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  • Berliner Verfassungsgerichtshof

Berliner Wahl muss komplett wiederholt werden

Bislang wurde erst eine Landtagswahl für ungültig erklärt - Abgeordnetenhauswahl in Berlin muss nach Gerichtsentscheidung wiederholt werden

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. In Berlin steht bald wieder ein Gang zur Wahlurne an - der Verfassungsgerichtshof des Landes erklärte am Mittwoch die Wahlen vom September 2021 zum Abgeordnetenhaus und in den Bezirken für ungültig. Grund waren »Häufigkeit und Schwere der Wahlfehler«, wie die Gerichtspräsidentin Ludgera Selting bei der Entscheidungsverkündung sagte. Es ist erst das zweite Mal seit Gründung der Bundesrepublik, dass ein Gericht eine Landtagswahl für ungültig erklärt.

Die Gründe für die Wahlwiederholung hatten sich bereits bei der Anhörung des Gerichts im September dieses Jahres angedeutet: Wegen schwerer Pannen am 26. September 2021 muss die Berlin-Wahl wohl komplett wiederholt werden, meint das Verfassungsgericht

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Das erste Mal passierte dies 1991 in Hamburg. Eine Gruppe von CDU-Mitgliedern klagte gegen die Gültigkeit der Bürgerschaftswahl vom 2. Juni desselben Jahres. Die Klagenden waren der Meinung, dass die Kandidatenaufstellung bei der CDU gegen Wahlrechtsgrundsätze verstoßen hatte. Das Hamburger Verfassungsgericht gab dem Antrag im Mai 1993 statt und erklärte die Bürgerschaftswahl für ungültig. Ebenso wurde das Wahlergebnis von fünf der sieben Bezirksverordnetenversammlungen für ungültig erklärt.

Das höchste Gericht des Stadtstaats begründete sein Urteil »mit schwerwiegenden Demokratieverstößen« bei der Kandidatenaufstellung der CDU. Zum ersten Mal in der deutschen Nachkriegsgeschichte wurde damit die Wahl eines Landesparlaments aufgehoben. Klagen und Beschwerden beim Bundesverfassungsgericht gegen das Hamburger Urteil wurden sämtlich abgewiesen. Neu wählen durften die Hamburger Bürgerinnen und Bürgern dann am 19. September 1993. Die in der Zwischenzeit getroffenen Entscheidungen der Bürgerschaft blieben jedoch gültig.

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Zu einem etwas anderen Fall kam es vor zwölf Jahren in Schleswig-Holstein: Das Landesverfassungsgericht erklärte das dortige Landeswahlgesetz in einem wichtigen Teil für ungültig und setzte ein Frist zur Neuwahl auf Basis eines korrigierten Wahlrechts. Das aktuelle Wahlergebnis, das im Jahr zuvor nach den alten Regeln zustande gekommen war, ließ es aber gelten. Letztlich wurde deshalb zwei Jahre früher als eigentlich geplant erneut gewählt - bereits 2012 statt 2014.

In der Sache ging es bei dem damaligen Rechtsstreit um Regelungen des Landeswahlgesetzes, welche die Zahl von Ausgleichsmandaten im Fall von Überhangmandaten begrenzten. Das führte bei der Landtagswahl 2009 zu einer knappen Mehrheit von CDU und FDP. Dagegen klagten die Oppositionsfraktionen Grüne und Südschleswigscher Wählerverband (SSW) sowie mehrere Bürgerinnen und Bürger.

Auf kommunaler Ebene gab es hingegen schon mehrmals Fälle, in denen Gerichte Wahlen für ungültig erklärten - so zum Beispiel 1960 im Saarland: Nach der Neufassung des Kommunalwahlgesetzes konnten nur noch politische Parteien an der Wahl teilnehmen. Gegen diese Nichtzulassung von Wählergruppen richteten sich zwei beim Bundesverfassungsgericht eingereichte Verfassungsbeschwerden. Das Gericht erklärte daraufhin die Gesetzesänderung für nichtig und die Wahl für ungültig. Wenige Monate später gab es deshalb Neuwahlen.

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In Berlin müssen die Wahlen nun innerhalb von 90 Tagen wiederholt werden. Auch eine Einschaltung des Bundesverfassungsgerichts würde daran sehr wahrscheinlich nichts ändern. Der zwölfte Februar 2023 steht als möglicher Wahltermin im Raum. AFP/nd

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