»Wir haben noch nie so viel Reis geerntet«

Im Senegal verbessern agrarökologische Ansätze die Ernährungslage

  • Sabine Balk, Weltfriedensdienst
  • Lesedauer: 5 Min.
Gerechte Wasserverteilung ist ein großes Anliegen im Senegal.
Gerechte Wasserverteilung ist ein großes Anliegen im Senegal.

Wüste so weit das Auge reicht, alles ist flach und sandig, es gedeihen nur wenige Bäume. Hier im Norden Senegals, wo das Klima von trockenen und heißen Sahara-Winden geprägt ist, liegt das Dorf Lérabé. Die Lebensbedingungen sind hart. Wer hier Landwirtschaft betreibt, hat es besonders schwer. Mamadou Dia ist einer, der der Wüste trotzt. Er hat es geschafft, genug zu ernten, um seine Familie satt zu bekommen.

Noch vor wenigen Jahren konnte der Kleinbauer von seiner Ernte nicht leben. »Wir träumten davon, uns aus eigener Kraft ernähren zu können«, sagt er. Doch die Erträge waren zu gering, vor allem weil die Felder nicht genug mit Wasser versorgt waren. Wie überall in der Sahelzone regnet es in Lérabé nur sehr selten.

Die Felder müssen bewässert werden, damit Getreide, Obst und Gemüse gedeihen. Dafür sind die Bedingungen gar nicht so schlecht, weil das Dorf nahe an einem Seitenarm des Senegal-Flusses liegt. Um das Wasser an die richtige Stelle zu bekommen, müssen Kanäle und Dämme vom Fluss zu den Feldern gebaut werden. Und nicht nur das: Die rund 400 Familien, die sich in Erzeugergemeinschaften organisiert haben, müssen untereinander regeln, wer wie viel Wasser an welchen Stellen entnehmen darf. Die Bewässerung gut zu organisieren, war für die Bewohner*innen lange Zeit zu schwierig, weshalb die Ernten zu gering ausfielen, um alle zu ernähren.

So wie Mamadou Dia und seinen Nachbarn im Senegal ergeht es Menschen weltweit. In vielen Regionen ist nicht genügend (Trink-)Wasser vorhanden, und der Klimawandel verschlimmert die Situation seit Jahren. Auch wo Wasser ausreichend vorhanden ist, können es die Menschen oft nicht richtig nutzen – sie können es nicht speichern, oder es wird verunreinigt und damit unbrauchbar.

Gerade in der Sahelzone gibt es viele Konflikte um den Zugang zu Wasser. Der Streit zwischen Viehzüchtern und Landwirten um die wertvolle Ressource verschärft sich immer weiter. Die Folgen sind verheerend: Weil immer mehr Menschen nicht mehr überleben können, wandern sie in städtische Regionen ab, wo Verelendung droht. Manche machen sich auch auf den gefährlichen Weg übers Mittelmeer nach Europa.

Mamadou Dia, der die Erzeugergemeinschaft Wissam Ndiam leitet, wollte nicht aufgeben und seine Heimat verlassen. Er suchte den Rat der Organisation Enda Pronat, die kleinbäuerliche Familien in Senegal seit vielen Jahren unterstützt. Die Partnerorganisation des Weltfriedensdienstes stellte fest, dass in Lérabé nicht nur zu wenig Wasser auf die Felder kommt, sondern dass die bisher genutzten Flächen auch zu klein waren, um den Nahrungsmittelbedarf der Familien zu decken – es musste also mehr fruchtbares Land her.

Enda Pronat half, weitere Flächen landwirtschaftlich zu erschließen und die Felder rund ums Dorf gerecht aufzuteilen. So wurden weitere 40 Hektar Landwirtschaftsfläche anlegt, die Bewässerungskanäle instand gesetzt und die Erzeugergruppen technisch und organisatorisch geschult.

Das ist aber nicht das Einzige, was zum Erfolg führte. Enda Pronat setzt sich seit Gründung 1982 für eine umweltfreundliche und nachhaltige Landwirtschaft ein und propagiert ein Gegenkonzept zur industriellen Landwirtschaft, die mit Chemieeinsatz die Bodengesundheit zerstört und die einheimischen Getreidesorten mit Hybridsaatgut verdrängt. Die industrielle Landwirtschaft hat es nicht geschafft, die Menschen im Senegal ausreichend und qualitativ gut zu ernähren. Nach wie vor hat jede*r Fünfte der 17,2 Millionen Senegales*innen nicht genug zu essen.

Der agrarökologische Ansatz von Enda Pronat propagiert eine bäuerliche Landwirtschaft im Einklang mit der Natur. Natürliche Stoffkreisläufe werden genutzt, traditionelles bäuerliches Wissen wiederbelebt. Die Bäuerinnen und Bauern in Lérabé lernten, Kompost und organischen Dünger herzustellen und effektiv einzusetzen. Anstelle von Monokulturen wurden verschiedene Mischkulturen angebaut, um eine möglichst hohe Vielfalt an Nutzpflanzen zu erreichen. Besonders in Wüstenregionen müssen um die Felder Bäume und Hecken gepflanzt und Steinwälle aufgeschichtet werden. Das schützt die Böden vor Erosion und Austrocknung. Alle diese Maßnahmen dienen dazu, die natürliche Bodenfruchtbarkeit wiederherzustellen und zu erhalten.

Die Agrarökologie trägt maßgeblich zum Klimaschutz und zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels bei. Gesunde Böden und Pflanzen speichern enorme Mengen an Treibhausgasen, fördern die Biodiversität und mildern die Folgen von extremen Wetterereignissen.

Hinzu kommt, dass die Menschen durch diese Anbaumethode wieder gesünder und regionaler essen. Denn das agrarökologische Konzept funktioniert am besten, wenn eine Vielfalt traditioneller Hirse-, Mais- und Bohnen-Sorten angebaut wird. Diese Pflanzen sind in der Regel den klimatischen Bedingungen der Region optimal angepasst. Sie haben den weiteren Vorteil, dass die Bäuerinnen und Bauern das Saatgut selbst vermehren und tauschen können. Hochgezüchteter Weizen der Agroindustrie gedeiht nur mithilfe teurer chemischer Mittel optimal, und die Bäuerinnen und Bauern können das Saatgut nicht selbst gewinnen, sondern müssen es jedes Jahr wieder kaufen.

Wie die Kreislaufwirtschaft und die Herstellung von Ökodünger funktioniert und wie altes Wissen wiederbelebt und genutzt werden kann, vermitteln die Berater von Enda Pronat in sogenannten Feldschulen. Sie unterstützen dabei die Bäuerinnen und Bauern, Feldversuche durchzuführen, Wissen und Erfahrungen auszutauschen und ihren Betrieb weiterzuentwickeln.

So macht die Agrarökologie die Menschen nicht nur satt, sondern sie stärkt auch die Gemeinschaft. Der Fokus liegt auf bäuerlicher Zusammenarbeit, gemeinschaftlichem Anbau und dem Tauschen und Teilen der Samen. Dies stärkt wiederum Wirtschaftskreisläufe vor Ort, weil Ernteüberschüsse auf lokalen Märkten verkauft werden und die Landwirtschaft Arbeit für Handwerker*innen und Dienstleister*innen schafft.

Neben dem Hauptnahrungsmittel Reis bauen die Erzeugergemeinschaften Mais an und arbeiten an der Diversifizierung ihres Gemüseanbaus. Sie pflanzen hauptsächlich Zwiebeln an, kombinieren diese aber zunehmend mit anderen Kulturen wie Kürbis, Hibiskus und einigen Saisongemüsen wie Okra und Auberginen.

Für die Menschen in Lérabé war die Hilfe von Enda Pronat der Durchbruch: Sie haben zehntausende Quadratmeter zusätzliches Land fruchtbar gemacht und damit ihr Überleben selbst ermöglicht. Mamadou Dia strahlt: »Heute verfügt unser Dorf über so viel Anbaufläche, dass wir sogar zwei Reisernten pro Jahr haben. Und in den letzten beiden Jahren haben wir Rekorderträge erzielt! Es ist das erste Mal, dass unsere Familien so viel Reis in ihren Kornspeichern haben!«

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