Späte Gerechtigkeit?

Barbados fordert Entschädigung von reichem Erben einer britischen Sklavenhalter-Familie

  • Peter Stäuber, London
  • Lesedauer: 4 Min.
Die Vorfahren von Richard Drax beuteten auf Barbados Sklaven aus.
Die Vorfahren von Richard Drax beuteten auf Barbados Sklaven aus.

Richard Drax, mit vollem Namen Richard Grosvenor Plunkett-Ernle-Erle-Drax, ist ein aristokratischer Unterhausabgeordneter vom rechten Flügel der Tory-Partei. Er setzt sich für niedrigere Steuern ein, für eine Verschärfung des Asylrechts und weniger Sozialausgaben, und er wohnt in einem denkmalgeschützten Gutshaus in der Grafschaft Dorset, dessen Ländereien unter anderem einen Wildpark umfassen.

Die Besitztümer von Drax – sein Vermögen wird auf insgesamt 150 Millionen Pfund geschätzt – erstrecken sich auch auf die Karibik: Nach dem Tod seines Vaters erbte er vor fünf Jahren das Herrenhaus Drax Hall auf Barbados, das zusammen mit dem Grundstück von etwa 250 Hektar über 5 Millionen Pfund wert ist.

Aber jetzt steht Richard Drax unter Druck, einen Teil seines beachtlichen Vermögens abzutreten. Am Wochenende berichtete der »Guardian«, dass die Regierung von Barbados den britischen Abgeordneten aufgefordert hat, Reparationen zu zahlen, und zwar für die Verbrechen seiner Vorfahren: Die Draxes waren in früheren Jahrhunderten eine der prominentesten britischen Sklavenhalter-Familien und Drax Hall eine der berüchtigsten Plantagen in der Karibik. Drax wäre die erste Einzelperson, das für die Rolle seiner Familie in der Sklavenwirtschaft Reparationen zahlen würde.

Errichtet im frühen 17. Jahrhundert, war Drax Hall eine der ersten Zuckerrohrplantagen in der Karibik. Im Lauf der folgenden 200 Jahre schufteten hier Tausende Sklaven – und bescherten der Familie Drax damit einen phänomenalen Reichtum. »Wenn ich heute durch Drax Hall und Umland fahre, dann habe ich das Gefühl, auf einem riesigen Schlachtfeld mit anonymen Gräbern zu sein«, sagt Hilary Beckles, barbadischer Historiker und Vorsitzender der karibischen Reparationskommission. »Die Leben von Schwarzen waren nur dazu da, die englischen Sklavenhalter zu Millionären zu machen, und die Familie Drax tat dies länger als jede andere Familie der Elite.« Beckles schätzt, dass in den rund 200 Jahren der Sklavenwirtschaft auf den Drax-Plantagen in Barbados und Jamaica rund 30 000 Sklaven gewaltsam zu Tode kamen.

Nachdem die Sklaverei in den britischen Kolonien 1833 offiziell verboten worden war, startete die britische Regierung ein großzügiges Kompensationsprogramm – allerdings nicht für die Opfer der Sklaverei, sondern für ihre Besitzer. John Sawbridge Erle-Drax, ein Vorfahre des heutigen Tory-Abgeordneten, erhielt laut einer Datenbank des University College London über 4000 Pfund – damals eine riesige Summe – als Entschädigung für den »Verlust« von 189 Sklaven.

Jetzt soll Richard Drax geradestehen für die Unmenschlichkeit seiner Vorfahren. Offenbar ist der Abgeordnete kürzlich nach Barbados geflogen, um sich unter vier Augen mit der Premierministerin Mia Mottley zu treffen. Laut dem »Guardian« hat die Regierung in Bridgetown einen Plan für die nächsten Schritte ausgearbeitet. Demnach könnte die 300-jährige Drax Hall zu einem Museum umgebaut werden, und ein Teil des Grundstücks könnte für den Bau von Sozialwohnungen genutzt werden. Richard Drax müsste laut den Plänen für einen Teil der Arbeiten aufkommen.

»Die Drax-Familie ist zentral in der ganzen Geschichte der Versklavung auf Barbados«, sagt David Comissiong, stellvertretender Vorsitzender der Arbeitsgruppe für Reparationen. »Sie hat eine tiefe historische Verantwortung. Der Prozess hat erst begonnen, und wir sind sicher, dass wir verhandeln können.« Wenn man nicht zu einer Einigung komme mit Drax, behalte sich die Regierung von Barbados rechtliche Schritte vor – sie könnte vor internationalen Gerichten Klage erheben.

Drax hat schon vor einigen Jahren Bedauern geäußert über die Rolle seiner Vorfahren in der Sklavenwirtschaft – aber er sagte, dass »niemand für etwas, das vor vielen Jahrhunderten geschehen ist, zur Verantwortung gezogen werden kann«. Das sieht man in der Karibik anders.

Unter Premierministerin Mia Mottley hat Barbados angefangen, das Verhältnis zur ehemaligen Kolonialmacht Großbritannien kritischer anzugehen. Der Inselstaat hatte 1966 die Unabhängigkeit erlangt, aber die Queen blieb ein halbes Jahrhundert lang das Staatsoberhaupt. Damit war es letztes Jahr vorbei: Barbados sagte sich von der britischen Monarchie los und wurde zu einer Republik.

Auch verweist Mottley immer wieder auf den Zusammenhang zwischen Kolonialismus und Klimakrise: »Wir waren diejenigen, die mit unserem Blut, unserem Schweiß und unseren Tränen die Industrielle Revolution finanziert haben«, sagte sie im November auf der COP-27-Klimakonferenz. »Werden wir jetzt doppelt bestraft, indem wir die Kosten jener Treibhausgase aus der Industriellen Revolution tragen? Das ist fundamental unfair.« Richard Drax, so zeigt ein Blick in die Datenbank des Unterhauses, hat in den vergangenen Jahren stets gegen jegliche Maßnahmen zur Eindämmung der Klimakrise gestimmt.

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