Was bleibt

Pilotabschluss in der Metallindustrie: Wie sich die Lohnpolitik der IG Metall von der ihrer Kollegen in Österreich unterscheidet

Warnstreik von Metall-Beschäftigten in Hamburg: Acht Prozent mehr Lohn für ein Jahr hatte die IG Metall gefordert. Vereinbart wurden jetzt 5,2 und 3,3 Prozent, verteilt auf zwei Jahre.
Warnstreik von Metall-Beschäftigten in Hamburg: Acht Prozent mehr Lohn für ein Jahr hatte die IG Metall gefordert. Vereinbart wurden jetzt 5,2 und 3,3 Prozent, verteilt auf zwei Jahre.

Im April 2018 sind die tariflichen Monatseinkommen für Beschäftigte der Metall- und Elektroindustrie zum letzten Mal erhöht worden. Danach gab es lediglich Sonderzahlungen wie ein jährliches »Transformationsgeld«. Unterm Strich hat dies dazu geführt, dass die Tarifgehälter inklusive aller Zahlungen 2018 und 2019 noch um vier Prozent gestiegen sind, in den beiden Folgejahren betrug das Plus nur noch jeweils 0,5 Prozent. Nach Abzug des Preisanstiegs sanken die Reallöhne im letzten Jahr.

Nun haben die IG Metall und der Arbeitgeberverband Südwestmetall in einem Pilotabschluss vereinbart, dass nach mehr als fünf Jahren die tariflichen Monatsgehälter erstmals wieder dauerhaft steigen. Auch Einmalzahlungen wurden verabredet – anders als in Österreich. Dort lehnen die meisten Gewerkschaften einmalige Pauschalen ab.

Der Pilotabschluss, den die Tarifparteien in der Nacht auf Freitag vereinbart haben, sieht Folgendes vor: Die monatlichen Tariflöhne steigen ab Juni kommenden Jahres um 5,2 Prozent und ab Mai 2024 um weitere 3,3 Prozent. Zudem erhalten Beschäftigte steuer- und abgabenfreie »Inflationsprämien« von insgesamt 3000 Euro. Ein erster Teilbetrag muss spätestens im kommenden Januar fließen. Der Tarifvertrag hat eine Laufzeit von zwei Jahren. Der IG-Metall-Vorstand empfahl, den Pilotabschluss bundesweit zu übernehmen.

Auch in der Chemieindustrie haben die Tarifparteien neben einer dauerhaften Lohnerhöhung von je 3,25 Prozent im nächsten und übernächsten Jahr Einmalzahlungen von insgesamt 3000 Euro vereinbart, was kein Zufall ist. Denn der Bundestag hat kürzlich beschlossen, solche Pauschalen zu subventionieren: Unternehmen können Beschäftigten zusätzlich zum regulären Lohn bis zu 3000 Euro steuer- und abgabenfrei zahlen.

Einmalzahlungen sind günstig für Firmen, weil sie das Geld eben nur einmal zahlen müssen und die Gehälter nicht dauerhaft steigen. Zudem müssen sie auf die 3000 Euro keine Sozialbeiträge entrichten. Diese Pauschalen werden »den Kostenanstieg der Unternehmen – wie von der Bundesregierung beabsichtigt – und damit auch die Lohn-Preis-Spirale bremsen«, bilanzierte der Ökonom Ralph Solveen von der Commerzbank bereits nach dem Chemie-Abschluss.

Die Beschäftigten wiederum erhalten die Beträge netto ohne Abzüge. Für Menschen mit geringem Einkommen bedeuten die 3000 Euro zudem prozentual eine stärkere Lohnerhöhung als für Kolleg*innen mit hohem Gehalt. Allerdings gibt es die Pauschalen eben nur einmal.

Auch die österreichische Regierung habe 3000 Euro steuerfrei gestellt, in der Hoffnung, dass die Gewerkschaften eher Einmalzahlungen als dauerhafte Lohnerhöhungen akzeptieren, sagt der Ökonom Oliver Picek vom Wiener Momentum-Institut dem »nd«. Doch haben sich hier die Gewerkschaften bisher nicht darauf eingelassen. »Eine einmalige steuerfreie Zahlung ist zwar schön, der Betrag ist aber im Folgejahr weg – und niemand rechnet damit, dass die Preise sinken«, erläutert Picek die Gründe. Zudem werden auch in Österreich Sozialleistungen wie Renten teilweise über Steuern finanziert. »Wenn Lohnzahlungen steuerfrei sind und dadurch Einnahmen fehlen, verschlechtert sich das Leistungsniveau des Sozialstaats. Das ist aus Sicht der Gewerkschaften wenig sinnvoll.«

Die österreichische Produktionsgewerkschaft (Pro-Ge) hat denn auch Anfang November mit den Arbeitgebern für die Metallindustrie eine dauerhafte Lohnerhöhung von durchschnittlich 7,44 Prozent vereinbart, der Kollektivvertrag hat eine Laufzeit von einem Jahr. Beschäftigte in höheren Lohngruppen erhalten etwas weniger, Arbeitnehmer mit geringem Einkommen bis zu 8,9 Prozent. Der Abschluss liegt damit knapp unter der ursprünglichen Forderung der deutschen IG Metall von acht Prozent für ein Jahr.

Um wie viel Prozent die Einkommen der Metall-Beschäftigen in Deutschland nun tatsächlich im kommenden Jahr steigen, sei nicht präzise zu sagen, erklärte IG-Metall-Verhandlungsführer Roman Zitzelsberger, etwa, weil es sich mal um Netto-, mal um Bruttobeträge handelt. Was er sagen kann: Wenn ein Unternehmen die Inflationsprämie erst 2023 zahlt, steigen die Bruttolöhne der Beschäftigten in diesem Jahr um 0,55 Prozent. Um den Preisanstieg bereinigt sinken sie damit nochmal kräftig.

Und wie stark steigen die Lohnkosten der Unternehmen durch den Tarifabschluss? Auch das hängt davon ab, wann sie die Einmalzahlung gewähren. Pro Jahr dürften die Kosten von 2022 bis 2024 um gut drei Prozent steigen, erklärte ein Sprecher des Arbeitgeberverbands Südwestmetall.

Über alle Branchen hinweg dürften die Bruttostundenlöhne im laufenden Jahr im Durchschnitt um 3,7 Prozent steigen, prognostiziert der Wirtschafts-Sachverständigenrat in seinem jüngsten Gutachten. Preisbereinigt dürften die Reallöhne demnach um mehr als vier Prozent sinken. Fürs kommende Jahr erwartet der Sachverständigenrat einen Reallohnverlust von durchschnittlich 1,7 Prozent.

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