• Berlin
  • Revolutionärin Tamara Bunke

Von Eisenhüttenstadt an die Seite von Che Guevara

Wanderausstellung über die 1967 in Bolivien getötete Revolutionärin Tamara Bunke endlich in ihrer alten Heimat zu sehen

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.
Die Ausstellung zeigt auch ein Foto von Tamara Bunke in GST-Uniform bei einer Demonstration in Eisenhüttenstadt.
Die Ausstellung zeigt auch ein Foto von Tamara Bunke in GST-Uniform bei einer Demonstration in Eisenhüttenstadt.

»So habe ich sie kennengelernt vor 70 Jahren«, sagt ein alter Mann. Er zeigt mit leuchtenden Augen auf ein Foto, das Tamara Bunke mit langen Haaren zeigt. Bis zu ihrem gewaltsamen Tod 1967 in Bolivien trug die Revolutionärin verschiedene Frisuren und unterschiedliche Namen. In Lateinamerika ist sie besser bekannt als Tania la Guerillera. Den Decknamen Tania wählten sie nach dem Vorbild von Soja Kosmodemjanskaja, die als sowjetische Partisanin diesen Decknamen trug und 1941 von den Faschisten hingerichtet wurde.

In Bolivien gab sich Tamara Bunke als Laura Guitierrez Bauer aus und hatte die Aufgabe, Kämpfer vom Flughafen der Hauptstadt La Paz zur Gruppe des Revolutionärs Che Guevara zu bringen. So wie er bezahlte sie den Versuch, einen Aufstand auszulösen, mit ihrem Leben. Am 31. August 1967 wurde sie beim Durchqueren des Flusses Rio Grande von Soldaten der bolivianischen Regierungstruppen erschossen. Zunächst in Bolivien bestattet, liegen ihre sterblichen Überreste seit 1997 in einem Mausoleum im kubanischen Santa Clara, wie auch die von Che Guevara und anderen Opfern.

Darüber informiert eine Wanderausstellung, die am Samstag in den Räumen der Volkssolidarität in Eisenhüttenstadt eröffnet wurde. Der Ort ist nicht zufällig gewählt, denn Bunke hatte einige Jahre in dieser Stadt zugebracht. Ihre Eltern Erich und Nadja waren Kommunisten, die Mutter jüdischer Herkunft. Sie flohen 1935 vor den Nazis. Im Exil in Argentinien kam am 19. November 1937 ihre Tochter Tamara zur Welt. 1952 ging die Familie in die DDR. Tamara besuchte im damaligen Stalinstadt die Schule und lernte bei der Gesellschaft für Sport und Technik (GST) Schießen. Die Familie lebte in der Straße der Jugend 44 ganz oben, weiß die 90-jährige Lehrerin Vera Rückert, die dort im Erdgeschoss wohnte. »Tamara war ja eine recht lebhafte, meist sah man sie mit ihrer GST-Uniform«, erinnert sich Rückert. Auch Mutter Nadja sei »temperamentvoll« gewesen. Man habe sie zuweilen durchs ganze Haus gehört. Vater Erich sei »ein sehr Stiller« gewesen.

1960 traf Bunke den aus Argentinien stammenden Che Guevara, als dieser die DDR besuchte. Sie dolmetschte für ihn. Von Heimweh nach Lateinamerika und Begeisterung für die kubanische Revolution angetrieben, siedelte Bunke erst nach Havanna über und stieß dann in Bolivien zur Guerillagruppe von Che Guevara. War sie in Che verliebt? Hat sie ihn ins Verderben gestürzt, wie zuweilen behauptet wird?

Bei solchen Details ist Professor Oliver Rump von der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft vorsichtig. Als er die Ausstellung über Tamara Bunke in zwei Schritten 2013 und 2015 mit Studenten der Museologie erarbeitete, hielt er sich an beweisbare Fakten. Ausgewertet wurde der Nachlass von Nadja Bunke, der im Karl-Liebknecht-Haus der Linkspartei lagerte und auf Anregung des Ehrenvorsitzenden Hans Modrow an Kuba übergeben werden sollte. »Sie wissen sicher mehr über Tamara als ich«, sagt Rump am Samstag bescheiden den Besuchern der Ausstellung in Eisenhüttenstadt. Denn es sind gleich mehrere ehemalige Nachbarn dort. Zu einer Veranstaltung am 19. November zum 85. Geburtstag von Tamara Bunke soll dann um 15 Uhr eine Frau kommen, die in einer Schulklasse mit ihr war.

Die einstige Straße der Jugend 44 ist heute die Saarlouiser Straße 14. Dort erinnert aber nichts an Bunke. Anderswo in der DDR waren Schulen nach Tamara Bunke benannt, aber ausgerechnet in Eisenhüttenstadt nicht. »Die alten Eisenhüttenstädter wissen genau, wer Tamara Bunke war, die jüngeren nicht mehr«, heißt es. Kathrin Chod vom Kommunalpolitischen Forum und Mike Pukall von der Hilfsorganisation Cuba si brachten die Ausstellung nach Eisenhüttenstadt. Professor Rump ließ sich sofort dafür begeistern. Er hatte zuvor selbst vergeblich versucht, die Ausstellung im hiesigen Dokumentationszentrum DDR-Alltagskultur zu zeigen. Doch dort wollte man sie nicht haben, an anderen Orten in Deutschland aber schon. Eine spanische Version tourt in Kuba.

Ausstellung »Tania la Guerillera – Von Eisenhüttenstadt an die Seite Che Guevaras«, bis 26. November, Alte Ladenstraße 11 in Eisenhüttenstadt, Di.-So. von 10 bis 16 Uhr, Eintritt frei

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -