Nigers langer Kampf gegen Terrorismus

Bewaffnete Gruppen zerstören Dörfer, töten und misshandeln Bewohner und beuten die Überlebenden aus

  • David Bieber
  • Lesedauer: 3 Min.
Eine nigrische Eliteeinheit der Polizei.
Eine nigrische Eliteeinheit der Polizei.

Eine typische Szene aus dem Niger, auch wenn der Sahel-Staat längst nicht mehr alleiniges Zentrum des islamistischen Terrors in Westafrika ist: Schwer bewaffnete radikal-islamische Kämpfer kommen auf Motorrädern in Dörfer und überfallen die Bewohner. Die Männer schlagen sie zusammen oder zu Tode, die Frauen werden brutal genötigt, nicht selten auch vergewaltigt. Das Vieh wird gestohlen, die Holzbehausungen angezündet. Zurück bleibt eine traumatisierte Dorfgemeinschaft.

Seit mehr als zwölf Jahren und mehr denn je terrorisieren islamistische Gruppen und bewaffnete Kriminelle die Bevölkerung in Westafrika – vorwiegend in Mali, Burkina Faso, Nigeria und eben Niger. Die Vereinten Nationen gehen davon aus, dass sich die Zahl der zivilen Opfer in den Sahel-Staaten in den vergangenen Jahren vervielfacht hat – trotz US-amerikanischer und europäischer Militärkooperationen und starker Präsenz westlicher Truppen und Hilfsgelder.

Niger ist eines der ärmsten und perspektivlosesten Länder der Welt. Der Zugang zu Trinkwasser, Nahrung, Gesundheitsleistungen, Bildung und Arbeit ist stark eingeschränkt. Die Corona-Pandemie hat diese Lage verschlimmert. Zudem schafft es der Staat nicht, seine eigene Bevölkerung zu schützen, Infrastruktur aufzubauen und für politische Stabilität zu sorgen. Dennoch gilt der nigrische Regierungsapparat und vor allem die Armee als seriöser und verlässlicher als jene in Mali und Burkina Faso.

Die Terroristen im Sahel zählen hauptsächlich entweder zu einem Al-Kaida-Ableger in Westafrika oder berufen sich auf den Islamischen Staat in der Sahelzone (ISGS). Was ihnen etwa in Niger überdies in die Hände spielen dürfte, ist das brutale Vorgehen der staatlichen Sicherheitskräfte und mit ihnen verbündeten Milizen. Laut der Nichtregierungsorganisation ACLED sind in den vergangenen Jahren mehr Zivilisten durch Soldaten und Polizisten als durch Terroristen gestorben. In Niger soll das Militär auch Massenhinrichtungen durchgeführt haben.

In Niger sind vor allem Al-Kaida-nahe Milizen aktiv, diese kommen soweit bekannt oft aus dem Nachbarstaat Mali. Einige von ihnen gehören auch dem ISGS an. Dazu mischen sich immer wieder Spannungen unter verschiedenen Bevölkerungsgruppen um Land und Vieh. Dazu kommt eine Vielzahl krimineller Banden, die in der Gegend aktiv sind und nicht selten mit den Terrorgruppen gemeinsame Sache machen. Sie stehlen Vieh, schmuggeln Drogen, Waffen, die vorwiegend aus dem Bürgerkriegsland Libyen kommen, Treibstoff und Menschen.

Den Bewaffneten geht es dabei nicht um territoriale Ansprüche, sondern vielmehr um die Kontrolle von wichtigen Handels-, Transport- und Migrationsrouten und um die Verbreitung von Angst im Namen des militanten Islamismus. Anders als die Terrorsekte Boko Haram, die aus Nigeria einen Gottesstaat machen wollen, können sie etwa auf den Handels- und Transportrouten von den Menschen eine Art Passiergeld oder Steuer erpressen und die Bevölkerung immer mehr ausbeuten. Beunruhigend ist, dass diese Einnahmequelle nicht so schnell trockengelegt werden kann.

Mit dem Abzug der deutschen Soldaten aus Mali 2024 ist es nun gut möglich, dass Niger – ein Land, das vier Mal so groß wie Deutschland ist, dabei aber nur knapp ein Viertel der Bevölkerung hat – zur neuen internationalen Zentrale und neuem Drehkreuz in der Bekämpfung des Terrorismus in einer der instabilsten Region der Welt wird. Da Niger außerdem eines der zentralen Transitländer für afrikanische Migranten nach Europa ist, rückte es in den vergangenen Jahren auch zunehmend in den Fokus der EU.

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