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Patriarchales Waffenarsenal

In der US-amerikanischen Rechten spielt Antifeminismus eine wichtige Rolle. Pekka Kolehmainen forscht über Sprache und Akteure dieses Kulturkampfs

  • Tanja Röckemann
  • Lesedauer: 9 Min.
Soll so der »natürliche« Herrscher aussehen, den der Feminismus stürzen will? Rechte, die das behaupten, haben eigene Umstürze im Sinn.
Soll so der »natürliche« Herrscher aussehen, den der Feminismus stürzen will? Rechte, die das behaupten, haben eigene Umstürze im Sinn.

Herr Kolehmainen, Sie forschen zu Antifeminismus in der US-Rechten. Wie ist Ihr Interesse dafür entstanden?

Interview

Pekka Kolehmainen ist Postdoktorand am John Morton Center for North American Studies und am Turku Institute for Advanced Studies der Universität Turku in Finnland. Sein Forschungsprojekt untersucht die Begriffsgeschichte des Antifeminismus und rechter Politik in den USA von den 1970er Jahren bis heute.

Ich habe meine Doktorarbeit in Kulturgeschichte darüber geschrieben, wie politische Magazine in den 1980er und 90er Jahren über Rockmusik in den USA berichteten. Im Laufe dieses Projekts entwickelte ich immer mehr Interesse für rechte Politik, insbesondere für rechte Rhetorik und Konservatismus in den Vereinigten Staaten. Als ich dann nach einem konkreten Ansatz für meine weitere Forschung suchte, kam mir die Frage unter, wie Rechte Angriffe auf den Feminismus nutzen, um ihre Ideologie zu entwickeln. Dann gab es da noch das Element, selbst ein Mann zu sein, der sich für Videospiele interessiert – in dieser Community war der Antifeminismus geradezu aufgeblüht. Ich denke, im Gaming liegt einer der Kristallisationspunkte der zeitgenössischen US-Rechten. Als sich 2016 die »Alt Right«-Bewegung konsolidierte, gab es viele Diskussionen darüber, wie diese jüngeren, kantigeren, rechtsextremeren Elemente zur »alten Rechten«, also der republikanischen Partei stehen. Dabei ergibt sich der Antifeminismus als Schlüsselelement, weil er in gewisser Weise die alte Rechte der 1970er Jahre mit der zeitgenössischen Rechten vereint. Die Website PragerU, die ich erforsche, ist in diesem Sinne ein besonders interessanter Ort, weil sie ebenfalls eine der Hauptverbindungen zwischen der traditionellen rechten Ideologie in den USA und den neueren Figuren zu sein scheint.

Auf einer Konferenz nächste Woche halten Sie einen Vortrag mit dem Titel »PragerU and the Conceptual Language of Anti-feminist and Male Supremacism«. Was ist denn PragerU?

PragerU ist genau genommen eine rechte Interessenvertretung, gegründet im Jahr 2009. Das »U« steht für Universität, obwohl es keine akkreditierte Bildungseinrichtung ist. Es werden dort propagandistische, sehr rechte Inhalte präsentiert. Einiges davon ist eindeutig in der Sprache, zum Beispiel, dass die Linke die Gesellschaft zerstört oder der Feminismus den Arbeitsplatz ruiniert. Andere Themen wiederum kommen sehr viel unschuldiger daher. Ein wesentlicher Aspekt von PragerU ist die sehr gute Finanzierung. Sie haben eine Website und einen Youtube-Kanal mit derzeit 3 ​​Millionen Abonnenten und 1,34 Milliarden Aufrufen im vergangenen Jahr. Viele Leute sehen sich dieses Zeug an und einer der Gründe dafür sind die gut gemachten Videos. Sie haben viele ausgefallene Animationen und sind – wenn man nicht genauer hinsieht – sehr gut darin, sich einen Anschein von Ernsthaftigkeit und Seriosität zu geben.

Ich habe mir auf PragerU die Show »Unapologetic« angesehen, die von einer jungen schwarzen Frau moderiert wird. Es soll objektiv und informativ wirken, aber eigentlich geht es nur um Beschwerden, Häme und Hass. Die Tatsache, dass die Moderatorin eine schwarze Frau ist, vermittelt jedoch die Botschaft, dass kein Rassismus im Spiel sein kann.

Ja, das gibt es definitiv auf PragerU: diverse Stimmen, die sich gegen Diversität aussprechen, Frauen, die sich gegen Feminismus positionieren, Schwarze, die gegen Antirassismus sprechen und so weiter. Eine weit verbreitete Behauptung auf PragerU ist, dass Phänomene wie Feminismus oder Critical Race Theory den Menschen Handlungsunfähigkeit beibringen, sie zu Opfern erziehen, die nicht für ihr eigenes Leben verantwortlich sind. In rechten Kreisen in den USA ist die Vorstellung weit verbreitet, es gäbe keine systemischen Probleme. Stattdessen fördern sie die »Pull yourself up by your bootstraps«-Mentalität, die Vorstellung also, man müsse sich selbst aus dem Schlamassel befreien. Dabei dreht sich alles um individuelle Fähigkeiten: Wer hart genug arbeitet und an sich glaubt, kann alle Widrigkeiten allein überwinden.

Was meinen Sie mit »Konzeptueller Sprache von Antifeminismus und Male Supremacy«, können Sie ein Beispiel nennen?

In meinem Forschungsprojekt betrachte ich anhand von rechten Organisationen die Geschichte antifeministischer Konzepte in den Vereinigten Staaten. Welche Konzepte verwenden sie in ihrer Rhetorik? Wie eignen sie sich bestimmte Ideen an? PragerU ist eine dieser Organisationen und dort habe ich untersucht, wie über Männlichkeit gesprochen wird. Sie wollen gegen die Figur der toxischen Männlichkeit argumentieren, indem sie diese zunächst auf eine bestimmte Weise definieren, um dem dann entgegenzusetzen, was sie unter Männlichkeit verstehen. Dabei wird die Annahme vertreten, dass toxische Männlichkeit, wie sie der Feminismus versteht, nicht existiere – dass aber Männlichkeit, wenn sie nicht »natürlich gedeihen« darf, dazu neige, gewaltvoll zu werden. Die Antwort darauf ist, dass Männer einfach Männer sein müssen, denen ihre Heldenmomente gelassen werden. Und die Frauen sind letztlich vor allem Hausfrauen. Es ist eine bioessenzialistische Sichtweise auf Geschlecht, derzufolge die Natur die Rolle der Menschen in der Gesellschaft determiniert. Das »Argument« auf der Rechten lautet, dass Feministinnen versuchen, Männlichkeit abzuschaffen und man deshalb kämpfen müsse, um diese zu retten. Ich interessiere mich für die Rhetorik, die diese Menschen entwickeln, die Bedeutung, die sie unterschiedlichen Konzepten, Wörtern, Ideen geben – die sie sich übrigens oft vom Feminismus oder aus anderen kulturellen und politischen Bereichen aneignen. Male Supremacy beschreibt die Idee, dass Cis-Männer über die Gesellschaft herrschen sollten. Diese ideologische Figur findet sich, wenn man an der Oberfläche kratzt, in vielen rechten Äußerungen über Männlichkeit wieder, es ist gewissermaßen die Grundidee. Hier wird verkündet, dass Männer natürliche Führer seien, und der Feminismus verbiete ihnen das und stelle damit die sozialen Probleme erst her.

Was ist denn der Unterschied zwischen Male Supremacy und Patriarchat?

Der Begriff Male Supremacy stammt nicht von mir, sondern vom Institute for Research on Male Supremacy. Sie müssten also mit den Wissenschaftler*innen dort darüber sprechen. Ich selbst würde Male Supremacy als Mittel zur Aufrechterhaltung des Patriarchats begreifen, wobei letzteres eher ein System wäre, das Stück für Stück aufgebaut wird, als eine Lebensweise.

Dann wäre die subjektive Einstellung Male Supremacy, als ein persönliches Glaubenssystem, und das Patriarchat die tatsächlich etablierte Struktur. Das macht Sinn. Es ist aber auch wichtig zu betonen, dass der Erhalt männlicher Vormachtstellung kein Selbstzweck ist: Das Patriarchat war schon immer Teil eines größeren Systems, das wirtschaftliche Ausbeutung und Unterdrückung, eine Klassenstruktur rechtfertigt. Ich frage mich, ob es nicht praktisch für die Rechte, aber auch für die anderen Herrschenden ist, diese »Kulturkriege« um Geschlecht, Sexualität etc. zu führen – an denen die Linke sich ja total beteiligt …

Das ist ein großes Thema, zu dem ich mich hier nur kurz äußern kann. Ich denke, eines der Schlüsselelemente ist, dass alle diese Themen auf der »rechten Skala« ständig ineinander fließen. Zum Beispiel hat der Aspekt der Männlichkeit eine ökonomische Komponente darin, dass Männlichkeit unter anderem durch die Idee des Unternehmertums, der individuellen Durchsetzung auf dem Markt definiert wird.

Antifeminismus und Frauenfeindlichkeit waren schon immer Teil der kapitalistischen Gesellschaft, in der wir ja auch heute noch leben. Gibt es wirklich eine Intensivierung von Antifeminismus, Maskulinismus und so weiter – oder ist das alles nur nie verschwunden? Haben wir es derzeit hauptsächlich mit einem Rollback zu tun, also der Reaktion auf erfolgreiche feministische Kämpfe?

Das ist eine gute Frage, ob das alles jemals verschwunden war. Das ist tatsächlich schwer zu sagen. Es sind aktive Ideologien, die versuchen, eine bestimmte Art von Ordnung zu errichten oder zu stärken, die insbesondere seit den 1960er Jahren bedroht zu sein scheint. In Bezug auf die Frage nach einem Rollback ist aber wichtig, dass so etwas wie eine »natürliche Gegenreaktion« nicht existiert. Es gibt schlicht konkrete Schlüsselfiguren, die ganz aktiv daran arbeiten, männliche Vorherrschaft und andere hierarchische Gesellschaftsstrukturen aufrechtzuerhalten. Die aktuellen Entwicklungen sind also auch das Ergebnis eines bewussten Aktivismus auf der Rechten, die seit den 1970er Jahren Institutionen, Think Tanks und so weiter aufbaut. Ein Produkt davon ist PragerU; unter den anderen Organisationen, die ich mir ansehe, sind die Heritage Foundation und die Free Congress Foundation. Das alles sind konservative Organisationen, die aktiv die ideologischen Arsenale dafür schaffen wollen, für eine von Männern beherrschte Gesellschaft zu argumentieren – wobei das nicht unbedingt ihre eigene Formulierung ist. Und möglicherweise ist jetzt endlich der Moment gekommen, in dem die Bedingungen dafür vorhanden sind, dass diese Organisationen gedeihen und ihre Botschaften vermitteln können. Bemerkenswert ist beispielsweise die Abschaffung des Abtreibungsrechts in den USA. Seit den späten 70er Jahren war es für viele konservative Aktivisten das oberste Ziel, den Präzedenzfall Roe v. Wade aufzuheben. Es hat lange gedauert, aber in diesem Jahr haben sie es geschafft. Wir könnten es mit einem Rollback zu tun haben, aber gleichzeitig präsentiert sich diese rechte Ideologie zwar so, als würde sie nur etwas Vergangenes zurückwollen. Aber wann genau war Amerika denn nun eigentlich so großartig? Der genaue Zeitpunkt, an dem alles idyllisch und harmonisch war, lässt sich niemals wirklich finden. Man muss also bedenken, dass es nicht nur um einen reaktionären Impuls gegen neue Entwicklungen geht, sondern darum, dem Ganzen etwas Eigenes entgegenzusetzen.

Sie leben und arbeiten in Finnland. Wie ist die Situation in Bezug auf die Geschlechterverhältnisse dort?

Finnland ist im Allgemeinen etwas besser dran als die USA, würde ich sagen, aber es gibt doch einen deutlichen Einfluss rechter, antifeministischer Botschaften von dort. Die Übernahme einer Partei durch ihre Basis, wie sie bei den Republikanern geschieht, ist hier nicht zu beobachten. Dennoch gibt es einzelne Politiker und rechte Medienschaffende, die ähnliche Taktiken anwenden wie die US-Rechte. Zum Beispiel sprechen jetzt einige rechte Randfiguren über Abtreibung, was in Finnland eigentlich ein geregeltes Thema ist, ein Grundrecht. Das ist kein so heißes Thema wie in den USA, aber plötzlich hört man doch diese Diskurse, und sie vermischen sich mit nationalen Debatten, die eher spezifisch für Finnland sind. Und die sozialen Medien erleichtern diese Entwicklungen, zum Beispiel weil finnische Rechtsextreme auch Videos auf PragerU schauen.

Verstehen Sie sich eigentlich selbst als Aktivist, wollen Sie mit Ihrer Forschung etwas verändern? Kann wissenschaftliche Arbeit überhaupt in gesellschaftliche Probleme eingreifen?

Das ist eine gute Frage, über die ich selbst nachdenke, auf die ich aber keine klare Antwort habe. Am Institute for Research on Male Supremacism gibt es mit Sicherheit eine stärkere aktivistische Komponente, was auch Sinn macht, weil diese Art von Forschung zumindest ein Stück weit sozial engagiert sein muss, schon von der Sache her. Ich persönlich bin nicht viel aktivistisch unterwegs, aber ich hoffe doch, dass meine Forschung Werkzeuge für linken Aktivismus liefern kann. Ich möchte helfen, bestimmte Dinge aufzudröseln, denn rechte Rhetorik kann ja zum Teil durchaus vernünftig klingen, wenn einem der Kontext fehlt. Reale Sachverhalte werden auf der Rechten total verdreht und ich denke, es braucht Leute, die erklären, was da eigentlich vor sich geht. Man hofft, etwas zu bewirken – aber welche Rolle die wissenschaftliche Forschung dabei letztlich spielt, das bleibt offen.

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