Betreibt Australien mit seiner Kohle Etikettenschwindel?

Bergbauunternehmen sollen Unterlagen manipuliert und Bestechungsgeld gezahlt haben, um die Exporte zu steigern

  • Barbara Barkhausen, Sydney
  • Lesedauer: 4 Min.

Auf der Website des Minerals Council of Australia stehen die salbungsvollen Worte: »Emissionen mit australischer Kohle senken«. Der frühere australische Premierminister Scott Morrison brachte einst ein Stück Kohle ins Parlament, um stolz das »Schwarze Gold« Australiens zu bewerben. Und selbst der amtierende Regierungschef Anthony Albanese, der das Land eigentlich zu deutlich ehrgeizigeren Emissionszielen verpflichtet hat, preist gerne die australische »Qualitätskohle« an. Letzteres ist das Narrativ der australischen Kohleindustrie, die argumentiert, die globalen Treibhausgasemissionen würden steigen, wenn ausländische Kunden Kohle aus einem anderen Land beziehen müssten. Schließlich seien Australiens Kohlevorkommen qualitativ hochwertiger und verursachten weniger Emissionen.

Laut dem parteilosen Abgeordneten Andrew Wilkie ist all das jedoch eine große Lüge. Wilkie hat vergangene Woche vor dem australischen Parlament schwere Anschuldigungen gegen Australiens Kohleexporteure erhoben. Er bezog sich dabei auf »Tausende von Dokumenten«, die er von einem Whistleblower – anscheinend einem leitenden Angestellten eines Kohleunternehmens – erhalten haben will. Er warf den Bergwerksfirmen vor, die Qualität der australischen Kohle mit falschen Laborergebnissen aufzuhübschen. Als Beispiel nannte er einen Bericht, der in einer früheren Version noch einen höheren Wassergehalt enthielt als in der Endversion. Mehr Feuchtigkeit führt dazu, dass die Kohle weniger effizient verbrennt. Damit Verantwortliche im Ausland solche Diskrepanzen ignorieren und Exporte nicht ablehnen, sollen laut Wilkie Bestechungsgelder geflossen sein. Letztendlich gehe es den australischen Kohleexporteuren rein darum, die eigenen Gewinne zu steigern, so der Politiker.

Behörden haben bisher nicht reagiert

»Der Betrug ist Umweltvandalismus«, sagte Wilkie vor dem australischen Parlament. Er mache »das ganze Gerede von Netto-Null-Emissionen bis 2050 zu einer Fiktion«. Wilkie merkte zudem an, dass die frühere Regierung, das zuständige Ministerium, die Polizei sowie die Aufsichtsbehörde – die Australian Securities and Investment Commission (Asic) – bereits seit Längerem informiert seien. Doch bisher habe keiner etwas unternommen. Selbst als sich eines der Testlabore im Jahr 2020 selbst anzeigte und eingestand, Kohlezertifikate gefälscht zu haben, endete dies ohne Strafe. Die Kohle, über deren Qualität falsche Angaben gemacht worden seien, soll nach Japan, Südkorea, Indien und bis 2020 nach China gegangen sein.

Laut Wilkie sind etliche Großkonzerne in die Betrugsvorwürfe verwickelt. Der Parlamentarier nannte die australische Macquarie Bank sowie die Bergbaufirmen Terracom, Anglo American, Peabody und Glencore. Auf Anfrage reagierte als Einziger der Schweizer Rohstoffkonzern: Glencore habe Wilkies Äußerungen zur Kenntnis genommen, hieß es in einem Statement. Und weiter: Der Konzern sei »in keinerlei Untersuchungen oder Verfahren involviert, die mit dieser Sache in Verbindung stehen«. Peabody wie auch Anglo American stritten die Vorwürfe gegenüber australischen Medien ab.

Tim Buckley, Direktor des Thinktanks Climate Energy Finance, der die Dokumente eingesehen hat, ist davon überzeugt, dass »Betrug, Täuschung, Diebstahl und Bestechung« im Spiel seien, wie er sagte. Die Frage sei nun, wie weit dies reiche. Buckley gestand jedoch auch ein, dass sich die Vergehen nicht einfach nachweisen lassen. Die Kohleindustrie sei äußerst geschickt vorgegangen. Die Daten seien nur minimal, »mal ein Prozent hier und dort« angepasst worden und die Gelder nicht direkt, sondern über viele Umwege, wie beispielsweise einen »Urlaub erster Klasse nach New York«, geflossen.

Buckley hofft, dass eine offizielle Untersuchung die Wahrheit ans Tageslicht bringen kann und die Beteiligten zumindest Geldstrafen erhalten. Er verwies dabei auf die hohen Summen, die Glencore bereits in Großbritannien und den USA entrichten musste, nachdem man dem Konzern Schmiergeldzahlungen, Korruption und Marktmanipulation nachweisen konnte.

»Zweifelhafte Wirtschaftsmodelle«

Der Thinktank Australia Institute verwies per E-Mail darauf, dass die australische Bergbauindustrie seit Langem mit »zweifelhaften Wirtschaftsmodellen« und »glatten Lügen« arbeite, beispielsweise um die Anzahl der Arbeitsplätze, die sie schaffe, oder die Höhe der Steuern, die sie zahle, zu verschönern.

Immerhin hat Wilkies Parlamentsrede Bewegung in die Sache gebracht: Die Bundesministerin für Ressourcen, Madeleine King, bestätigte, dass die Regierung den Berichten nachgehe und Informationen sowohl von der Aufsichtsbehörde Asic wie auch dem Ministerium für Industrie angefordert habe. Man wolle »Australiens Ruf als zuverlässiger und wettbewerbsfähiger Lieferant hochwertiger metallurgischer und thermischer Kohle wahren«, so die Ministerin. Sollte die Regierung keine offizielle Untersuchung einleiten, will Parlamentarier Wilkie Dokumente des Whistleblowers öffentlich machen.

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