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  • Anschlag auf Asylunterkunft in Saarlouis 1991

Der »geläuterte« Neonazi

Angeklagter bestreitet Brandanschlag in einer Geflüchtetenunterkunft in Saarlouis vor 31 Jahren

  • Joachim F. Tornau
  • Lesedauer: 4 Min.
Es brauchte mehr als 30 Jahre bis zum Prozess zum Mord an Samuel Kofi Yeboah.
Es brauchte mehr als 30 Jahre bis zum Prozess zum Mord an Samuel Kofi Yeboah.

Die Fotos, die auf dem Bildschirm im Gerichtssaal erscheinen, zeigen einen fröhlichen jungen Mann. Samuel Kofi Yeboah grinst in die Kamera, auf einem Bild präsentiert er sich mit nacktem Oberkörper. Am Rand ist das Foto angesengt, es wurde im Brandschutt der Geflüchtetenunterkunft in Saarlouis gefunden, in der der 27-Jährige aus Ghana lebte – und in der er am 19. September 1991 zum Opfer eines rassistischen Brandanschlags wurde.

Dem Mann, der ihn ermordet haben soll, wird nun mit mehr als 30-jähriger Verspätung der Prozess gemacht: Peter Werner S., heute 51 Jahre alt und damals einer der Aktivposten der neonazistischen Skinheadszene im Saarland, muss sich vor dem Oberlandesgericht in Koblenz verantworten. Dem Staatsschutzsenat ist es wichtig, sein mutmaßliches Opfer nicht nur als schaurig verbrannte Leiche zu zeigen. Ein Zeichen der Empathie.

Dem Angeklagten war derlei Mitgefühl lange fremd, das gibt er offen zu. »Die Sache berührt mich nicht«, gab er zu Protokoll, als ihn die Polizei gleich nach dem Anschlag befragte. Gerade einmal zwei Wochen lang wurde damals in der Szene der Neonazi-Hochburg Saarlouis ermittelt, dann glaubte die Polizei den lapidaren Unschuldsbeteuerungen der rechten Kameraden. Und S. bleibt bis heute bei dem, was er schon vor drei Jahrzehnten behauptete: Er sei es nicht gewesen und traue die heimtückische Tat auch keinem seiner Neonazi-Freunde zu.

In einer Einlassung, die sein Verteidiger Guido Britz am Montag verliest, bestreitet der Angeklagte sogar jegliche Freude über die rassistischen Ausschreitungen von Hoyerswerda, die kurz vor dem Anschlag von Saarlouis begannen, oder von Rostock-Lichtenhagen ein Jahr später. »Nach seiner Erinnerung herrschte in der rechten Szene keine Pogromstimmung«, trägt der Anwalt vor. Später beteuert sein Mandant, dass ihm der Flammentod von Samuel Kofi Yeboah nicht mehr so »egal« sei wie früher. »Tragisch, dass da jemand umgekommen ist«, sagt er. Und: »Ich habe viele ausländische Freunde heute.«

Laut Anklage soll S. frühmorgens in die Geflüchtetenunterkunft eingedrungen sein, Benzin verschüttet und angezündet haben. Sicher ist: Die hölzerne Treppe stand so schnell in Flammen, dass der junge Ghanaer im Dachgeschoss keine Chance mehr hatte. Und unbestritten ist auch, dass der Angeklagte am Vorabend mit weiteren Neonazis gesoffen hatte. Aber dass dabei über die jüngsten Ereignisse in Hoyerswerda gesprochen worden sei und der Anführer der örtlichen Skinheads mehr oder weniger unverhohlen dazu aufgefordert habe, auch in Saarlouis »mal sowas brennen« zu lassen – davon will der Angeklagte nichts wissen. Direkt nach Hause in die mütterliche Wohnung sei er nach dem Kneipenabend gegangen, sagt S., und sternhagelvoll auf dem Sofa eingeschlafen. Doch als er am Morgen im Radio von dem Feuer gehört habe, sei er sofort zum Brandort geradelt. Warum, will das Gericht wissen, wenn ihm das alles doch so egal gewesen sei? »Neugier«, sagt S. »Schaulust.« Es ist nicht erkennbar, wie überzeugend der Senat diese Erklärung findet.

Dass der Mann aus Saarlouis von seiner Vergangenheit eingeholt wurde, liegt an einem Grillfest im Jahr 2007. Da soll er sich gegenüber einer Frau mit dem Brandanschlag gebrüstet haben – was die jedoch erst anzeigte, als vor drei Jahren über »Cold Cases« im Saarland berichtet wurde. S. möchte sich vor Gericht zu dieser Grillparty erst später irgendwann äußern. Auch über seine Gesinnung soll noch nicht gesprochen werden, so will es die Verteidigung. Dennoch bekommt das Bild, das Rechtsanwalt Britz von seinem Mandanten zeichnen möchte, das des treusorgenden und seit langer Zeit von der rechten Szene distanzierten Familienvaters, auch so bereits Risse. Da ist zum Beispiel das Tattoo von Paulchen Panther, das S. auf seinem rechten Unterarm trägt – und das er sich, wie er überraschend einräumt, 2011 oder 2012 habe stechen lassen – also zu der Zeit, als der NSU gerade sein zynisches Bekennervideo mit der Zeichentrickfigur veröffentlicht hatte.

Dann lässt das Gericht noch einmal Fotos auf dem Bildschirm erscheinen. Zu sehen ist der Angeklagte bei einem Rechtsrockkonzert im Jahr 2005. Auf einem Foto posiert er stolz in SS-Uniform mit Hakenkreuzbinde. Und mit einem Bekannten tauschte er via Whatsapp noch vor kurzem munter aus, was er offenbar für witzig hielt: rassistische Memes, Hitler-Bilder, unverhohlene Freude über ein gesunkenes Schiff mit Geflüchteten. Auch das möchte S. vorerst nicht kommentieren.

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