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»Studierende leiden unter den sozialen Verwerfungen besonders«
Tobias Kratz vom Asta der TU-Darmstadt organisiert Protest gegen die neue Not an den deutschen Hochschulen
In Darmstadt haben sich 1500 Menschen einem Studierendenprotest angeschlossen. Das war überraschend. Welche Reaktionen folgten auf die Demonstration?
Es gab ein breites Medienecho, was uns natürlich gefreut hat, und auch eine Stellungnahme der hessischen Wissenschaftsministerin Angela Dorn (Grüne). Sie bekräftigt darin, dass Hilfen für klamme Universitäten bereitgestellt würden. Unsere Forderung nach einer besseren Finanzierung der Hochschule wurde von der Landesregierung schließlich aufgenommen.
Tobias Kratz ist Vorstand des Allgemeinen Studierendenausschusses (Asta) der TU Darmstadt und studiert dort Politikwissenschaften im Bachelor. Für den Asta hat er die Proteste Ende November organisiert. Stefan Otto sprach mit ihm über Bafög-Reform, Soforthilfen und Studierendenproteste.
Eine weitere Forderung lautet, dass es eine bessere Versorgung für die Studierenden geben müsse, weil die zuletzt im Juli vom Bundestag beschlossene Anhebung des Bafög nicht ausreicht.
Viele Studierende bekommen noch immer zu wenig Bafög-Förderung oder gar keine, weil ihre Eltern zu viel verdienen. Es profitieren einfach noch zu wenige davon. Auch bei mir ist das so: Ich bräuchte die Förderung eigentlich seit September, habe jetzt einen Nebenjob. Im Bafög-Bescheid steht aber eine fette Null.
Wie müsste eine Bafög-Reform aussehen?
Das Bafög müsste familienunabhängig sein. Denn im Moment ist es so, dass viele Eltern mit ihren Einkommen die Studierenden unterstützen sollen, obwohl sie das oft gar nicht können. Wir finden nicht, dass es eine Option ist, wenn uns von den Studentenwerken nahegelegt wird, unsere Eltern zu verklagen. Eine Reform müsste gewährleisten, dass all jene, die auf Unterstützung angewiesen sind, schnell und unbürokratisch gefördert werden.
Ab Januar soll die vom Bundestag beschlossene 200 Euro umfassende Soforthilfe für Studierende kommen. Ist das gerade noch rechtzeitig?
Na ja, noch ist völlig unklar, wann das Geld ausgezahlt wird. Es gibt nämlich noch keinen Auszahlmechanismus dafür. Wahrscheinlich wird das nichts vor März. Außerdem wird den meisten Studierenden das Geld nicht ausreichen, um über die Runden zu kommen, vor allem jetzt im Winter. Wir fordern, dass Studierende 1000 Euro bekommen sollten, um die gestiegenen Energiekosten für eine längere Zeit bezahlen zu können.
Auch die TU in Darmstadt hat einen Engpass. Warum?
Die TU Darmstadt ist in besonderer Weise von den gestiegenen Strom- und Gaspreisen betroffen. Sie betreibt Hochleistungsrechner. Außerdem müssen dort für den Forschungs- und Lehrbetrieb sowohl sehr hohe als auch sehr niedrige Temperaturen erzeugt werden. Das ist alles energieintensiv. Die Kosten sind daher deutlich höher als bei anderen Hochschulen gestiegen. Aktuell beträgt die Lücke im Haushalt zwischen 10 und 15 Millionen Euro.
Die Hochschule ist also in besonderer Weise auf Landeshilfen angewiesen.
Inzwischen hat sich das Land bereit erklärt, die Hochschulen landesweit mit 40 Millionen Euro zu unterstützen. Wie viel die TU Darmstadt davon abbekommt, ist aber noch unklar. Wir wissen derzeit nicht, ob es Einschnitte in der Lehre geben wird. Vielleicht müssen wir wieder häufiger von zu Hause aus studieren, vielleicht kehrt die Onlinelehre zurück. Schon jetzt gibt es die Tendenz, den Arbeitsaufwand in der Lehre deutlich zu verringern. Es fehlt an studentischen Hilfskräften, die aber notwendig für die Durchführung der Grundlehre sind. Dieser Mangel ist das Ergebnis der schlechten Bezahlung im Vergleich zu Jobs in der Industrie.
Die Studierenden haben sich mit dem Protest auch gegen die prekäre Beschäftigung an der TU ausgesprochen. Die Gewerkschaft Verdi unterstützt die Forderung. Wie verhält sich die TU dazu?
Aktuell unterstützt uns das Präsidium der Hochschule. Unser Appell richtet sich schließlich auch an das Land, die TU besser zu unterstützen. Aber wir nehmen ebenso zur Kenntnis, dass die Mittel der TU auf der einen Seite für Prestigeobjekte fließen, auf der anderen Seite gibt es prekäre Beschäftigungsverhältnisse in der Lehre. Und wenn jetzt das Land die TU nicht in dem Umfang unterstützt, wie es das müsste, dann droht ein Stellenabbau. Die Situation kann sich schon bald zuspitzen.
In Darmstadt ist die TU Ausgangsort eines sozialen Protests geworden, den es nicht oft gibt. Der von vielen erwünschte heiße Herbst blieb aus. Wie soll es jetzt weitergehen?
Wir planen mit Studierendenvertretungen anderer Universitäten im Januar Gespräche. Dann wollen wir ausloten, wie wir gemeinsam agieren können. Schließlich leiden wir Studierenden ja unter den derzeitigen sozialen Verwerfungen besonders. Deshalb werden wir auch weiterhin auf unsere Situation aufmerksam machen.
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