesregierung. Deutschland will sich am Neuaufschluss von Gasquellen im Senegal beteiligen und plant Gaslieferverträge mit dem Emirat Katar, außerdem sollen an den Nord- und Ostseeküsten bis zu zwölf LNG-Terminals gebaut werden. Die Kritiker halten dies für überdimensioniert, dadurch werde eine zu hohe Erdgasnutzung für die Zukunft programmiert.

So sieht es auch das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung in Karlsruhe. Die Hoffnung, die Terminals könnten später für klimaneutral erzeugte Energieträger umgerüstet werden, sei »mit großen Unsicherheiten« behaftet, heißt es in einer aktuellen Studie. Selbst wenn die technischen Probleme gelöst werden könnten, seien etwa für eine Umrüstung auf Wasserstoff noch einmal 50 Prozent der ursprünglichen Investitionskosten nötig. Ein Terminal gleichzeitig für verschiedene Energieträger zu nutzen, sei »nicht möglich«. Die Bundesregierung hingegen hatte mitgeteilt, man plane »von Anfang an, diese Infrastruktur in Zukunft auch für Wasserstoff nutzen zu können«.

Aus der neuen CAT-Analyse ergibt sich ferner, dass die Staaten insgesamt praktisch keine Fortschritte in Richtung Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels gemacht haben. Die Erwärmung im Jahr 2100 würde mit den bisher ergriffenen Klimaschutzmaßnahmen bei 2,7 Grad liegen. Würden die nationalen Ziele für 2030 eingerechnet, wären es 2,4 Grad. Werden die bisher unverbindlichen, langfristigen Netto-Null-Ansagen etwa der EU-Gruppe, der USA und von China eingehalten, könnten 1,8 Grad erreicht werden. Laut dem CAT-Experten Niklas Höhne gibt es zwar positive Nachrichten wie das neue massive Klimapaket der USA, die Aussagen zum Klimaschutz in Chinas 14. Fünfjahresplan sowie eine mögliche Übererfüllung des EU-Klimaziels. Doch das reiche nicht aus: »Um die Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, müssen die Länder in der Klimapolitik in den Notfallmodus schalten, so wie sie es bei der Energiekrise tun.«

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