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Hartz IV heißt jetzt Bürgergeld
Beim Streit ums Bürgergeld setzt sich die Union mit ihrem Wunsch nach mehr Sanktionen durch
Das Bürgergeld werde die »größte Sozialreform seit 20 Jahren«, beteuerte Bundesarbeits- und Sozialminister Hubertus Heil (SPD) immer wieder. Der »Geist des Bürgergeldes« sei ein anderer als bei Hartz IV. Doch von den angekündigten grundlegenden Verbesserungen war schon im Gesetzesentwurf der Ampel-Koaliton nichts zu lesen. Trotz lediglich weniger Besserungen für Sozialhilfeempfänger werden selbst diese nun großteils wieder gestrichen.
Die Bundesländer mit Regierungsbeteiligung der Union hatten das Bürgergeld letzte Woche im Bundesrat vorläufig gestoppt, an diesem Mittwoch soll im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat ein Kompromiss besiegelt werden. Diesen fanden die Parteien der Ampel-Koalition und die CDU/CSU bereits vorab, teilten beide Seiten am Dienstag mit.
Dieser beinhaltet unter anderem den Wegfall der vorgesehenen »Vertrauenszeit« von sechs Monaten, in der manche Sanktionen nicht möglich sein sollten. Dabei war selbst diese alles andere als eine sanktionsfreie Zeit, wie die Union es suggerierte. Denn Meldeversäumnisse, die etwa vier Fünftel aller verhängten Sanktionen ausmachen, sollten auch in dem Entwurf der Ampel in den ersten sechs Monaten beibehalten werden.
Nun werden also auch beim Bürgergeld von Anfang an alle Kürzungen des Existenzminimums möglich sein. Das stellt sogar eine deutliche Verschlechterung im Vergleich zur aktuellen Situation dar, denn es gibt gerade ein Sanktionsmoratorium als Übergang zur Einführung des Bürgergeldes. Das Bundesverfassungsgericht hatte bereits im November 2019 klargestellt, dass nicht alle Sanktionsregelungen bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende verhältnismäßig seien und es bis zu einer gesetzlichen Neuregelung einer Übergangslösung bedürfe. Während es also noch eine befristete Aussetzung einiger Sanktionen gibt, wird mit dem Bürgergeld dann wieder zur vorherigen Reglung zurückgekehrt.
Aber die Union setzt sich bei noch mehr Punkten durch. SPD, Grüne und FDP hatten sich darauf geeinigt, dass das Schonvermögen auf 60 000 Euro steigt. Also, dass dieser Betrag nicht mit dem Bürgergeld verrechnet wird. Der Kompromiss mit der Union sieht nun einen Betrag von 40 000 Euro für die erste Person in einer Bedarfsgemeinschaft vor und für jede weitere 15 000 Euro. Zuvor waren für jede weitere Person 30 000 Euro vorgesehen. Zudem gilt eine Karenzzeit von einem Jahr statt wie von der Ampel vorgesehen zwei Jahre. Auch der Zwangsumzug in eine kleinere Wohnung soll nun schon nach einem statt nach den geplanten zwei Jahren stattfinden. Lediglich die Altersvorsorge wird von der Verrechnung mit der Sozialleistung ausgenommen und geschützt.
»Wir haben schwere Systemfehler im Hartz-IV-Update beseitigen können«, erklärte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt daher am Dienstag und nannte die Streichung der »Vertrauenszeit«, die Halbierung der geplanten Karenzzeit und die Verringerung des Schonvermögens. »In allen drei wesentlichen Systemfehlern konnten substanzielle Änderungen erreicht werden«, so Dobrindt.
Doch auch die Ampel-Parteien zeigten sich weitgehend zufrieden mit dem Kompromiss. SPD-Parlamentsgeschäftsführerin Katja Mast sprach von einem »tragfähigen Kompromiss im Sinne der Sache«. Er erlaube weiter einen »Kulturwandel« gegenüber dem Hartz-IV-System. Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann betonte, dass die Regelsatzerhöhung für Leistungsempfänger zum 1. Januar 2023 kommen werde. Auch sei es weiterhin Kern der Reform, Menschen künftig nicht in »irgendeine Tätigkeit« zu vermitteln, sondern sie zu qualifizieren und dauerhaft in Arbeit zu bringen.
»Die Ampel hat groß angekündigt, dass Hartz IV überwunden wird; davon kann keine Rede mehr sein«, erklärte hingegen die Linke-Parteivorsitzende Janine Wissler. »Die Reform fällt aus. Außer einer dringend überfälligen und viel zu niedrigen Erhöhung des Regelsatzes um 53 Euro bleibt im Wesentlichen alles beim Alten.«
Die Erhöhung der Regelsätze war auch bei der Union nicht umstritten und nicht Teil der Kompromissfindung. Wohl daher, weil es sich gar nicht um eine Erhöhung, sondern lediglich um eine Anpassung an die Preissteigerungen handelt. Verantwortlich dafür, dass die »mickrigen Verbesserungen« nun wegfallen, sei »nicht nur die Union, flankiert wurde sie öffentlich von der FDP«, so Wissler.
»Hartz IV bleibt Hartz IV, sollte der jetzt bekannt gewordene Kompromiss zum sogenannten Bürgergeld im Vermittlungsausschuss und im Bundesrat beschlossen werden«, erklärte auch der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, Ulrich Schneider. Hartz IV bekäme neue Akzente Richtung Bildung und Weiterbildung, die der Verband begrüße. Doch von einer Überwindung von Hartz IV hin zu einem Bürgergeld sei der Kompromiss weit entfernt. »Solange in der Grundsicherung weiterhin sanktioniert wird und solange die Menschen weiter in Armut gehalten werden, kann nicht ernsthaft von einer echten Reform, sondern bestenfalls von einer Novelle gesprochen werden«, stellte Schneider fest.
Das Bundesarbeitsministerium leitete dem Vermittlungsausschuss den Kompromiss zu. Das Gremium kann ihn diskutieren und auch noch ändern. Anschließend muss eine Mehrheitsentscheidung fallen, die Bundestag und Bundesrat zur Abstimmung zugeleitet wird. Politikerinnen und Politiker der Ampel-Parteien zeigten sich zuversichtlich, dass der Kompromissvorschlag die Zustimmung des Vermittlungsausschusses ermöglichen könne.
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